Barprofis, Drinks-Hersteller und -Importeure sowie Gastronomen orakeln, was das neue Jahr bringen wird. Hier einige der meistgenannten Entwicklungen und Trends:
White Claw und Konsorten haben ihren Zenit erreicht. Nein, nicht, weil die Leute wieder mehr Bier trinken, sondern weil sich RTDs (Ready to Drink Cocktails) aus der Dose immer mehr durchsetzen. Blackberry Bramble, Piña Colada, Mojito, Gimlet – gibt's alles aus der Dose. Und die Auswahl wird sich ausweiten.
Europa feiert sein Kulturerbe: Da gibt es etliche etwas verstaubte, aber traditionsreiche Likör- oder Vermouth-Brands, die wiederentdeckt und erfolgreich neu lanciert werden. Will man den Grossvater-Digestivo Braulio, um ein Beispiel zu nennen, einem jüngeren Publikum schmackhaft machen, dann ist die Etikettierung «Bormio dal 1875» kein Nachteil, sondern ein Werbe-Claim. Product Design braucht's keines; das hat mehr als ein Jahrhundert Markenpflege bereits erledigt. Neu ist höchstens, dass man die altehrwürdigen Destillate nicht nur ausschliesslich pur trinkt, sondern als Zutaten für feine Drinks verwendet. Macht euch also auf ein Comeback von Suze, Ramazzotti, Frangelico und Co. gefasst. Hey, Aperol hat's vor Jahren bereits vorgemacht.
Längst haben Spirituosenhersteller den Tourismuswert erkannt und sich zusammengeschlossen, weshalb es nun kuratierte Reiserouten wie etwa den Kentucky Bourbon Trail gibt oder den Malt Whisky Trail in Schottland. Oder – näher – die Wanderrouten Trail d'Absinthe im Val-de-Travers oder den Appenzell Whisky Trek. So einer altehrwürdigen Traditionsbrennerei einen Besuch abzustatten, ist durchaus unterhaltsam. Aber auch jüngere Brands setzen auf das Besuchererlebnis. Bei Turicum in Zürich gibt's das Gin Lab, wo Besucher ihren eigenen Gin kreieren können. Mehrere Destillerien bieten neuerdings hauseigene Bars und/oder Restaurants, einige sogar Herbergen.
2022 war das Jahr, in dem der Dry Martini ein Comeback feierte. Lange genug hatten wir aufwändig tätowierten Mixologists (nur schon dieses Wort 🙄) dabei zugesehen, wie sie mit Feinsieben und Bunsenbrennern herumhantierten und uns kreativ benamste Cocktails in einer Blechbüchse vorsetzten oder irgendeinem anderen Behältnis, das kein Glas ist. Da kam der Martini, dieser Ur-Klassiker aller Classic Cocktails, wie gerufen: Gin, ein wenig Vermouth, vielleicht ein Tröpfchen Bitters ... Manchmal ist weniger mehr.
Bloss ... nicht ganz. Der Trend geht ganz klar in Richtung Dirty Martini. Verlangte die ursprüngliche Version dieses Drinks lediglich nach einem Schuss Essigwasser aus dem Olivenglas, wird er zusehends dirtier. Richtig filthy gar: Im Genever in Los Angeles serviert Barchefin Kelso Norris ihren Datu Puti Martini mit Knoblauchpulver, Fischsauce und ganzen 3 cl des namensgebenden Zuckerrohressigs aus den Philippinen. Richtig dekadent wird man etwa im Legasea Bar & Grill am Times Square in New York, wo's einen MSG Martini gibt, garniert mit mit Trüffel und Kaviar gefüllten Oliven. Zunehmend sieht man die Option eines Kaviar-Löffels als Garnitur zum Dirty Martini. Es sind wohl die Goldenen Zwanzigerjahre.
Ach ja, in Zusammenhang mit Dry Martinis und Co. ... Gin ist weiterhin King. Und Wodka wird zusehends weniger und weniger getrunken. Klar, Otto Normalverbölker trinkt weiterhin Moscow Mules – Tendenz abnehmend. Etwas Neues mit Wodka, ein Trend gar, ist nicht in Sicht.
Dem Konsumenten den Herstellungsprozess offenlegen – was spricht dagegen? In einigen Fällen sind diese Informationen traditionell verschlüsselt, wie etwa beim Buchstaben-Code, den Four Roses verwendet, um den Ort der Destillation, den Hefestamm, ob es sich um reinen Bourbon handelt und so weiter anzugeben. Immer mehr sind bereit, die genaue Herkunft jedes Blends anzugeben. Bei High West etwa wird die Getreiderezeptur angegeben und ob der Bourbon oder Rye von den Grossdestillerien MGP Indiana oder Heaven Hill stammt oder in-house selbst destilliert wurde. Immer mehr Verbraucher wollen diese Informationen, und immer mehr Wodka-, Rum-, Gin- und Whiskey-Brennereien sind bereit, sie zu liefern.
Es gibt inzwischen derart viele edle Brände, niemand muss auf Qualität oder Auswahl verzichten, will man auf Nachhaltigkeit achten. Immer mehr Brennereien verwenden ausschliesslich lokale, rückverfolgbare Zutaten. Kohlendioxidneutrale Brennereien in Schottland, Australien und den USA gehen mit einer Mischung aus nachhaltigen Energiealternativen, Abfall- und Energiereduzierung und Kohlenstoffkompensationen voran. Da die Konsumenten zunehmend vor Greenwashing zurückschrecken, verpflichten sich diese Marken zu belegbaren Massnahmen, die sich tatsächlich auf die Umwelt auswirken. Einige Destillerien bauen ihre Hauptzutaten gar selbst an. Waterford aus Irland etwa verkauft Whiskey-Cuvées, deren Zutaten auf einzelne Farms zurückverfolgt werden können – alles nachweislich bio. Dies hat natürlich zur Folge, dass die Kosten für den Betrieb erhöht werden. Doch im High-End-Spirituosen-Marktsegment sind die Verbraucher bereit, dafür zu bezahlen. Denn: Mit der Rückverfolgbarkeit der Zutaten bedient man sich der Methodik der Weinindustrie. Terroir, Cuvée und Co. lassen grüssen. Die entsprechenden Gewinnmargen auch.
Altehrwürdige Traditionsmarken, Nachhaltigkeit in der Produktion sind im Trend, aber ein wenig Spass muss auch sein. Es ist so: 2023 ist das Jahr der Cringe Cocktails, verspielter, fruchtiger Drinks, die lustig aussehen und süsslich schmecken (man denke an Cosmopolitans oder Pornstar Martinis). Die waren bereits in den Achtzigern und späten Neunzigern gross, doch nun feiern sie 2023 ein Comeback, TikTok sei Dank. Freuen wir uns auf einen Sommer mit Banana Daiquiris, Blue Lagoons, Grasshoppers und anderen kitschigen Klassikern!
das ist einfach ein gesöff aus einer dose.
saufen und fertig. das hat nix mit rezepturen zu tun.
ist ein unterschied ob industriell oder frisch/handwerklich zubereitet.
erinnert mich an bäckerei versus knack&back