Du hast dich bestimmt auch schon einmal gefragt, was mit deinen Kleidern passiert, die du entsorgt hast?
Die schöne Vorstellung: Dein Sportshirt ist im Schrank eines Nachwuchs-Ronaldinho gelandet. Die weniger schöne Vorstellung: Das T-Shirt liegt auf einer Müllhalde mitten in der Wüste – möglicherweise für hunderte von Jahren.
Das Problem bei vielen Kleidungsstücken: Sie bestehen aus synthetischen Materialien, die nicht biologisch abbaubar sind, etwa Polyester. Im Schnitt dauert es 500 Jahre, bis sie verrotten. Egal, aus welchen Stoffen die Altkleidungsstücke bestehen: In der Schweiz wird der grösste Teil der noch brauchbaren Klamotten ins Ausland verkauft – hauptsächlich nach Osteuropa, Russland, Afrika und in den Nahen Osten.
Verkauft? Die Schweiz wirtschaftet mit der Weitergabe von Altkleidern ins Ausland? Nun: Dem Bundesamt für Umwelt (BAFU) zufolge dient der Verkaufserlös in erster Linie dazu, die Sammel- und Sotierkosten zu decken. Überschüsse würden gemeinnützigen Zwecken zugutekommen.
Um einen halbwegs fairen Tausch handelt es sich einer Greenpeace-Recherche zufolge aber dennoch nicht. «Durch den Export von Altkleidern hat der Globale Norden ein Hintertürchen gefunden, um seine nicht recyclefähigen Textilabfälle loszuwerden, und zwingt die Länder des Globalen Südens, sich mit diesen Abfallbergen auseinanderzusetzen», sagt Michelle Sandmeier von Greenpeace Schweiz gegenüber SRF.
Einer dieser gigantischen Altkleider-Abfallberge liegt in der südamerikanischen Atacama-Wüste, die vom Pazifischen Ozean bis zu den Anden reicht. Chile ist weltweit einer der grössten Importeure von unverkäuflicher und gebrauchter Kleidung. Alleine im letzten Jahr importierte das Land chilenischen Zollstatistiken zufolge 44 Millionen Tonnen Altkleider aus Europa, Asien, Nord-, Mittel- und Südamerika.
Doch zu welchem Zweck führt der beinahe 20-Millionen-Staat so viele Klamotten ein, die im Globalen Norden niemand mehr tragen will?
Drehscheibe für den Import ist die nahe gelegene Hafenstadt Iquique. Wöchentlich werden hier Tonnen von Textilien in Altkleidercontainern eingeführt – zollfrei. Denn: Die Ortschaft ist eine von mehreren Freizonen Chiles. Heisst: Der internationale Warenaustausch wird durch keine Zollformalitäten wie Gebühren oder Steuern behindert, was Wirtschaft und Handel ankurbelt.
Seit der Einführung des Hafens im Jahr 1975 hat sich das Leben der lokalen Bevölkerung verbessert. «Für die Bewohner war die Einführung des zollfreien Hafens eine Revolution. Plötzlich konnten sie sich Dinge leisten, von denen sie zuvor nicht einmal zu träumen wagten – zum Beispiel ein eigenes Auto», sagt der Soziologe Bernardo Guerrero gegenüber «National Geographic».
Anreize schaffen unter anderem die vielen importierten Kleider. Berichten zufolge handelt es sich grösstenteils um ungetragene Kleidungsstücke – von allen möglichen Fast-Fashion-Modebrands wie Zara, H&M und Co. Von der lokalen Bevölkerung werden die meist billig produzierten Kleider aussortiert, gewaschen und auf den Märkten weiterverkauft. Was nicht mehr vertrieben werden konnte, landet oftmals in der Atacama-Wüste.
Illegal werden in der Wüste Schätzungen zufolge jährlich rund 40'000 Tonnen Kleider entsorgt. Altkleider und Schuhe türmen sich in der sonst für ihre weitläufigen Salzebenen bekannten Landschaft zu einem gigantischen Müllberg.
«Wir sind nicht mehr nur der lokale Hinterhof, sondern vielmehr der Hinterhof der Welt, was noch schlimmer ist», sagte Patricio Ferreira, Bürgermeister der Wüstenstadt Alto Hospicio, gegenüber AFP. Dass es sich hierbei um keine Übertreibung handelt, zeigen neue Satellitenbilder: Der Schandfleck ist mittlerweile bereits vom All aus sichtbar.
By purchasing a $44 Existing Image at 50 cm resolution, we can confirm the giant clothes pile in the desert of Chile exists and is growing. https://t.co/47SssKPdtI pic.twitter.com/RlfUSBWbu9
— SkyFi (@SkyfiApp) May 10, 2023
Die Verschmutzung tut nicht nur dem Auge weh, sondern ist auch eine Bedrohung für Mensch und Umwelt. Angespornt durch den unstillbaren Hunger auf Fast-Fashion ist die Menge an Abfall schon so gross, dass die Vereinten Nationen von einem «Notfall für Umwelt und Gesellschaft» sprechen.
Denn: Oftmals werden Teile der Mülldeponien angezündet, um sie zu minimieren. Mit verheerenden Folgen: Die Materialien sind leicht entflammbar und verschmutzen die Luft. Dies betrifft vor allem die Menschen, die in den besiedelten Wüstengebieten leben. Zudem ist das Ökosystem der Wüste fragil. Einige Kaktusarten gelten aufgrund des Klimawandels bereits als ausgestorben.
Die Regierung sieht keinen Handlungsbedarf und kümmert sich um andere Probleme, wie Korruption, Gewalt und illegale Immigration. Bürgermeister Ferreira versucht, gegen die Mülldeponie vorzugehen. Doch er steht dem Abfallproblem machtlos gegenüber: «Das sind skrupellose Menschen aus aller Welt, die hierherkommen, um ihren Müll zu entsorgen. Wir haben einmal damit begonnen, auszuräumen, aber dann hinterlassen sie ihren Dreck eben einfach ein Stück weiter.»
Schlecht für Umwelt + moderne Sklaverei....sehr wenige profitieten.
Verbieten oder sehr strenge vorgaben...wobei verbieten einfacher umzusetzten wäre.