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Man kann sich der Realität verschliessen und von einer drogenfreien Gesellschaft fabulieren. So wie es die Volksinitiative «Jugend ohne Drogen» in den 90ern wollte (siehe Bildstrecke unten).
Doch ist dies utopisch und nicht erstrebenswert. Denn in einem freien Land soll man grundsätzlich selber entscheiden können, wie man lebt und was man konsumiert, um sich zu «berauschen».
Womit wir bei der Frage sind, warum gewisse psychoaktive Substanzen wie Alkohol und Tabak legal sind, und andere verboten.
Allein am Gefährdungspotenzial und den verursachten Kosten – gesundheitlich und volkswirtschaftlich betrachtet – kann es nicht liegen. Sonst stünden Schnaps und Wein auf dem Index, und stattdessen gäbe es an jedem Kiosk Cannabis.
Leider lässt die Legalisierung auf sich warten. Darum dreht sich dieser Beitrag um die Frage, wie verbotene Substanzen online und offline beschafft werden und welche Konsequenzen dies fürs Individuum und die Gesellschaft hat.
Der traditionelle Drogenhandel ist mit gesundheitlichen Risiken verbunden. Und zwar für alle Beteiligten.
Deals können aus den unglaublichsten Gründen schief laufen... Plötzlich fliegen die Fäuste, es werden Messer gezückt oder Schlimmeres.
Bei Darknet-Deals gibts keinerlei physischen Kontakt zwischen Käufer und Verkäufer und damit ein massiv kleineres Risiko, in eine gewaltsame Auseinandersetzung verwickelt zu werden. Bestellt wird aus sicherer Entfernung, am Computer. Die «Übergabe» erfolgt per Post- oder Kuriersendung.
Nicht auszuschliessen ist, dass man frühmorgens unsanft von Polizisten geweckt wird. Und man muss mit der Gefahr von Erpressungen und Drohversuchen leben, falls man elementare Vorsichtsmassnahmen missachtet (siehe nächster Punkt).
100-prozentige Sicherheit gibt es nirgends, auch nicht in der digitalen Welt. Bei Darknet-Deals muss man nicht damit rechnen, von Passanten, neugierigen Wohnungsnachbarn oder Kommissar Zufall ertappt zu werden. Dafür lauern Betrüger und Abzocker auf vertrauensselige Opfer...
Bevor man sich in die Internet-Dunkelkammer begibt, um Drogen zu kaufen, muss man sich der Risiken und Gefahren bewusst sein. Kleine Fehler und Unachtsamkeiten können (ziemlich viel) Geld und Nerven oder gar die Freiheit kosten.
Es ist darum unumgänglich, vor Abstechern intensiv zu recherchieren und sich alle wichtigen Informationen aus verschiedenen (unabhängigen) Quellen zu holen.
Zu beachten gilt:
Der Reinheitsgrad der im Darknet angebotenen Substanzen ist nicht grundsätzlich höher. Die Möglichkeiten, an qualitativ besseren «Stoff» zu gelangen, sind aber deutlich grösser.
Dies hat mit der Ausschaltung, respektive Verminderung des Zwischenhandels zu tun. Wenn etwa ein Kokainblock auf dem Weg von der Produktion in Südamerika zu den Konsumenten in Europa über weniger Stationen «wandert», dann gibt es auch weniger Akteure, die Streckmittel einsetzen.
Dies wiederum wirkt sich positiv, respektive weniger beeinträchtigend, auf die Gesundheit und das Portemonnaie der Konsumenten aus. Und aus gesellschaftlicher Sicht erfreulich: Mörderbanden wie in Mexiko, die sich auf den Schmuggel konzentrieren, werden durch den Postversand umgangen. Was die Zahl der schweren Gewalttaten sinken lässt.
Der britische «Economist» berichtete im Juli von Drogen-Qualitätstests, die in Spanien durchgeführt wurden. Demnach wiesen Kokain-Proben aus dem Darknet einen höheren Reinheitsgrad auf als «Strassen-Koks». Dies würde zu einem gewissen Grad auch die höheren Preise (siehe unten) erklären.
Der Drogen-Präventionsexperte Christian Kobel von der Zürcher Jugendberatung Streetwork, die selber Drug Checking anbietet, relativiert den Befund: «Bei den bei uns abgegebenen Proben aus dem Internet kommen nach wie vor die gleichen Streckmittel etc. vor, wie bei Proben, welche über andere Kanäle gekauft wurden.»
Ob bei Strassen-Deals oder Darknet-Geschäften: Es darf sich grundsätzlich kein Käufer auf eine angeblich gute Qualität verlassen. Auch die über «renommierte» Dealer bestellten Substanzen sollten professionell analysiert werden.
