650 Meter trennen uns, sagt Tinder. Die Bilder auf seinem Profil sind in meiner Hood entstanden. Hier der Bäcker meines Vertrauens, da der Park hinter der Migros und voilà mein Lieblingscafé. Nur sein Gesicht kenne ich nicht. Er wäre mir aufgefallen. Unter tausenden von Typen. Weil er genau gleich wie mein letzter Freund aussieht. Und dieser ist Gott weiss kein 0815-Typ.
Vielleicht liegt der Hund genau hier begraben. Ich stehe auf Haare. Gerne dunkel. Gerne gelockt. Gerne lang. Nicht so heavy-metal-lang. Mehr so halblang. Auch habe ich, obwohl das «friday»-magazine schon lange proklamiert, der «Manbun» sei out, nichts gegen Männer, die ihr Haar hochbinden.
Er und mein Ex jedenfalls tragen ihr Haar genau so. Halblang, dunkel, gelockt. Und sie haben beide diese Augen, in denen ich mich verliere. Bärte. Sie sind gross, nicht ganz dünn. Sie tragen Sneakers, Hoodies, Lederjacken.
Ich schenke Locke 2 – Locke 1 ist mein Ex – einen Superlike. Wir matchen. Und chatten. 37 gemeinsame Facebook-Freunde haben wir. Krass, dass ich dem noch nie begegnet bin. Easy. Das Schicksal muss einen Plan haben.
Seine Nachrichten sind okay. Nicht der Burner. Die von Locke 1 waren, als wir uns ineinander verknallten, famos. Egal. Locke 2 und ich verabreden uns noch am gleichen Abend. Ich geb' dem Date sieben von zehn Punkten. Date 1 mit Locke 1 war damals nicht besser. Und auch nicht schlechter.
Ich bleibe an Locke 2 dran. Was mein Umfeld schräg findet. Ich solle mich neu orientieren. Von meinem Muster wegkommen. Horizont erweitern. So ist das, wenn es um andere geht:
Locke 2 gibt Gas. Er sehne sich nach einer Beziehung. Er sei eben mega sensibel. Kinder liebt er. Alkohol, Drogen, Zigaretten, er hat keine Laster. Er will sesshaft werden. Jackpot. Eigentlich. Mich turnts leider ab.
Hier könnte er sich nämlich nicht mehr von Locke 1 unterscheiden. Locke 1 ist ein Luftibus. Locke 1 mag sich nicht ganz so richtig binden. Locke 1 findet Alkohol und Zigis super. Drogen, nun … man lebt nur einmal. Und Locke 1 ist ein Rüpel. Kreativ, lustig, selbstironisch.
Locke 1 ist aber nicht greifbar. Und anstrengend. Es gibt Gründe, warum wir nicht mehr zusammen sind. Trotzdem: Im direkten Vergleich will ich am Ende des Tages eben trotzdem lieber einen Amok, der mich kickt, reizt und anspornt. Sorry, Freunde, sorry, Familie und ein bisschen sorry to myself.
Locke 2 teilt mir nach drei Wochen mit, dass er sich verliebt hat. In eine andere. Eine, die ihn will. Nicht so wie ich. Mir ist es recht. No bad feelings. Einfach keine feelings.
Ausser beim Sex. Der war gut. Jetzt nicht so gut wie mit Locke 1. Aber gut. Ausserdem war es praktisch, Sex zu haben. Als Single ist das ja so eine Krux mit dem Koitus: Du weisst nie, wann es das nächste Mal soweit ist. Also nimmst du ihn, wenn du ihn kriegst. So als könntest du quasi «vorvögeln».
Seit dieser Ex-Klon-Geschichte sind 14 Monate vergangen. Retrospektiv weiss ich, dass man es sich super sparen kann, den Klon des Ex’ zu daten. Tut man es trotzdem, ist es schräg, skurril, spannend und leicht schizophren.
Locke 2 und die andere sind immer noch ein Paar. Sie sind acht Sekunden nach dem Kennenlernen zusammengezogen. Seit dem gemeinsamen Klingelschild haben sie auch einen gemeinsamen Instagram- und Facebook-Account. Und einen personifizierten Hashtag.
Ich habe Locke 1 noch nie so vermisst wie seit dem Techtelmechtel mit Locke 2. Aber das geschieht mir wahrscheinlich recht. #thestruggleisreal
Adieu,
... Stadtmensch, Single, Anfang 30 – und watsons neue Bloggerin, die nicht nur unverfroren aus ihrem Liebesleben berichtet, sondern sich auch deinen Fragen annimmt. Und keine Sorge, so wie auch Emma, wirst auch du mit deiner Frage anonym bleiben. Madame Amour ist es nämlich sehr wichtig, auch weiterhin undercover in Trainerhosen schnell zum Inder über die Strasse hoppeln zu können.
Dann schick sie per Mail an Emma: emma.amour@watson.ch