Diana ist verliebt. Und euphorisch. Seit dem 28. August 1996 ist sie eine geschiedene Frau. Sie trägt noch immer den Titel Prinzessin, wohnt noch immer im Kensington Palast, hat etwa 17 Millionen Pfund Abfindung erhalten und dazu mehrere hunderttausend Pfund im Jahr, damit sie alle ihre Geschäfte am Laufen halten kann.
Seit der Scheidung ist sie besessen von der Idee eines neuen Lebens in einem neuen Land mit dem neuen Mann an ihrer Seite. Er ist 39, heisst Hasnat Khan, ist ein pakistanischer Herz- und Lungenchirurg und die beiden haben sich 1995 kennengelernt, als Diana den kranken Mann einer Freundin im Spital besuchte. Er liebt sie sehr, sie liebt ihn obsessiv, will endlich heiraten und nennt ihn «Mr. Wonderful». Hinter seinem Rücken bearbeitet sie den südafrikanischen Herzchirurgen Christiaan Barnard, er soll ihrem Liebsten eine neue Stelle weit weg von England verschaffen.
Die öffentliche Anbetung, die Diana entgegengebracht wird, schreibt die Journalistin Tina Brown in ihrer Diana-Biographie (2017), ist da so gross, dass Diana ernsthaft das Gefühl hat, sie könne jedes Problem lösen, etwa den Nordirlandkonflikt. Sie träumt davon, mit Khan durch die Welt zu reisen, von Krisenherd zu Krisenherd, er als Arzt, sie als Symbolpolitikerin.
Khan will das nicht. Er will seinen Job in London, er hasst die Öffentlichkeit, er stammt aus einer traditionellen pakistanischen Familie und wird eine Frau heiraten müssen, die seinen Eltern genehm ist. Die beiden streiten und streiten und zerstreiten sich. In der Nacht auf den 11. Juli 1997 kommt es zum endgültigen Zerwürfnis.
Am 11. Juli packt Diana ihre Koffer und fliegt mit William und Harry nach Saint-Tropez. Sie hat sich entschlossen, die Einladung des ägyptischen Milliardärs Mohamed Al-Fayed anzunehmen, der sie in seine Villa und auch auf seine Jacht eingeladen hat. Sie will sich bei Wassersport und Spass erholen.
Mohamed Al-Fayed besitzt zu diesem Zeitpunkt das Luxuskaufhaus Harrods in London, das Luxushotel Ritz in Paris und den Fussballclub FC Fulham. Er hat fünf Kinder, davon zwei Söhne im heiratsfähigen Alter, und die bestellt er sofort nach Saint-Tropez.
Der Älteste, Dodi Al-Fayed, hat eh Zeit, er ist ein bekannter Playboy, der sich gelegentlich als Filmproduzent betätigt. Seine Mutter ist Samira Kashoggi, die Schwester des arabischen Waffenhändlers Adnan Kashoggi, mit dem Mohamed Al-Fayed gerne zusammenarbeitet.
Wie Diana war auch Dodi schon einmal verheiratet – mit einem Model –, und ihm werden Affären mit Julia Roberts, Brooke Shields und Winona Ryder nachgesagt. Sein Ziel: Eine Frau zu finden, die ihn auf die Titelseite des amerikanischen «People»-Magazins bringt. Seine Chancen waren noch nie so gut. Diana ist die prominenteste Frau der Welt. Und Diana lenkt die Presse. Gibt ihren wohlwollenden Journalisten Hinweise darauf, wo sie sich aufhält.
Diana und Dodi sind sich bisher erst ein einziges Mal begegnet, an einem Polospiel waren sie in gegnerischen Mannschaften, ob sie sich damals überhaupt wahrgenommen haben, ist nicht bekannt. Jetzt geht es umso schneller: Schon nach wenigen Tagen entstehen erste Fotos von Diana und Dodi. William und Harry werden nach Balmoral spediert, wo sie den Sommer mit Oma Elizabeth und Papa Charles verbringen werden. Dass Bilder von ihr und Dodi in Umlauf kommen, ist nicht nur eine Racheaktion gegen Khan, sondern auch gegen Charles.
Eigentlich haben sich die beiden Geschiedenen wieder besser verstanden. Teilen sich das Sorgerecht, treffen sich ab und zu, pflegen einen zunehmend entspannten Umgang. Bis Charles beschliesst, Camilla jetzt in aller Öffentlichkeit als seine Partnerin zu präsentieren und am 17. Juli ihren 50. Geburtstag im grossen Stil auf Highgrove zu feiern. Auf jenem Landsitz also, den Charles mit Diana zu Beginn ihrer Ehe bezogen hatte – weil Camilla nur ein paar Landhäuser weiter wohnte.
Dianas Berechnung geht auf: Die Bilder von ihr und Dodi verdrängen Camillas Geburtstagsparty von den Titelseiten.
