Ein Strand, voll mit toten Pinguinen. Sie alle liegen sorgfältig ausgelegt im Sand, damit sie für spätere Untersuchungen fotografiert werden können.
Diese Szene spielte sich in den letzten Wochen mehrfach in Neuseeland ab. Der Hintergrund ist ein Phänomen, das Naturschützer und Wissenschaftler seit ein paar Jahren beschäftigt: Zwergpinguine werden in grosser Zahl leblos an Neuseelands Stränden angespült.
Warum die kleinen Gesellen mit ihrem auffällig blau schimmernden Federkleid sterben, weiss niemand so genau, aber es gibt Vermutungen.
Das Pinguin-Sterben in drei Punkten:
In den letzten Monaten wurden Hunderte Zwergpinguine an den Stränden Neuseelands angeschwemmt – vor allem in der Northland Region. Manche Pinguine werden von Einheimischen begraben oder von Wissenschaftlern eingesammelt, andere verrotten am Strand.
Hi @docgovtnz, 3 dead blue penguins on 90 mile beach today, about 12km north of #Ahipara. All within a 100m stretch of each other. Run over by cars? Or victims of a certain fishing method? #NewZealand #Aotearoa #Wildlife #Penguins@nzherald @NZStuff @Breakfaston1 pic.twitter.com/isuo4OV1Yk
— Jeff Rice (@EvolvingCaveman) May 2, 2022
Letzte Woche wurden alleine am Ninety Mile Beach 183 Tiere und an der etwas nördlich davon gelegenen Cable Bay über 100 tote Tiere angeschwemmt, wie der britische «The Guardian» schreibt. Ende Mai fotografierten Anwohner 109 Tiere am Ninety Mile Beach, Mitte Mai fand ein Anwohner 40 Tiere am Tokerau Beach, alles in der Northland Region.
Der Seevogel-Spezialist Graham Taylor, ein leitender wissenschaftlicher Berater des neuseeländischen Department of Conservation (DoC), glaubt, dass seit Anfang Mai 2022 mehr als 500 Pinguine angeschwemmt wurden – möglicherweise auch 1000, wie er «The Guardian» berichtet. Dabei sei es unmöglich, eine genaue Zahl zu nennen, da viele tote Pinguine von Menschen vergraben würden.
Die Bewohner der Northland Region seien mittlerweile besorgt wegen des Pinguin-Sterbens. «The New Zealand Herald» lässt Pauline Wilson zu Wort kommen, die berichtet, wie sie und ihre Nachbarn einem fürchterlichen Gestank auf den Grund gehen wollten – und die oben erwähnten 40 toten Pinguine am Tokerau Beach gefunden hätten.
Vaughn Turner erzählt der neuseeländischen Lokalzeitung «RNZ», dass er im Mai begonnen habe, die toten Pinguine auf seiner Wanderroute zu zählen. Nach drei Tagen konnte er 200 tote Pinguine auf 30 Kilometern Strandabschnitt in seine Liste eintragen – ursprünglich wollte er darin lebendige Tiere dokumentieren.
Doch das massenhafte Sterben der Zwergpinguine ist kein neues Phänomen: Das DoC bestätigt gegenüber «The New Zealand Herald», dass jedes Jahr ab etwa November Berichte über tote Zwergpinguine eingehen würden.
Seit 2018 nimmt die Anzahl der toten Tiere aber auffällig zu und geht mittlerweile in die Tausende. Der Vogelspezialist Taylor erklärte gegenüber dem «RNZ», dass es in der Vergangenheit viele «gute Jahre» gab, gefolgt von einem Jahr, in dem viele Vögel starben. Diese guten Jahre, in denen sich die Population erholen konnte, kämen aber nicht mehr vor.
Ausgewachsene Zwergpinguine (Eudyptula minor) sind etwa so schwer wie ein Sack Zucker, nämlich rund ein Kilo. Und sie sind um die 30 Zentimeter gross. Somit sind Zwergpinguine die kleinste Pinguinart der Welt.
Beheimatet sind die Vögel in Neuseeland, Australien und Tasmanien, wobei genetische Analysen ergeben haben, dass es sich bei den australischen und neuseeländischen Zwergpinguinen nicht um eine, sondern um zwei verschiedene Arten handelt. In der Sprache der Māori heissen die Zwergpinguine «Kororā», teilweise werden sie auch als «Fairy Penguin» (Feen-Pinguin) bezeichnet.
Normalerweise leben Zwergpinguine in grossen Kolonien. Sie nisten in Felsspalten oder in Erdlöchern. Tagsüber jagen die adulten Tiere Fische, Tintenfische und Krebstiere.
Der weltweite Bestand beläuft sich auf rund 470'000 Tiere. Doch das DoC stuft ihren Bestand als «rückläufig» ein. Früher waren Zwergpinguine in ganz Neuseeland weit verbreitet. Heute leben die meisten nur noch auf vorgelagerten Inseln, wo sie weniger gestört werden.
Die natürlichen Fressfeinde der Zwergpinguine sind Seelöwen und Seebären. Bedroht sind die Vögel mittlerweile allerdings vor allem durch streunende oder frei laufende Hunde und Katzen, wie die neuseeländische Regierung schreibt. Und Forschende vermuten als grösste Bedrohung für die kleinen Pinguine den Menschen und sein Wirken auf dem Planeten:
In den sozialen Medien der Region Northland diskutieren die Einheimischen die Todesfälle mit wachsender Besorgnis: Wurden die Vögel von Fischern als Beifang gefangen und einfach als Müll im Meer entsorgt? Befinden sich Giftstoffe im Wasser? Haben sich die Vögel eine neue Art von Krankheit eingefangen?
Anfang des Jahres haben Wissenschaftler der neuseeländischen Behörde einige der toten Vögel untersucht – und sie kamen zum Schluss: Alle untersuchten Pinguine sind verhungert. Der Vogelspezialist Taylor sagte «The Guardian»:
Das Problem sei, dass die Vögel aufgrund der abgemagerten Körper keine Kraft mehr hätten, zu tauchen, und dadurch schliesslich einfach verhungerten oder erfrören, da ihnen die wärmende Fettschicht fehlte – ein Teufelskreis.
Das Pinguin-Sterben ist so beunruhigend für die Menschen in Neuseeland, dass das DoC eigens ein Factsheet verfasst hat, in dem händeringend nach Erklärungen gesucht wird. Darin wird vor allem das Wetter La Niña als mögliche Ursache für die toten Pinguine genannt: Denn La Niña bringe während der Wintermonate warme Oberflächentemperaturen nach Neuseeland. Die Fische, von denen sich die Pinguine hauptsächlich ernährten, würden vor dem warmen Wasser in die kühleren, tieferen Gewässern flüchten oder das Gebiet vollständig verlassen.
Das DoC geht also davon aus, dass die Zwergpinguine nicht wegen Überfischung verhungerten oder einer Krankheit zum Opfer gefallen sind – sondern den wärmeren Wassertemperaturen.
Und die Lage scheint immer dramatischer zu werden für die kleinen Pinguine, denn 2021 wurden in Neuseeland die höchsten Ozeantemperaturen seit Beginn der Aufzeichnungen gemessen – das sechste Jahr in Folge. Ian Armitage, ein Mitglied der Organisation Birds New Zealand, sagt «The Guardian» darum: