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Der reichste Franzose spendet Millionenbetrag – nun wird er kritisiert

Bernard Arnault, Chairman and CEO of LVMH, Moet Hennessy Louis Vuitton, the Paris-based luxury goods empire, poses during the presentation of the 2012 year results, in Paris, Thursday, Jan. 31, 2013 . ...
Bernard Arnault im Jahr 2012.Bild: AP

Warum der zweitreichste Mann der Welt für eine Millionen-Spende in einen Shitstorm gerät

Bernard Arnault, der reichste Franzose, folgte einem Regierungsappell und spendete Millionen für einen guten Zweck. Das hätte er besser unterlassen.
07.09.2023, 15:0707.09.2023, 17:46
Stefan Brändle, Paris / ch media
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Die grassierende Inflation trifft in Frankreich auch wohltätige Organisationen wie das Rote Kreuz, das mit einem Jahresdefizit von 45 Millionen Euro rechnet. Die «Restos du coeur», die Restaurants des Herzens, können in ihren über 2000 Ausgabestellen im Land die hohen Lebensmittelpreise auch nicht mehr berappen: Ihnen fehlen 30 Millionen Euro. Der private, vom legendären Komiker Coluche 1985 gegründete Verein, richtete deshalb einen Spendenaufruf an die Öffentlichkeit.

Den grössten Beitrag spendete nicht ganz unerwartet der mit Abstand reichste Franzose, Bernard Arnault. Der Herr über ein Luxusimperium LVMH mit Marken wie Dior, Louis Vuitton, Bulgari oder Tiffany, zweitreichster Mann der Welt hinter dem US-Unternehmer Elon Musk, liess durch seine beiden Söhne Antoine und Frédéric einen Scheck über 10 Millionen Euro überreichen. Aurore Bergé, Ministerin für Familien und Solidarität, bedankte sich offiziell für die milde Gabe; die Arnaults erklärten, sie unterstützten «einen grossartigen Verein des Allgemeininteresses, der seit bald vierzig Jahren den Schwächsten zu Hilfe» eile.

Arnault selbst, der 2019 bereits 200 Millionen Euro an den Wiederaufbau der Pariser Kathedrale Notre-Dame gespendet hatte, äusserte sich nicht. In den sozialen Medien dominieren andere Kommentare. «Man sollte dieses Geld zurückweisen, denn es wurde den Erwerbstätigen gestohlen», lautete ein Spruch auf X (ehemals Twitter), gefolgt von: «Die Reichen, pure Produkte des Finanzkapitals, sind verantwortlich für das Elend.»

Die Linkspartei der «insoumis» (Unbeugsamen) entrüstete sich besonders laut. «Herr Arnault zahlt von seinem persönlichen Vermögen nur 18 Prozent Steuern in Frankreich, er hat Geld in den Steuerparadiesen», fand der Abgeordnete Alexis Corbière, dessen Parteichef Jean-Luc Mélenchon den LVMH-Chef früher schon als «Parasiten» bezeichnet hatte. Corbière fuhr fort, er sei «dagegen, dass die Mächtigsten eine PR-Operation auf dem Buckel der Armen inszenieren».

Reiche Vampire

Die Grünen-Chefin Marine Tondelier nannte die Superreichen «Vampire» und fügte an, sie sei für «ein Frankreich ohne Milliardäre». Andere Politiker rechneten vor, dass Arnault letztlich nur einen Bruchteil der 10 Millionen wirklich spende, da man in Frankreich zwei Drittel karitativer Spenden von den Steuern abziehen könne. Die Arnaults merkten darauf in einem Communiqué an, dass sie auf alle Steuervorteile verzichtet hätten. Dass LVMH insgesamt fast 200'000 Arbeitsplätze unterhält und dem französischen Fiskus jährlich 4.5 Milliarden Euro an Steuern abliefert, blieb unerwähnt.

In den angestammten Medien gab es vereinzelte positive Stimmen, wie etwa die Editorialistin des Radiosenders RTL, Alba Ventura, die erklärte: «Ich verstehe die Nörgler nicht. Wenn jemand 10 Millionen gibt, sagt man einfach danke.» Die gemässigten Parteien schweigen dagegen. Die Positionen der «Unbeugsamen» sind in Frankreich in solchen Finanzfragen verbreiteter, als man annehmen würde. Auch der frühere sozialdemokratische Präsident François Hollande hatte einmal kategorisch erklärt: «Ich mag die Reichen nicht.»

Ist das Evangelium schuld?

Wie der Soziologe Olivier Galland im konservativen Magazin «Le Point» zur Arnault-Affäre ausführte, geht die verbreitete Kapitalismuskritik im katholischen Frankreich bis auf das Matthäus-Evangelium zurück, wonach ein Christ nicht zugleich dem Herr und dem Mammon (Geld) dienen könne. In der Revolution von 1789 seien dann die reichen Sünder zu regelrechten Feinden der Republik geworden, wie das Chanson von den «Aristokraten an den Laternenpfählen» zeige. Bis heute halte sich der ökonomische Widersinn, dass der Wohlstand der Reichen notgedrungen zum Elend der Armen führe, meinte Galland.

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159 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Paul Badman
07.09.2023 15:20registriert November 2015
Soweit ich das verstehe, wurde der Mann reich mit Luxusmarken. Das heisst, er hat das Geld von (materiell) reichen und nicht von armen Leuten genommen. Also haben ihn reiche Leute reich gemacht und er gibt etwas den Armen. So what?
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FreeLunch
07.09.2023 15:28registriert September 2023
Wenn er von seinem Vermögen pro Jahr 18% Steuern bezahlen würde, dann wäre es bald bedeutend kleiner, gemeint ist wohl 18% Einkommenssteuer. Auch quotes dürfen überprüft werden...
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Wysel Gyr
07.09.2023 15:39registriert Oktober 2021
Dieser Reichtums ist für uns unvorstellbar. Ein Milliardär kann 100 Millionen verlieren und hat immernoch 900 Millionen.
Aktuell tolerieren wir, dass Geld/Vermögen aus dem System genommen wird und an wenige Reiche geht. Damit wird Wohlstand für alle aus dem System genommen. Reiche können nicht ausreichend konsumieren, um genügend Geld wieder in dem Umlauf kommt. Würde sein Einkommen/Vermögen auf mehr Personen verteilt, dann wäre das von gesamtgesellschaftlichem Nutzen. Ein Reicher isst nicht 10 Äpfel. Hätten 10 Leute sein Geld, würden 10 Äpfel verkauft und es ist mehr Geld im System für alle.
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