Seit Ende Januar breitet sich das Coronavirus auch in Europa aus. In der Schweiz hat der Bundesrat darauf reagiert, indem er Grossanlässe mit über 1000 Personen verboten hat; vorerst bis zum 15. März. Für Veranstaltungen unter 1000 Besuchenden gelten in den Kantonen unterschiedliche Vorschriften. Auch die Behörden unserer Nachbarstaaten haben zum Teil drastische Massnahmen ergriffen.
Mit aktuell knapp 1700 bestätigten Fällen ist unser südlicher Nachbar neben China und Südkorea das am stärksten von der Epidemie betroffene Land. Entsprechend drastische Massnahmen hat die italienische Regierung angeordnet, um die Verbreitung des Virus einzudämmen: Sie hat elf Orte im Norden des Landes unter Quarantäne gestellt. Bei den abgeriegelten Gebieten handelt es sich um zehn Gemeinden in der Lombardei – darunter Bertonico, Casalpusterlengo, Castiglione d'Adda und Codogno – sowie Vo' im Veneto. Die rund 50'000 Einwohner dieser sogenannten «roten Zone» dürfen ihre Ortschaften bereits seit einer Woche nicht mehr verlassen; zugleich dürfen sie nicht ohne Genehmigung von aussen betreten werden. Um diese Regelung durchzusetzen, kontrollieren Sicherheitskräfte die Strassen. Am Sonntag hat Rom diese Massnahme wie erwartet verlängert.
Daneben erliess die Regierung Vorsichtsmassnahmen für ein grösseres Gebiet, die vorerst zum Teil bis zum 8. März, zum Teil bis zum 15. März in Kraft bleiben sollen. Sie betreffen fast 30 Millionen Menschen – etwa die Hälfte der Bevölkerung. Im gesamten Norden Italiens wurden die Schulen und Universitäten für eine Woche geschlossen. In den einigen Regionen soll der Schulbetrieb ab Montag wieder aufgenommen werden, nicht aber in den drei am härtesten getroffenen Regionen – in der Lombardei, der Emilia-Romagna und im Veneto sollen Schüler noch eine weitere Woche zuhause bleiben. Ferner wurden Sportanlässe und der Karneval in Venedig gestrichen. Behörden, einige Firmen und Gastronomiebetriebe schickten Mitarbeiter in den Zwangsurlaub. Schul- und Bildungsreisen fallen aus – dies sogar in ganz Italien.
Im Süden des Landes fürchtet man die Ausbreitung des Virus aus dem Norden. Die Region Basilicata will deshalb alle Studenten aus dem Norden, die in der Region studieren, unter Quarantäne stellen. Die Insel Ischia verbot die Einreise von Touristen aus der Lombardei und Venetien. Da diese am meisten vom Virus betroffenen nördlichen Regionen zu den ökonomischen Zugpferden des Landes gehören, leidet auch die von Exporten und dem Tourismus abhängige italienische Wirtschaft unter den Massnahmen. Rom plant daher ein Hilfspaket für die Wirtschaft in Höhe von 3,6 Milliarden Euro. Es soll diese Woche im Kabinett beschlossen werden.
Nach Italien verzeichnet Deutschland derzeit mit rund 150 Fällen am meisten bestätigte Infektionen in Europa. Nach dem ersten bestätigten Fall am 28. Januar wurde am 31. Januar die Meldepflicht gemäss Infektionsschutzgesetz beschlossen. Am 27. Februar richteten Gesundheitsminister Jens Spahn und Innenminister Horst Seehofer einen Corona-Krisenstab ein. Dieser hat beschlossen, die bereits für Flug- und Schiffsreisende aus China geltende Regelung, wonach Reiseunternehmen den Gesundheitsstatus von Passagieren vor der Einreise den deutschen Behörden zu melden haben, auf vier weitere Staaten auszudehnen – namentlich den Iran, Italien, Japan und Südkorea.
Heute habe ich die Anordnung unterschrieben, dass (neben China) auch für Flüge aus Iran, Italien, Japan und Südkorea von den Passagieren ein Formblatt mit persönlichen Angaben und Kontaktdaten für die nächsten 30 Tage auszufüllen ist. Sie ist nun in Kraft.
— Jens Spahn (@jensspahn) February 29, 2020
Sämtliche Personen, die über eine Landesgrenze nach Deutschland einreisen, sollen zudem Informationen zur Krankheitsvorbeugung erhalten. Dies gilt auch für Zug- und Buspassagiere. Die Bundespolizei ist angewiesen, ihre Kontrollen im 30-Kilometer-Grenzraum zu verstärken. In allen Zügen im Regional- und Grenzverkehr gilt überdies eine neue Präventivmassnahme: Tritt ein Covid-19-Verdachtsfall in einem Zug auf, müssen die Passagiere Aussteigekarten ausfüllen, die es ermöglichen sollen, sie später schneller zu kontaktieren. Darüber hinaus sind die Bahnunternehmen verpflichtet, Passagiere zu melden, die Symptome einer Covid-19-Erkrankung aufweisen. In Nordrhein-Westfalen trat dieser Fall am Samstag ein, als sich ein Mann mit einer Erkältung beim Zugführer meldete. Der Zug wurde evakuiert und konnte erst nach anderthalb Stunden seine Fahrt fortsetzen.
