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Warum Elon Musk für Donald Trump nützlich ist

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Bild: keystone / watson
Analyse

Warum Elon Musk der nützliche Idiot von Donald Trump (und den Rechtsradikalen) ist

X (ehemals Twitter) ist zum wichtigsten Propagandakanal der Rechtsradikalen geworden.
18.03.2024, 13:4218.03.2024, 14:03
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Am vergangenen Samstag hat die Aargauer Polizei Martin Sellner vorübergehend in Haft genommen. Der Rechtsextremist aus Österreich weilte in der Schweiz, um sein neues Buch über die Remigration vorzustellen. Mit dieser These hat er kürzlich in Deutschland mit einem Geheimtreffen in der Nähe von Berlin wochenlang für Schlagzeilen gesorgt.

Sellners Auftritt in der Schweiz wäre wohl kaum zur Kenntnis genommen worden – gerade mal 100 Gesinnungsgenossen trudelten für seinen Auftritt in Tegerfelden ein –, hätte sich nicht ein weit potenterer Rechter zu Wort gemeldet. «Ist das legal?», fragte Elon Musk auf seiner Plattform X.

Rechtsextrimist Martin Sellner wird von der Kantonspolizei Aargau abgeführt

https://twitter.com/AFpost/status/1769095299551625279/photo/1
Der Rechtsextremist Martin Sellner wird von der Polizei abgeführt.Bild: x

Der rhetorisch gemeinten Frage fügte Musk den Nachsatz an:

«In Europa werden die Dinge immer mehr unvorhersehbar. Es wird immer riskanter, illegale Einwanderung herauszufordern, als illegal einzuwandern.»

Musk beglückt seine 174 Millionen Follower mittlerweile fast täglich mit seinen Posts. In der Regel haben sie einen heftigen Einschlag nach rechts. Manchmal überschreitet er dabei gar rote Linien. So musste er vor ein paar Monaten einen Canossa-Gang nicht nach Italien, sondern nach Jerusalem antreten, weil er einen offen antisemitischen Post zustimmend repostet hatte.

Überrascht hat das mittlerweile niemanden mehr. Musk, der sich ursprünglich als Libertärer bekannt und Sympathien für die Demokraten geäussert hat, hat mittlerweile mit fliegenden Fahnen ins ganz rechte Lager gewechselt.

Dabei hat Musk Twitter einst mit dem Versprechen erworben, die Plattform zu einer Agora nach dem Vorbild der alten Griechen umzugestalten, zu einem Forum, in dem alle Meinungen unzensiert und frei geäussert werden können. Dass Trump von Twitter verbannt und rechtsextreme Posts zensiert wurden, war für den zeitweise reichsten Mann der Welt ein Stein des Anstosses, den er – kaum hatte er die Plattform käuflich erworben – sogleich aus dem Weg räumte. Trump darf nun wieder auf X posten, tut es aber zumindest vorläufig nicht. Der Ex-Präsident will seine eigene marode Plattform Truth Social nicht konkurrenzieren.

epa11138510 US journalist Tucker Carlson listens to Russian President Vladimir Putin during an interview at the Kremlin in Moscow, Russia, 09 February 2024. EPA/GAVRIIL GRIGOROV/SPUTNIK/KREMLIN POOL M ...
Darf jetzt bei X ran: Tucker Carlson.Bild: keystone

Die Rehabilitierung von Trump war erst der Anfang von Musks Feldzug gegen das «woke» Twitter. Als Fox News Tucker Carlson feuerte, fand er umgehend bei X eine neue Heimat und darf dort in gewohnter Manier sein Unwesen treiben. Tulsie Gabbard, vor vier Jahren noch – allerdings aussichtslos – Präsidentschaftskandidatin der Demokraten, erhält demnächst ebenfalls einen eigenen Auftritt bei X. Die ehemalige Abgeordnete aus Hawaii ist mittlerweile zu einer festen Grösse im konservativen Lager geworden.

Um den Schein einer überparteilichen Plattform zu wahren und die zunehmend verunsicherten Werbekunden bei der Stange zu halten, versuchte Musk zwar, auch Stars aus dem linksliberalen Lager auf X zu locken. So soll er Rachel Maddow, der Starmoderatorin von MSNBC, ein lukratives Angebot gemacht machen. Ohne Erfolg. Angebissen hat Don Lemon. Der ehemalige CNN-Star ist von seinem Arbeitgeber wegen sexistischer Äusserungen an die Adresse von Nikki Haley gefeuert worden.

Die Partnerschaft mit X ist bereits wieder geplatzt. Lemon hat zwar mit Musk ein rund 90 Minuten dauerndes Interview geführt. Ausgestrahlt wird es jedoch nicht, denn Lemon hatte sich erfrecht, Musk ein paar unangenehme Fragen über seinen Drogenmissbrauch – der Tesla-Eigentümer soll ein Fan von Ketamin sein – zu stellen. Musk reagierte darauf in seiner bekannt charmanten Art: «Der Vertrag ist per sofort aufgelöst», liess er Lemon mitteilen.