Präventionsfachmann Kobel:
Ob Darknet-Verkäufer oder traditioneller Dealer mit Stammkunden: Wer im Drogengeschäft über längere Zeit erfolgreich sein will, ist auf gute Kundenbeziehungen angewiesen.
Während es in der realen Welt höchstens um Mund-zu-Mund-Propaganda geht, kommt im Darknet ein transparentes Bewertungssystem zum Tragen. Wie eBay oder Amazon bieten die so genannten «Markets», die als Verkaufsplattformen fungieren, die Möglichkeit, Anbieter und ihre Produkte zu beurteilen. Und zwar für alle Besucher einsehbar.
Seriöse Verkäufer sind daran interessiert, über lange Zeit gute Noten für ihre Produkte und den «Kundendienst» zu erhalten. Newcomer, die noch keine verlässlichen Verkaufsstatistiken vorweisen können, versuchen mit Aktionen zu punkten. Sie locken mit tiefen Einführungspreisen und Rabatt.
Die Käufer wiederum können sich auch mit anderen Besuchern der Verkaufsplattformen austauschen und nachfragen, wie die Erfahrungen mit einem bestimmten Dealer waren.
Ausserdem lassen sich die Preise mehrerer Anbieter bequem am Computerbildschirm vergleichen. Es kommt also nicht zu überhasteten Käufen – ob aus Angst oder Zeitdruck.
Die Darknet-Preise lagen in den letzten Jahren im Durchschnitt über dem Strassenverkaufspreis, hielt der «Economist» nach einer vertieften Analyse tausender Angebot fest. Dies habe mit der häufig höheren Qualität der Drogen zu tun.
Anzumerken bleibt, dass die Preisspanne bei künstlich hergestellten Substanzen (und der weichen Droge Cannabis) grundsätzlich kleiner ist als bei den aus Pflanzenanbau gewonnenen harten Drogen.
Das hat mit der aufwändigeren Produktion sowie den längeren Transportwegen zu tun. Kokain kommt aus Südamerika, Heroin aus dem Mittleren Osten (Afghanistan) und Südostasien.
Hingegeben lässt sich Cannabis praktisch in jedem Land in Indoor-Anlagen anbauen, und synthetische Drogen wie Amphetamin oder Ecstasy stammen häufig aus osteuropäischen Drogenlabors, haben also einen kürzeren Transportweg.
Wenn der Drogenhandel immer mehr ins Internet abwandert, sollte der immense Aufwand (Polizei und Justiz) für die Bekämpfung traditioneller Dealer sinken. Und das ist wiederum aus gesamtgesellschaftlicher Sicht erfreulich, weil staatliche Mittel für andere Zwecke eingesetzt werden können.
Zwar soll sich der europäische Online-Drogenhandel seit der Schliessung von Silk Road durch das FBI im Oktober 2013 laut wissenschaftlichen Untersuchungen verdreifacht haben. Einem monatlichen Umsatz von immerhin 21 Millionen Dollar stehen aber Verkäufe über 2,3 Milliarden Dollar gegenüber, die im herkömmlichen Drogenhandel gemacht wurden.
Interessant ist in dem Zusammenhang der jüngste Bericht der EU zum internationalen Drogenhandel. Gemäss der vorliegenden Daten gibt es bislang keine Hinweise darauf, dass kriminelle Organisationen wie die Camorra ins Online-Geschäft eingestiegen sind. Zu vermuten ist, dass die Organisierte Kriminalität möglichst lange auf die herkömmlichen, mit viel Blut und Geld erkämpften Distributionswege setzen will.
Der «Economist» zitiert einen australischen Finanzexperten, der Parallelen sieht zum Niedergang des traditionellen Handels in den 90er-Jahren. Viele Unternehmen hätten damals die Folgen des aufkommenden Online-Handels unterschätzt. Dies könnte nun auch den Drogenbaronen passieren.
Vielleicht habe aber auch schon ein Generationenwechsel stattgefunden und es seien technikaffine Verbrecher am Werk, die ihre Spuren gekonnt zu verwischen wissen, spekulieren die Spezialisten der Polizeibehörde Europol.
Sicher sind sich die Experten im Urteil, dass das Internet einen positiven Einfluss auf die Hauptakteure im Drogenhandel hat: Für Konsumenten und Dealer sänken die Gefahren.
Fazit: Der Drogenhandel im Darknet erweist sich als das kleinere «Übel»: Je mehr illegale Geschäfte anonym im Internet abgewickelt werden, umso weniger Kollateralschaden gibt es. Davon profitiert mittelfristig die ganze Gesellschaft.