Doch vor dem gefürchteten Geburtstag geschieht etwas Unerwartetes, das Diana tief erschüttert: Am 15. Juli wird ihr Lieblingsdesigner und Freund Gianni Versace auf der Treppe seiner Villa in Miami Beach vom Serienmörder Andrew Phillip Cunanan erschossen. Diana, die seit Jahren unter Verfolgungswahn leidet und sich als Opfer möglicher Anschläge sieht, sieht sich an Versaces Stelle.
Einerseits geniesst sie den Sommer mit Dodi. Ihre Mittelmeer-Kreuzfahrt, dass er für sie ganze Läden leer kauft. Andererseits will sie ihrem Leben mehr Sinn geben. Sie will Dokumentarfilme drehen. Einen hat sie bereits gemeinsam mit der BBC realisiert, über ihre humanitäre Reise nach Angola, er war ein Erfolg.
Am 8. August unterbricht sie ihre mediterrane Pause und reist für vier Tage nach Bosnien und Herzegowina. Besucht Landminenopfer. Sorgt erneut für enorm viel Medienpräsenz für das Thema, das ihr sehr am Herzen liegt. Am 18. August sitzt sie im Mailänder Dom neben Elton John und trauert um Versace. Dann geht's zurück zu Dodi.
Am 30. August zieht es die beiden nach Paris. Und alles geht zu Ende. Diana ruft ihre Söhne auf Balmoral an, doch William und Harry sind kurz angebunden, dann geht sie mit Dodi ins Ritz essen.
Nach Mitternacht machen sie sich auf den Weg zu Dodis Pariser Wohnung, sie sitzen zu viert im schwarzen Hotel-Mercedes, mit ihnen sind ein Leibwächter und ein Chauffeur, Diana und Dodi sind nicht angegurtet. Ihnen folgen 5 Autos, 3 Motorräder und 2 Mofas mit Paparazzi.
Um 00.23 Uhr knallt der Mercedes mit 110 Stundenkilometern gegen einen Betonpfeiler im Tunnel unter der Place de l'Alma, dreht sich um die eigene Achse und rast in die Tunnelwand. Als Erste sind ein Arzt vor Ort, der das Wrack auf seinem Nachhauseweg gesehen hat, und ein 25-jähriger Fotograf mit dem Namen Romuald Rat.
Als er erkennt, wie schlimm es um die Insassen steht – Dodi und der Chauffeur sind bereits tot – versucht er, die anderen Fotografen davon abzuhalten, Bilder zu schiessen. Vergeblich. Doch schon nach wenigen Minuten ist die stellvertretende Staatsanwältin vor Ort und lässt alle Fotografen verhaften. Diana, deren Kopf zwischen den Vordersitzen eingeklemmt ist, öffnet noch einmal die Augen, sieht den toten Dodi und sagt: «Mein Gott, was ist geschehen?»
In den nächsten drei Stunden kämpfen die Ärzte unterwegs und schliesslich im Hôpital de la Salpêtrière um Dianas Leben. Ihr Herz ist durch den Aufprall von der linken auf die rechte Seite gequetscht worden, eine Lungenvene ist gerissen, immer wieder hört ihr Herz auf zu schlagen, wenige Minuten vor 4 Uhr steht es für immer still, um 4 Uhr wird die Prinzessin für tot erklärt.
Ab sechs Uhr früh übertragen Radio- und TV-Sender die Todesnachricht in Endlosschlaufe, alle Fussballübertragungen werden an diesem Sonntag abgesagt. Der Art Director des «Mirror» knallt vor Schreck selbst mit dem Auto gegen eine Mauer. Charles, der bereits in der Nacht benachrichtigt wurde, wartet bis 7 Uhr früh, dann informiert er seine Söhne.
Während Grossbritannien in eine kollektive Trauerlähmung fällt, gehen die Royals zu ihrem Sonntagsgottesdienst. Es wird der einzige Gottesdienst im ganzen Land sein, der die Tote mit keinem Wort erwähnt, der Geistliche hält seine vorbereitete Predigt, die sich um den Genuss eines Kinobesuchs dreht und mehrfach die Witze eines Komikers zitiert. Charles und Philip tragen Kilts, schliesslich befindet sich Balmoral in Schottland.
Dianas treuste Mitarbeiter, der 39-jährige Butler Paul Burrell und der 56-jährige Chauffeur Colin Tebbutt, gehen unterdessen in die Wohnung der Chefin, räumen ihren Schmuck in den Safe, packen einen Lippenstift, Puder und einen Rosenkranz, den Diana einst von Mutter Teresa erhalten hat, ein und buchen mit Glück die letzten zwei Plätze im nächsten Flugzeug nach Paris. Die Gattin des britischen Botschafters hat ein schwarzes Kleid und Schuhe bereitgelegt, Burrell und Tebbutt fahren ins Spital, übergeben gegen 16 Uhr alles den Krankenschwestern und diese richten die Leiche her.