Für Grossanlässe hat der Krisenstab keine Regelung herausgegeben, sondern verweist die zuständigen örtlichen Behörden sowie die Veranstalter auf die Richtlinien des Robert-Koch-Instituts. Die Verantwortlichen sollen die Risiken genau abwägen und die Veranstaltungen entsprechend zulassen, verschieben oder absagen. Falls ein Grossanlass durchgeführt wird, gilt es, das Übertragungsrisiko durch gezielte Massnahmen zu verringern.
Frankreich war als erstes europäisches Land vom Corona-Virus betroffen und verzeichnete auch den ersten Todesfall ausserhalb Chinas. Aktuell sind 130 Infektionsfälle bestätigt. Besonders betroffen sind derzeit fünf Gemeinden des nördlich von Paris gelegenen Departements Oise, die Gemeinde La Balme-de-Sillingy im Département Haute-Savoie in der Nähe der Stadt Annecy und drei Gemeinden im bretonischen Department Morbihan. Die Behörden haben in diesen Gebieten sämtliche Zusammenkünfte bis auf Weiteres verboten und die Einwohner dazu aufgerufen, zu Hause zu bleiben. Sie sollen nach Möglichkeit von zu Hause aus arbeiten und das Haus nur für die wichtigsten Besorgungen verlassen. Schulen und Krippen in den betroffenen Gemeinden der Departements Oise und Morbihan sollen bis am 14. März geschlossen bleiben.
Das von Olivier Véran geführte Gesundheitsministerium hat zudem am Samstag in ganz Frankreich alle Grossanlässe mit mehr als 5000 Einwohnern in geschlossenen Räumen untersagt. Die Buchmesse in Paris, die vom 20. bis 23. März hätte stattfinden sollen und zu der 160'000 Besucher erwartet wurden, wurde abgesagt. Auch der für Sonntag geplante Pariser Halbmarathon wurde gestrichen. Auf Anfang Juni verschoben wurde zudem die für den 10. bis 13. März geplante Immobilienmesse Mipim in Cannes. Der Karneval in Annecy wird ebenfalls nicht stattfinden. Der Louvre in Paris, ein Touristenmagnet erster Ordnung, blieb am Montag wegen Befürchtungen des Personals geschlossen. Es ist noch unklar, wann das Museum wieder öffnet.
Das österreichische Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (BMSGPK) hat aktuell lediglich 14 bestätigte Fälle erfasst; das sind etwas mehr als die Hälfte der bestätigten Infektionen in der Schweiz. Die Alpenrepublik hat denn auch im Umgang mit der Epidemie vergleichsweise milde Massnahmen ergriffen. Das Gesundheitsministerium hat eine «Task Force Corona» eingerichtet und eine bereits seit einem Jahr bestehende Telefon-Hotline aufgerüstet. Die Einwohner sind aufgefordert, bei Symptomen oder vermuteter Erkrankung zu Hause zu bleiben und die Hotline 1450 anzurufen. Darauf sollen weitere Schritte wie ein Hausbesuch oder ein Test folgen.
Sollte sich die Situation verschärfen, könnten auch die österreichischen Behörden regional eine Quarantäne verhängen. Am Montag wurden 18 Hotel-Angestellte in Salzburg unter Quarantäne gestellt, die Kontakt mit einem infizierten Deutschen gehabt hatten. Die Quarantäne eines Hotels in Innsbruck wurde dagegen wieder aufgehoben, nachdem man die 62 Mitarbeiter und Gäste getestet hatte. Für zwölf Personen, die Kontakt mit einer infizierten Italienerin gehabt hatten, wurde danach eine zweiwöchige Quarantäne verhängt. Aufgrund eines Coronavirus-Verdachts bei zwei Deutschen stoppten die Behörden am Sonntag mehrere Stunden lang Züge aus Italien auf dem Weg nach München. Bereits am Samstag war einer 52-köpfigen deutschen Reisegruppe die Einreise verweigert worden, ebenfalls wegen eines Coronavirus-Verdachts.
Das Fürstentum hat bisher keine bestätigten Verdachtsmeldungen verzeichnet. Die Regierung hat einen Stab unter dem Vorsitz von Regierungsrat Mauro Pedrazzini eingerichtet, der sich mit entsprechenden Szenarien befasst und allfällige weitere Massnahmen koordiniert. Auch hier haben die Behörden die Einwohner aufgefordert, sich im Verdachtsfall nicht in eine Arztpraxis zu begeben, sondern das Landesspital unter der Nummer +423 235 45 32 zu kontaktieren. Das liechtensteinische Amt für Gesundheit hat zudem eine Informations-Website aufgeschaltet und arbeitet eng mit dem Schweizer Bundesamt für Gesundheit (BAG) zusammen.
(Mit Material der Nachrichtenagentur sda.)
Wir werden in 1-2 Monaten sehen, wie die Schweiz Im internationalen Vergleich dasteht. Würde mich nicht erstaunen, wenn wir einigermassen glimpflich davon gekommen sind, weil wir wiedermal unsere „Hausaufgaben“ gemacht haben.