Macron nimmt Atomgeschäfte mit Putin wieder auf – und macht Frankreich noch abhängiger
Es war ein zeitlicher Zufall: Emmanuel Macron zelebrierte diese Woche mit Wolodimir Selenski gerade die Bestellung von 100 französischen Kampfflugzeugen durch die Ukraine, als Greenpeace ein Communiqué veröffentlichte, das für den französischen Präsidenten weniger glorreich klingt. Die Umweltorganisation wirft ihm nichts weniger als «Heuchelei» vor: Macron zeige Entschlossenheit gegen den russischen Aggressor; gleichzeitig lasse er aber neue Geschäfte mit dem russischen Staatskonzern Rosatom zu.
Der brisante Vorwurf geht auf den letzten Samstag zurück. Ein lokaler Vertreter von Greenpeace France fotografierte im Hafen von Dunkerque (Dünkirchen) die Beladung des russischen Frachters Mikhail Dudin mit zehn Containern. Laut den Warnaufschriften enthalten sie atomares Material.
Die Mikhail Dudin fährt unter der Flagge Panamas, gehört aber dem russischen Konzern Rosatom. Er transportierte bis 2022 Uran aus der französischen Wiederaufbereitungsanlage La Hague nach Petersburg; in der «verbotenen» sibirischen Standort Sewersk wurde der nukleare Brennstoff sodann angereichert.
Uran ist nicht Öl oder Gas
Die Fotos scheinen zu belegen, dass der französisch-russische Transport über die Ostsee wieder aufgenommen wird. Der französische Energiekonzern Electricité de France (EDF) wollte den Umstand nicht bestätigen, bestreitet ihn aber auch nicht. Ausser Frage steht, dass das Präsidialamt im Élysée den Atomtransport abgesegnet hat. Für Macron ist das peinlich, weil der französische Präsident an vorderster diplomatischer Front gegen das Putin-Regime antritt; deshalb macht er sich auch für das Projekt Repower-EU zur Unabhängigkeit Europas von russischem Öl und Gas stark.
Uran ist von diesem Vorhaben der EU auffälligerweise ausgenommen. Zu viele AKW-Betreiber hängen von russischer Atomtechnologie ab, so wie etwa Finnland, Tschechien, Bulgarien, Ungarn, Slowakei – und eben auch Frankreich. Sein AKW-Park aus 56 Reaktoren, der zweitgrösste der Welt nach den USA, sollte für Gründervater Charles de Gaulle die energetische Unabhängigkeit der Nation gewährleisten.
Unter Putin hat der von ihm 2007 gegründete Rosatom-Konzern seine Expertise nach und nach auch den Franzosen zur Verfügung gestellt. Frankreich kann sein in La Hague aufbereitetes Uran in Sewersk – und nur dort – anreichern lassen, um es dann im französischen AKW Cruas (Ardèche) ein zweites Mal zu verwenden.
Laut Greenpeace France warten in Pierrelatte (Rhonetal) derzeit 35'000 Tonnen aufbereitetes Uran auf die Anreicherung durch Tenex, ein Subunternehmen von Rosatom. Die Abhängigkeit Frankreichs von russischer Technologie wird damit langfristig noch grösser als vor dem Krieg, schätzt Jacky Bonnemains vom Pariser Umweltverbund Robin des bois. EDF hatte schon früher verlauten lassen, noch in diesem Jahrzehnt weitere Reaktoren mit dem angereicherten Uran russischer Machart speisen zu wollen.
Warum Frankreich die Urantransporte nach Russland wieder aufnimmt, ist nicht verbrieft, da EDF und das Élysée dazu schweigen. Der Überschuss an wiederaufbereitetem Uran in La Hague ist wohl nur ein Grund. Wichtiger scheint die aktuelle Zunahme der Uranpreise. Sie könnten die ohnehin schon stark gestiegenen Energierechnungen der französischen Haushalte weiter ankurbeln – ein Politikum ersten Grades. Vor den kommenden Lokal- und Präsidentschaftswahlen in Frankreich will Macron höhere Energiepreise um alles vermeiden. Auf die Gefahr hin, die Abhängigkeit von russischen Energielieferungen weiter zu erhöhen.