Als Charles um 17.40 Uhr mit Dianas Schwestern in der Salpêtrière ankommt, erwarten ihn der französische Präsident Jacques Chirac, dessen Gattin, der Aussen-, der Innen- und der Gesundheitsminister. Das erste Bouquet, das die Tote erreicht hatte, stammte vom ehemaligen französischen Präsidenten Valéry Giscard d’Estaing. Diana verlässt das Spital im Sarg.
Auch Mohamed Al-Fayed reist am 31. August nach Paris, um den Leichnam seines Sohnes heimzuholen. Dodi muss nach muslimischem Brauch vor Sonnenuntergang bestattet werden. In der Annahme, dass Dodi im gleichen Spital aufgebahrt liegt wie Diana, fährt der Vater zur Salpêtrière. Doch Dodi befindet sich in einer entfernten Leichenhalle. Niemand erwartet dort Mohamed Al-Fayed, ein schlecht gelaunter Wächter muss erst nach dem richtigen Schlüssel suchen, um den Leichnam Nr. 2146 freizugeben.
Abertausende von Trauernden und Schaulustigen strömen bereits nach London, 6000 Menschen jede Stunde. Prinzessin Margaret steht am Fenster ihrer Wohnung im Kensington Palast und beschwert sich über den süsslichen Geruch der vielen Blumen. Das Wort «Blumenfaschismus» wird in den nächsten Tagen die Runde machen.
Der Volkszorn richtet sich derart massiv gegen die Presse, die Diana zu Tode gejagt haben soll, dass kein einziges der Paparazzi-Bilder vom Unfallwagen (die dafür verlangten Preise gehen bis zu 300'000 Pfund) abgedruckt wird.
Als endlich klar wird, dass der Unfall in erster Linie dem völlig betrunkenen Fahrer Henri Paul zuzuschreiben ist, geht ein Aufatmen durch die Presselandschaft. Sie ist zwar böse, aber doch nicht so böse. Henri Paul hatte neben Wein plus 6 bis 8 Shots Pastis, die er beim Warten auf Diana und Dodi an der Bar des Ritz' getrunken hatte, auch noch das Antidepressiva Prozac und das Neuroleptikum Tiaprid intus.
Henri Paul gehört zum Stab von Mohamed Al-Fayed. Ein Chauffeur der Royals muss normalerweise einen ganzen Tag vor seinem Einsatz nüchtern sein. Und normalerweise hätte der Scotland Yard Diana bei einer Fahrt durch Paris auch Polizeischutz gegeben und der Einsatz von Henri Paul wäre umgehend verhindert worden. Doch Diana hatte den Polizeischutz für jenen Abend abgelehnt.
Der Leibwächter Trevor Rees-Jones überlebt schwer verletzt und wird für zehn Tage in ein künstliches Koma versetzt. Sein Gesicht ist durch den Unfall vollständig zerquetscht worden und wird mithilfe alter Fotos rekonstruiert. Heute ist er der Sicherheitschef des Pharmakonzerns AstraZeneca.
Am 6. September 1997 nimmt die Welt von Diana Abschied. Die Trauer der kleinen Prinzen bei der Zeremonie in der Westminster Abbey ist herzzerreissend. Camilla weiss, dass sie jetzt wieder für ein paar Jahre in Dianas Schatten stehen wird. Dass sie wieder zur heimlichen Geliebten werden und auf ihr öffentliches Glück mit Charles warten muss. Dass Dianas Tragödie auch die ihre ist, weil sie alles überblendet und sich die Royals jetzt keine Fehler mehr erlauben dürfen. Der Gottesdienst von Balmoral und die emotionale Kälte, mit der die Queen mehrere Tage nicht auf den Tod der Schwiegertochter reagierte, sind Skandal genug.
Elton John, der drei Wochen zuvor noch in Mailand bei einer anderen Beerdigung Dianas Hand gehalten hat, singt jetzt vor der ganzen Welt «Candle in the Wind». Den Song, den er 1973 im Andenken an Marilyn Monroe geschrieben hatte. Auch sie war mit 36 Jahren gestorben. Auch sie war zu Lebzeiten die meistfotografierte Frau der Welt gewesen.
Zur Trauergemeinde in der Westminster Abbey zählt auch der Arzt, mit dem Diana ihr Leben verbringen wollte. Erst 2006 wird Hasnat Khan zum ersten Mal heiraten. Die Ehe ist arrangiert. Seine Braut ist mit dem 1973 abgesetzten afghanischen König verwandt.
Für diesen Artikel wurde u.a. «Diana: Die Biographie» von Tina Brown in der 6. und neu überarbeiteten Auflage von 2017 verwendet.