Der ehemalige CNN-Star erinnerte daran, dass Musk sich selbst als «Absolutist der freien Meinungsäusserung» bezeichnet hatte, und gab postwendend zurück: «Aber anscheinend gilt der Absolutismus der freien Meinungsäusserung nicht, wenn es um Fragen über ihn von Leuten wie mir geht.»

epa11125158 US journalist Don Lemon arrives at the Pre-Grammy Gala at The Beverly Hilton in Beverly Hills, California, USA, 03 February 2024. The 66th Annual Grammy Awards honoring the best recordings ...
Darf bei X nicht mehr ran: Don Lemon.Bild: keystone

Wäre das alles bloss ein Hickhack zwischen einem Milliardär und einem eitlen TV-Moderator, wäre das nicht weiter erwähnenswert. Doch es geht um weit mehr. X hat sich mittlerweile zum wichtigsten Propagandamedium der Rechtsextremen gemausert. Anders als etwa bei Tesla oder SpaceX ist dies nicht das Resultat des unternehmerischen Genies von Musk – im Gegenteil, X schreibt nach wie vor tiefrote Zahlen –, sondern die Folge der Schwäche der anderen konservativen Medien.

Die jüngsten Daten von Comscore, einem Institut, das die Mediendaten erfasst, zeigen, dass die rechten Medien massiv an Lesern, Usern und Zuschauern verloren haben. Hier ein paar Beispiele: Die «Washington Times», ein rechtes Sprachrohr und nicht zu verwechseln mit der «Washington Post», hat seit 2020 82 Prozent ihrer Leser verloren; das einst hochgejubelte und von Steve Bannon geleitete Newsportal Breitbart gar 87 Prozent seiner User. Selbst Fox News muss einen Einbruch von 24 Prozent seiner Zuschauer verkraften.

Diese Entwicklung hat weitreichende Auswirkungen. So stellt David French, ein konservativer Kolumnist, in der «New York Times» fest: «Diese Transformation hat den Effekt, dass sich die Rechte noch mehr radikalisiert.» Der Profiteur ist dabei X, dessen Charakter von Musk vollständig verändert wurde. Nochmals French: «In der Zeit vor Musk war Twitter ein Zentrum für linksliberale journalistische Ansichten und ein Universum für Aktivisten. Diese beiden Gruppen haben die Plattform verlassen. Dafür ist X die wichtigste Bühne der Rechten geworden.»

All dies wird verstärkt durch die Tatsache, dass es Trump und seinen Mitstreitern gelungen ist, die Bemühungen zu untergraben, welche zum Ziel haben zu verhindern, Lügen in den sozialen Medien zu verbreiten. Nach dem 6. Januar 2021 stellten Twitter, Facebook & Co. teils in Zusammenarbeit mit der Regierung Regeln auf, welche offensichtliche Fake News entweder als solche kennzeichnen oder ganz unterdrücken mussten.

Wie die «New York Times» in einer längeren Recherche aufzeigt, werden diese Regeln auf Druck des Trump-Lagers nun wieder sukzessive aufgeweicht.

Die Folgen der umgepflügten amerikanischen Medienlandschaft sind fatal. «Wenn es darum geht, die Entwicklung im rechten Lager abzuschätzen, fällt es schwer, sich ein schlimmeres Paar als Donald Trump und Elon Musk vorzustellen», stellt David French fest. «Aber da sind wir angelangt. Trump kontrolliert, wer von den Rechten Zugang zur Macht erhält, und Musk kontrolliert, wer Zugang zur Öffentlichkeit hat. (…) Wie Trumps unberechenbare und hässliche Politik trägt die Website von Musk massgebend zur Entwertung des Denkens bei den Rechten bei. Ideen befinden sich auf dem Rückzug. Nur noch die Haltung zählt.»

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78 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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das hani ghört
18.03.2024 14:56registriert Oktober 2019
Elon Musk, einst als Titan des Fortschritts gefeiert, ist nun zum Schosshund der Rechtsradikalen verkommen.

Seine X-Plattform dient als Müllhalde für Hass und Verschwörungen, während er selbst die letzten Fetzen von Anstand über Bord wirft.

Musk und Trump, das unheilige Bündnis des Niedergangs, schaufeln gemeinsam das Grab für rationale Diskussionen und Wahrheit.

Wie tief kann ein Egomane sinken, um seine egoistischen Ambitionen zu befriedigen?
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Skunk42
18.03.2024 15:01registriert Februar 2022
Nützliche Idioten sind meines Erachtens die Skinheads, Identitären oder Reichsbürger. Also Leute fürs "Grobe" die sich zwar blosstellen aber die Arbeit erledigen, die man als gesetztestreuer Bürger nicht machen kann ohne die Karriere zu versauen.
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Snowy
18.03.2024 14:29registriert April 2016
Teile die extremen Standpunkte von Martin Sellner nicht.
Aber darum darf es hier gar nicht gehen.

Bin ganz klar der Meinung, dass wenn seine Posts nicht gegen Gesetze verstossen, diese auch nicht zensiert werden sollten, denn sonst steht die Türe für Gesinnungszensur weit offen.
Unsere Gesellschaft muss alle Meinungen (weit links und weit rechts) aushalten können, solange sie nicht gegen Gesetze verstossen.
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