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Trumps Zölle: Forscher nimmt Formel auseinander

epa12006255 Howard Lutnick, US commerce secretary, holds a board during a tariff announcement in the Rose Garden of the White House in Washington, DC, USA, 02 April 2025. Trump plans to roll out tarif ...
US-Handelssekretär Howard Lutnick hält die berüchtigte Zoll-Tafel in die Kamera, nachdem Trump historische Strafzölle verkündet hat, 2. April 2025.Bild: keystone

Zölle wurden mit seiner Studie berechnet – nun nimmt der Forscher die Rechnung auseinander

Die Trump-Administration nannte eine wissenschaftliche Studie, um ihre Zölle zu erklären. Jetzt sagt ein Autor der Studie: Die Zahlen sind falsch.
08.04.2025, 18:1308.04.2025, 18:13
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Stell dir vor, du schreibst einen wissenschaftlichen Artikel und die Regierung zitiert dich, aber falsch. Das ist dem US-amerikanischen Forscher Brent Neiman passiert. Und zwar bei Donald Trumps aufsehenerregendem Zollentscheid von vergangener Woche.

In einem Gastbeitrag in der New York Times hat sich der Ökonom nun zu Wort gemeldet. Und sich deutlich vom Vorgehen der Trump-Administration distanziert.

«Als das Weisse Haus sein Zollpaket vorstellte, fragte ich mich: Wie um alles in der Welt hat es diese hohen Sätze berechnet?»
Brent Neiman in der «New York Times»

Tags darauf musste er feststellen, dass eine wissenschaftliche Publikation, an der er selbst mitgearbeitet hatte, als Grundlage für die Berechnung gedient hatte. Die US-Regierung gab da die Methodologie für die Zollrechnung bekannt. Und verwies dabei auf einen Aufsatz von Alberto Cavallo, Gita Gopinath, Jenny Tang und Brent Neiman.

Neiman stellte in der «New York Times» klar, dass er grundsätzlich nicht mit der Handelspolitik der Trump-Administration einverstanden sei. Der renommierte Ökonom war während der Biden-Administration als Berater im Finanzministerium und als stellvertretender Sekretär für internationale Finanzen tätig.

Brent Neiman
Brent Neiman ist Professor für Wirtschaftswissenschaften in Chicago. Bild: John Zich

Im Artikel geht es ihm aber um eine fachliche Kritik. Sein Argument: Selbst, wenn man der Begründung des Weissen Hauses folgen würde, läge es damit falsch.

«Sie haben sich geirrt. Sehr sogar.»

Wären die Zölle tatsächlich aufgrund der Erkenntnisse der vier Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler berechnet worden, hätten sie nur etwa ein Viertel der jetzigen Prozentsätze betragen, schreibt Neiman.

Um sein Argument starkzumachen, nimmt der Wirtschaftswissenschaftler die Zoll-Massnahme Punkt für Punkt auseinander.

Die Grundvoraussetzungen

Der grösste Fehler bestehe in der Annahme, dass das Zollpaket Handelsdefizite mit jedem Land, mit dem die USA Handel betreiben, ausgleichen würde.

Zunächst einmal könnten Handelsdefizite aus unterschiedlichen Gründen entstehen und würden nicht unbedingt auf einen unfairen Wettbewerb hindeuten.

«Amerikanerinnen und Amerikaner geben mehr aus für Kleidung aus Sri Lanka als Menschen aus Sri Lanka für amerikanische Pharmazeutika. Na und?»

Selbst wenn Trump die Handelsdefizite ganz aus der Welt schaffen wollte, wären die Zölle nicht das richtige Mittel dafür, schreibt Neiman weiter.

Denn: Die angewendete Zollformel ignoriere die Auswirkungen der Zölle auf die Exporte. Auch seien Nebenfolgen wie mögliche Vergeltungsmassnahmen anderer Länder nicht eingerechnet, die sich wiederum negativ auf die US-Exporte auswirken.

Woher kommen die Zahlen?

Damit ist Neiman aber noch nicht fertig. Er denkt weiter: Was wäre, wenn man davon absehen würde, dass die Zollformel mangelhaft und Handelsdefizite gar nicht so schlimm sind? Wären die Zölle mit der aktuellen Formel korrekt berechnet?

Neimans Antwort lautet wieder: Nein. Er schreibt, dass sich die Regierung bei diesem Teil der Berechnung zwar auf ihre Studie bezogen habe, aber andere Zahlen als die Forschergruppe verwendet habe.

Der Hintergrund: Die Studie, an der Neiman mitgewirkt hatte, untersuchte die Auswirkungen, die Zölle auf chinesische Exporte auf die Importpreise in den USA haben. Sie kommt zum Schluss, dass die Preise für US-Importe mit den Zöllen fast so stark ansteigen würden wie der Zollsatz.

Dafür berechnete das Forscherteam eine sogenannte «Weitergabequote» («pass-through rate»), die bei 95 Prozent liegt. Das heisst: Zölle würden fast vollständig an die US-Importeure übertragen werden.

Die Trump-Administration habe bei ihrer Formel nun aber einen anderen Wert verwendet: statt 95 Prozent nur 25 Prozent. Sie habe ausserdem nicht transparent gemacht, woher sie diese Zahl hat.

«Woher kommen diese 25 Prozent? Hat das etwas mit unserer Studie zu tun? Ich weiss es nicht.»

Neiman kommt im Artikel darum zum Schluss: Hätte das Amt des Handelsbeauftragten die Zahl aus der Studie von Neiman und seinen Kolleginnen und Kollegen verwendet, hätten die Zölle nur etwa ein Viertel der jetzigen Ansätze betragen.

Neiman plädiert dafür, die Zölle ganz abzuschaffen oder zumindest durch vier zu teilen.

Auf der Webseite des Amts des Handelsbeauftragten der Vereinigten Staaten, wo die Methodologie der Zölle beschrieben wird, ist das Paper mittlerweile übrigens nicht mehr aufgeführt.

(hah)

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74 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Tejas_
08.04.2025 18:43registriert Juli 2022
Brent Neimans Einwand, dass die Zahlen falsch sind, sind alternative Fakten. Die Berechnungen stimmen, es sind die besten Berechnungen die je gemacht wurden. Es sind wundervolle Berechnungen, dies hat ein Mathematik Professor bestätigt. Bessere Berechnungen für Zölle können nicht gemacht werden! 🤡
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TanookiStormtrooper
08.04.2025 18:34registriert August 2015
Studie?
Ich bin ziemlich sicher, dass die Zölle von einer KI berechnet und dann ungefiltert auf Pappe gedruckt wurden. Kein normaler Mensch hätte Zölle auf eine Insel erhoben, auf der nur Pinguine leben. Das Trump Kabinett besteht aus geistigen Tieffliegern, die gerade einmal ein paar Promps bei Musks Grok eingeben können.
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papperlapapp
08.04.2025 18:32registriert Februar 2019
Man könnte auch sagen: wer lesen und zählen kann ist im Vorteil. Aber das es ja gar nicht um eine seriöse Berechnung geht sondern vorallem um Drohungen, zeigen ja die absurden Reaktionen wie einfach 50% mehr von dem was an Gegenzöllen reinkommt. Schlimmer als jeder Streit unter Kindergärtler. Allerdings so dumm schätze ich Trumpel und seine üble Entourge nicht ein. Sondern da gibt es Handfeste Pläne dahinter. Wäre noch spannend wenn die Börsenaufsichten die Derivatkäufe auf fallende Kurse anschaut.. Wäre überrascht wenn man keine Insiderdeals mit Verbindungen zu Trump finden würde.. 🐽🐽
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