Henry Ford hatte eine Vision. In den 1920er Jahren kaufte der amerikanische «Autokönig» ein Stück Urwald im brasilianischen Amazonasgebiet, um eine Kautschukplantage zu errichten. «Fordlandia» wurde das Projekt genannt, mit dem er günstige Pneus fabrizieren wollte. Damals wollten die Autobauer möglichst viel selbst herstellen.
Mit der Fliessbandproduktion hatte Henry Ford dieses System perfektioniert. Donald Trump scheint in diesem Denken «stecken geblieben» zu sein. Er träumt von einer Autoherstellung, die bis zur letzten Schraube vollständig in den USA erfolgt. Dabei ignoriert der US-Präsident, wie sehr sich die Wirtschaftswelt in den 100 Jahren seit Fordlandia verändert hat.
Arbeitsteilung und Globalisierung haben gerade die Autoindustrie in einem hohen Mass erfasst. Selbst Tesla, der einzige US-Autobauer, der seine im Inland verkauften Fahrzeuge zu 100 Prozent dort fertigt, bezieht mehr als 20 Prozent der benötigten Komponenten aus dem Nachbarland Mexiko, ein bevorzugtes Ziel von Trumps modernem Handelskrieg.
Am Mittwoch um 22 Uhr MESZ will der Präsident im Rosengarten des Weissen Hauses seine Zollpläne präsentieren. Trump spricht von einem «Tag der Befreiung», denn er will einheimische und ausländische Firmen zwingen, ihre Produkte in den USA herzustellen, und zwar vollständig. Wie genau die Zollpolitik aussehen wird, bleibt bis zuletzt offen.
Im Weissen Haus gibt es laut US-Medien divergierende Meinungen. Das erstaunt nicht, denn seriöse Ökonomen sind entsetzt über Trumps Zollpolitik. Die Börsen haben im ersten Quartal den grössten Verlust seit 2022 verbucht. Donald Trump scheint dies nicht zu kümmern. Er hält an seinen Plänen fest. Besonders fixiert ist er auf Autos.
Deren Abhängigkeit von Lieferketten bezeichnete er am letzten Mittwoch als «lächerlich». In einer gleichzeitig veröffentlichten «Proklamation» prangerte er die Einfuhr von Automobilen und gewissen Bestandteilen als «Gefahr für die nationale Sicherheit» an. Für Experten allerdings sind eher seine Argumentation und seine Vorstellungen lächerlich.
Sie verweisen darauf, dass rund 40 Prozent aller in der US-Autoproduktion verwendeten Bauteile im Ausland hergestellt werden. Deutsche Firmen wie BMW und Mercedes-Benz, die Fabriken in Amerika und Mexiko besitzen, beziehen ganze Motoren und Getriebe aus Europa, schreibt der «Economist». Zölle führen zu Verteuerungen und Disruptionen.
Selbst Tesla mit seiner relativ hohen Unabhängigkeit kann sich dieser Entwicklung nicht entziehen, wie Trump-Intimus Elon Musk auf X betonte: Die Auswirkungen der Zölle auf die Kosten seien «nicht trivial». Ford-CEO Jim Farley warnte Anfang Februar, ein Zoll von 25 Prozent auf Importe aus Kanada und Mexiko werde «ein Loch in die US-Industrie» sprengen.
Selbst Trumps erklärtes Ziel, die Produktion in die USA zu verlagern, ist leichter gesagt als getan. Ein solcher Schritt ist aufwendig und zeitintensiv, und niemand weiss, wie lange die USA an ihrer verschärften Zollpolitik festhalten würden. Deshalb überlegen sich Firmen gut, ob sie sich trotz der «Strafzölle» auf ein solches Wagnis einlassen wollen.
Das betrifft auch die Schweiz. Martin Hirzel, Präsident des Industrieverbands Swissmem, sagte an der Jahresmedienkonferenz im März, hiesige Industriefirmen hätten gar kein Interesse an einer Produktion in den USA. Ein Hauptgrund sei der Mangel an Personal, insbesondere Fachkräften, auch wegen eines fehlenden dualen Bildungssystems.
Dieser Aspekt wird oft übersehen. Unter Vorgänger Joe Biden, den Trump bei jeder Gelegenheit als Versager diffamiert, sank die Arbeitslosigkeit in den USA auf ein Rekordtief. Und Einwanderung ist bei der Trump-Regierung eher nicht erwünscht. Wer in Amerika produzieren will, muss deshalb fast zwangsläufig auf Automatisierung setzen.
Hinzu kommt ein weiterer Aspekt: Die Produktion in den USA ist deutlich teurer als in Mexiko. Das wird sich auf die Preise auswirken. Auch deshalb blicken die US-Hersteller mit Besorgnis auf den «Tag der Befreiung». Er könnte zu einem Tag der Belastung werden. Viele Firmen zögern deshalb mit Investitionen oder bauen Stellen ab, statt welche zu schaffen.
Donald Trump lässt dies offenbar kalt. «Es ist mir völlig egal», sagte er am Sonntag gegenüber NBC zu absehbaren Preiserhöhungen auf Autos. Die Konsumenten in Amerika zeigen, was sie davon halten: Die deutschen Hersteller BMW und VW teilten am Mittwoch mit, sie hätten ihre Verkäufe in den USA im ersten Quartal spürbar steigern können.
Auch das zeigt: Mit den angedrohten Zöllen – sofern sie kommen – wird die Autoindustrie kaum Vollgas geben, sondern eher ins Schleudern geraten. «Die Herstellung von weniger und teureren Autos auf Kosten ärmerer Kunden ist eine seltsame Art der Befreiung», meint der «Economist». Vielmehr würden die Hersteller von grossen Teilen ihres Profits «befreit».
Vielleicht sollte Donald Trump sich das Beispiel von Fordlandia anschauen. Das Projekt war ein Flop. 1945 wurde es eingestellt, weil synthetischer Kautschuk erfunden worden war. Henry Ford II, der Enkel des legendären Firmengründers, verkaufte es schliesslich an Brasilien, für 250’000 Dollar, etwa ein Prozent der gesamten Investitionen.
Das Schlechte an Ford: Er war ein Rassist und ein begeisterter Anhänger der Nazis. Er liess die Gewinne in Deutschland Hitler zukommen.
Trump hat sich da wohl inspirieren lassen, obwohl er sich überhaupt nicht um die Mittelschicht oder das, was davon übrig ist, kümmert.