Es gibt doch an gewissen Flughäfen solche «Kiss & Fly»-Schilder, was ich total bescheuert finde, also irgendwie so, als wolle man eine normale Parkzone besonders originell benennen. Too far, liebe Werbeleute. Aber: Für diese Geschichte ist der Slogan recht passend.
Ich habe sie getroffen. Meine Ex, die keine Sternchen mehr verdient hat. Fandet ihr alle falsch, aber darauf gehe ich nicht ein. Als würdet ihr nonstop überlegte, smarte Entscheide treffen, als wäre euer Leben eine Aneinanderreihung von strategisch guten, fürs Leben nachhaltig sinnvollen Schritten ... Come on, give me a break! Wenn ich meinen Freunden, auch den Frauen, Leute, jawoll, die sind wirklich überhaupt keinen Deut besser, aber wenn ich denen zuhöre, rennen auch alle irgendwie im Zickzack durch die Welt, machen einen Schritt vorwärts und drei zurück. Und ja, es sind alle in ihren Dreissigern.
Item.
Wir waren zum Pizzaessen verabredet. Ein Donnerstag. Am Freitag flog sie zurück nach New York, aber das wusste ich da noch nicht. Sie sagte mir erst beim Essen, dass es ihr letzter Abend in der Schweiz ist. Hätte es auch nicht sein sollen. Wir wären auf Dienstag verabredet gewesen, aber sie hat am Nachmittag «Muss leider verschieben, sry» geschrieben, also haben wir verschoben. Bin ja entspannt.
Sie schritt gerade durch das Lokal, als ich reinkam, ging zur Toilette. Bisher hat mich das jedes Mal «genommen». Immer, wenn ich sie sah. Kurzer Stich. Oder kurz keine Luft. Keine Ahnung. Es gab immer eine körperliche Reaktion, wenn sie war, wo ich war. Diesmal: nichts. Ich fand sie auch nicht mehr so unfassbar hot. Also, versteht mich nicht falsch, die Frau ist schön. Aber ich dachte immer, sie sei die Schönste, die je auf dieser Welt gelandet ist. Aber als sie da so vor mir sass, dachte ich, nohja, schon hot, aber Valentina oder Hanna oder Laura, die sehen jetzt also mindestens so gut aus.
Wir tranken Bier, tun wir immer, wenn wir zusammen sind, irgendwie auch immer zu viel. Und nach jedem Glas verstand ich besser, warum sie mal «Sie*» war. Warum sie all die Sterne hatte. Wir redeten über die guten, alten Zeiten, die wohl gar nicht so gut waren, aber wenn man nur über die guten Momente redet, und die schlechten ignoriert, dann sind die Zeiten so, dass man denkt, man müsste nochmals dahin zurück.
Über New York sprachen wir nicht. Als wäre das nicht passiert. Das heisst, es ist ja auch nichts passiert.
Wir gingen weiter in eine Bar, in der wir immer landen, wenn wir zusammen sind. Vielleicht, weil der Name unserem Zustand entspricht. Ja oder Nein, heisst sie. (Nicht auf Deutsch, so schlecht ist auch die schlechteste Marketingbude nicht.)
Je länger wir in der Bar waren, desto eher tendierte ich zu Ja. Nicht ja zu einer Beziehung. Bin ja immer noch ich. Ja zu Sex. Ja zu viel Sex. Findet ihr nicht weiter verwunderlich, aber ich habe mir vorgenommen, nicht mit ihr zu schlafen. Sex mit ihr hat mich jedes Mal so abgefuckt, das wollte ich vermeiden. So weit war ich immerhin gekommen, dass ich merkte, dass sie mir nicht guttat. Aber das vergesse ich dann eben im Moment. Nicht, weil ich so betrunken bin, wie ich es beispielsweise an der WG-Party war. Es ist irgendwie ein Sog, als wäre mein Hirn fremdgesteuert.
Sie übernachtete bei einer Freundin, ich brachte sie dorthin. Da standen wir vor der Tür rum. Irgendwann zog sie mich an der Jacke runter, wir küssten uns, das letzte «Nein» war weg.
Sie müsse mir aber noch etwas sagen, sagte sie, als sie die Tür aufschloss. Keine Ahnung, was ich erwartete. Dass wir leise sein müssten, dass sie ihre Tage hatte, dass sie früh rausmusste, irgend so was.
Das sagte sie mir, da war sie schon im Treppenhaus. Echt, Leute. Verlobt! Nicht verliebt, fucking verlobt. Ich dachte, ich bin in einen schlechten Hollywoodfilm gefallen. Vor drei Wochen kam der Antrag. Sie hat Ja gesagt, logischerweise, sonst wäre sie ja nicht verlobt, aber gleichzeitig erstaunlich, mir hat sie immer gesagt, sie würde nicht heiraten wollen. Warum sie mich denn unbedingt habe sehen wollen, fragte ich. «Vielleicht gerade deshalb.» Aber sie seien doch gar nie richtig zusammen gewesen. «Ja doch schon, also die ersten zwei Jahre nicht, aber jetzt so die letzten Monate schon.»
Sie hat mich nochmals geküsst. Einmal, zweimal, paarmal. Ja, ich weiss, bereue es auch, aber Leute, ich war unter Schock.
Dann bin ich nach Hause. Ohne hochzugehen. Ohne Sex. Immerhin das habe ich geschafft. Ins Loch fiel ich trotzdem. Nicht, weil ich dachte, dass das nochmals was wird zwischen uns. Mit meinem Beziehungsstatus bin ich wirklich zufrieden, können wir gerne wieder mal bereden, aber weil nun die ganzen Treffen im Frühling in einem so anderen Licht erscheinen, weil sich mein Trip nach New York noch viel dümmer anfühlt.
Ich weiss, ich habe mein Versprechen gebrochen. Ich wollte nie wieder über sie schreiben. Entschuldigt. Wird nicht wieder vorkommen. Grosses Ehrenwort.
So long,
Ben
Und wie immer kommentiere ich und frage mich wieso. Aber Item. Ich falle jetzt nicht in ein Loch, bin ja schliesslich entspannt.
Also ohne New York, Flughafen und Verlobung, aber mit der ähnlichen Feststellung dass einem die gleiche Person erstaunlich oft in die Eier treten kann bevor die Erkenntnis reift: Ich glaub die tut mir nicht gut.
In dem SInn: Immer an das beschissene Gefühl denken wenn der Name auf dem Handy aufleuchtet und dann entspannt ignorieren und sich darüber freuen ohne diese Person viel besser dran zu sein.
Ich werde nie verstehen warum sich Menschen immer wieder selbst verletzen... (ich nehme mich da nicht raus). Man weiss, es wird weh tun und dennoch tut man es... Kronen der Schöpfung...
Sei stolz auf dich, dass du nicht mit der frisch Verlobten Ex ins Bett gestiegen bist. Bei der Vorstellung das sie es eiskalt getan hätte, gruselt es mich.