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Wirtschaft

Warum Trumps Zölle der Autoindustrie schaden

FILE - Workers assemble Ford trucks at the Ford Kentucky Truck Plant, Friday, Oct. 27, 2017, in Louisville, Ky. The United Auto Workers union said Friday, Feb. 16, 2024, members will go on strike Feb. ...
Ford-Fabrik in Kentucky: Ein grosser Teil der Komponenten könnte von Einfuhrzöllen betroffen sein.Bild: keystone
Analyse

Trumps Zölle bringen die Autoindustrie ins Schleudern

Donald Trump will am «Tag der Befreiung» umfassende Zölle verhängen. Besonders fixiert ist er auf den Autobau in den USA, doch dabei ignoriert er die Abhängigkeit von Zulieferern.
02.04.2025, 16:3902.04.2025, 16:40
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Henry Ford hatte eine Vision. In den 1920er Jahren kaufte der amerikanische «Autokönig» ein Stück Urwald im brasilianischen Amazonasgebiet, um eine Kautschukplantage zu errichten. «Fordlandia» wurde das Projekt genannt, mit dem er günstige Pneus fabrizieren wollte. Damals wollten die Autobauer möglichst viel selbst herstellen.

Mit der Fliessbandproduktion hatte Henry Ford dieses System perfektioniert. Donald Trump scheint in diesem Denken «stecken geblieben» zu sein. Er träumt von einer Autoherstellung, die bis zur letzten Schraube vollständig in den USA erfolgt. Dabei ignoriert der US-Präsident, wie sehr sich die Wirtschaftswelt in den 100 Jahren seit Fordlandia verändert hat.

A masked man walks in the Tesla plant parking lot Monday, May 11, 2020, in Fremont, Calif. The parking lot was nearly full at Tesla's California electric car factory Monday, an indication that th ...
Tesla produziert alle in den USA verkauften Autos vor Ort, wie hier in Kalifornien. Doch selbst Elon Musk fürchtet Zölle.Bild: AP

Arbeitsteilung und Globalisierung haben gerade die Autoindustrie in einem hohen Mass erfasst. Selbst Tesla, der einzige US-Autobauer, der seine im Inland verkauften Fahrzeuge zu 100 Prozent dort fertigt, bezieht mehr als 20 Prozent der benötigten Komponenten aus dem Nachbarland Mexiko, ein bevorzugtes Ziel von Trumps modernem Handelskrieg.

«Tag der Befreiung»

Am Mittwoch um 22 Uhr MESZ will der Präsident im Rosengarten des Weissen Hauses seine Zollpläne präsentieren. Trump spricht von einem «Tag der Befreiung», denn er will einheimische und ausländische Firmen zwingen, ihre Produkte in den USA herzustellen, und zwar vollständig. Wie genau die Zollpolitik aussehen wird, bleibt bis zuletzt offen.

Im Weissen Haus gibt es laut US-Medien divergierende Meinungen. Das erstaunt nicht, denn seriöse Ökonomen sind entsetzt über Trumps Zollpolitik. Die Börsen haben im ersten Quartal den grössten Verlust seit 2022 verbucht. Donald Trump scheint dies nicht zu kümmern. Er hält an seinen Plänen fest. Besonders fixiert ist er auf Autos.

«Gefahr für nationale Sicherheit»

Deren Abhängigkeit von Lieferketten bezeichnete er am letzten Mittwoch als «lächerlich». In einer gleichzeitig veröffentlichten «Proklamation» prangerte er die Einfuhr von Automobilen und gewissen Bestandteilen als «Gefahr für die nationale Sicherheit» an. Für Experten allerdings sind eher seine Argumentation und seine Vorstellungen lächerlich.

Sie verweisen darauf, dass rund 40 Prozent aller in der US-Autoproduktion verwendeten Bauteile im Ausland hergestellt werden. Deutsche Firmen wie BMW und Mercedes-Benz, die Fabriken in Amerika und Mexiko besitzen, beziehen ganze Motoren und Getriebe aus Europa, schreibt der «Economist». Zölle führen zu Verteuerungen und Disruptionen.

Firmen zögern mit Investitionen

Selbst Tesla mit seiner relativ hohen Unabhängigkeit kann sich dieser Entwicklung nicht entziehen, wie Trump-Intimus Elon Musk auf X betonte: Die Auswirkungen der Zölle auf die Kosten seien «nicht trivial». Ford-CEO Jim Farley warnte Anfang Februar, ein Zoll von 25 Prozent auf Importe aus Kanada und Mexiko werde «ein Loch in die US-Industrie» sprengen.

Selbst Trumps erklärtes Ziel, die Produktion in die USA zu verlagern, ist leichter gesagt als getan. Ein solcher Schritt ist aufwendig und zeitintensiv, und niemand weiss, wie lange die USA an ihrer verschärften Zollpolitik festhalten würden. Deshalb überlegen sich Firmen gut, ob sie sich trotz der «Strafzölle» auf ein solches Wagnis einlassen wollen.

Fehlende Fachkräfte

Das betrifft auch die Schweiz. Martin Hirzel, Präsident des Industrieverbands Swissmem, sagte an der Jahresmedienkonferenz im März, hiesige Industriefirmen hätten gar kein Interesse an einer Produktion in den USA. Ein Hauptgrund sei der Mangel an Personal, insbesondere Fachkräften, auch wegen eines fehlenden dualen Bildungssystems.

epa11396520 A clothing retailer advertises for new employees in Atlanta, Georgia, USA, 07 June 2024. The US economy added about 272,000 jobs in May 2024 according to the US Bureau of Labor Statistics. ...
Schilder wie diese findet man viele in den USA, denn es mangelt an Arbeitskräften.Bild: keystone

Dieser Aspekt wird oft übersehen. Unter Vorgänger Joe Biden, den Trump bei jeder Gelegenheit als Versager diffamiert, sank die Arbeitslosigkeit in den USA auf ein Rekordtief. Und Einwanderung ist bei der Trump-Regierung eher nicht erwünscht. Wer in Amerika produzieren will, muss deshalb fast zwangsläufig auf Automatisierung setzen.

USA teurer als Mexiko

Hinzu kommt ein weiterer Aspekt: Die Produktion in den USA ist deutlich teurer als in Mexiko. Das wird sich auf die Preise auswirken. Auch deshalb blicken die US-Hersteller mit Besorgnis auf den «Tag der Befreiung». Er könnte zu einem Tag der Belastung werden. Viele Firmen zögern deshalb mit Investitionen oder bauen Stellen ab, statt welche zu schaffen.

Donald Trump lässt dies offenbar kalt. «Es ist mir völlig egal», sagte er am Sonntag gegenüber NBC zu absehbaren Preiserhöhungen auf Autos. Die Konsumenten in Amerika zeigen, was sie davon halten: Die deutschen Hersteller BMW und VW teilten am Mittwoch mit, sie hätten ihre Verkäufe in den USA im ersten Quartal spürbar steigern können.

Auch das zeigt: Mit den angedrohten Zöllen – sofern sie kommen – wird die Autoindustrie kaum Vollgas geben, sondern eher ins Schleudern geraten. «Die Herstellung von weniger und teureren Autos auf Kosten ärmerer Kunden ist eine seltsame Art der Befreiung», meint der «Economist». Vielmehr würden die Hersteller von grossen Teilen ihres Profits «befreit».

Vielleicht sollte Donald Trump sich das Beispiel von Fordlandia anschauen. Das Projekt war ein Flop. 1945 wurde es eingestellt, weil synthetischer Kautschuk erfunden worden war. Henry Ford II, der Enkel des legendären Firmengründers, verkaufte es schliesslich an Brasilien, für 250’000 Dollar, etwa ein Prozent der gesamten Investitionen.

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Trump kauft einen Tesla und posiert damit vor dem Weissen Haus
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99 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Walter Sahli
02.04.2025 16:52registriert März 2014
Haben eigentlich all diese Industriellen, die jetzt vor Trumps Zollpolitik warnen, Harris im Wahlkampf unterstützt oder wie war das noch mal?
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mrmikech
02.04.2025 17:02registriert Juni 2016
Das Gute an Ford: Er wusste, dass er niemals viele Autos verkaufen würde, wenn sich die Mittelklasse diese nicht leisten könnte. Deshalb bezahlte er seine Arbeiter so gut, dass sie sich seine Autos selbst kaufen konnten.

Das Schlechte an Ford: Er war ein Rassist und ein begeisterter Anhänger der Nazis. Er liess die Gewinne in Deutschland Hitler zukommen.

Trump hat sich da wohl inspirieren lassen, obwohl er sich überhaupt nicht um die Mittelschicht oder das, was davon übrig ist, kümmert.
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King33
02.04.2025 17:00registriert April 2017
Der "Tariff Man" verkennt, dass man die letzten 80 Jahre nicht rückgängig machen kann. Ganz einfach deshalb, weil dies andere Länder nicht tun werden.
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99
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