Als Djamila Rowe ihre Akte öffnet, macht plötzlich alles Sinn. Ihr ganzes beschissenes bisheriges Leben. Dabei hat sie nicht einmal damit gerechnet, dass die Stasi überhaupt eine Akte über sie angelegt hat. Sie hat sie eher zum Spass bestellt. Weil das nach der Wende alle machen, die in der DDR gelebt haben.
Jetzt ist sie Anfang zwanzig, lebt in Westberlin und arbeitet im KaDeWe als Kosmetikverkäuferin und Visagistin. Aus ihrer Stasi-Akte erfährt sie, dass sie seit der Kindheit beschattet wird. Erstens, weil ihre Mutter 1970 in den Westen floh und die Dreijährige bei den Grosseltern zurückliess. Zweitens, weil ihr Vater nicht ein persischer Student war, wie die Familie immer behauptete, sondern ein afghanischer Agent: «Mein Vater hatte einer Gruppe Agenten angehört, die für die Kommunisten afghanische Terroristen ausfindig machen sollten, die wiederum auf US-Militärstützpunkten in Westdeutschland ausgebildet worden waren», schreibt sie in ihrer Autobiografie.
Die Staatssicherheit vermutete, dass er als Doppelagent tätig war und russische Waffengeheimnisse an die von den Amerikanern unterstützten Mudschaheddin verriet. Djamilas Mutter hatte er als «Verbindung» nach Ostberlin benutzt. Djamilas Mutter hasste ihre Tochter dafür und liess es zu, dass ihr neuer Boyfriend seine Zigaretten auf der zarten Babyhaut ausdrückte. Die Grosseltern, das wissen wir aus dem «Dschungelcamp», waren schwere Alkoholiker, die vom Betreuungsgeld der Enkelin ihren Stoff kauften.
Oma und Opa hatten sich eine Lieferkette aufgebaut, schickten Djamila in den nahegelegenen Supermarkt, dort verpackte die mit den Grosseltern befreundete Metzgerin Schnapsflaschen in Fleischpapier und das Kind schmuggelte den Alkohol als Fleisch getarnt an den ahnungslosen Kassierinnen vorbei. Für Djamila selbst blieb von allem zu wenig: zu wenig Zuneigung, zu wenig Essen, wenn sie Lust auf Süssigkeiten hatte, lutschte sie den Zuckermantel von den Rheumatabletten der Grossmutter.
Sie wird geschlagen, sie wird fast umgebracht – es ist eine elende Jugend mitten in Ostdeutschland. Die Jugendhilfe greift erst ein, als der Grossvater wegen Scheckbetrugs ins Gefängnis kommt. Da ist Djamila schon 14. Vom Jugendheim kommt sie nach kurzer Zeit in den Jugendwerkhof in Crimmitschau, in den Jugendknast also, sie hat nie was verbrochen, den Grund erfährt sie aus einem Gespräch zwischen zwei Aufsehern, die sich über ihre «kriminelle Verwandtschaft» unterhalten. Djamila unternimmt Flucht- und Suizidversuche, sie bringen ihr nichts ausser brutaler Isolationshaft.
Nach 36 Monaten wird sie entlassen, sie hat im Knast in der Textilfabrik gearbeitet, sie hat nur eine minimale Schul- und keine Ausbildung. Die Wohnung, die bereits für sie parat steht, eignet sich besonders gut zur Überwachung, wie sie aus ihrer Akte erfährt. Sie und ihr damaliger Freund verhalten sich leider komplett harmlos: «Im Haus verhält sie sich unauffällig, freundlich und höflich. Sie tritt sauber und gepflegt in Erscheinung und grüsst die Hausbewohner, ohne dass jedoch engere Kontakte zu einzelnen Mietern bestehen. Aufgrund der Zurückgezogenheit der Ermittelten kann hinsichtlich beruflicher Tätigkeit und politischer Grundhaltung keine tiefgründige Einschätzung getroffen werden», heisst es in einem Bericht vom 26. Juli 1988.
Nur etwas erregt das Misstrauen der Ermittler: Djamila und ihr Freund besuchen mehrere Male die amerikanische Botschaft. Sie tun das in der völlig naiven Absicht, dort in westlichen Magazinen zu blättern und Schnittmuster nach Kleidern in der «Vogue» anzufertigen. Doch sie gelten jetzt als «Aufsucher dipl. Vertretung». Theoretisch könnten sie dafür ins Gefängnis kommen.
Djamila Rowe verlässt Ostberlin in den Tagen des Mauerfalls. Sie fragt im KaDeWe nach einer Stelle und bekommt sie. Zuerst beim Haarschmuck, bald in der Kosmetik. Sie verhält sich weiterhin unauffällig und wird 1997 Mutter eines Sohnes.
Bis sie im Frühjahr 2002 im Schweizer Boulevard auftaucht und alles anders wird: ihr Leben und das des Schweizer Botschafters in Berlin. Doch darüber schreibt sie in ihrer Autobiografie mit dem Titel «Botox für meine Seele» nichts. Sie spricht auch kaum darüber.
2002 beichtet sie dem «SonntagsBlick» eine Affäre mit Thomas Borer und entfesselt damit eine «Blick»-Kampagne gegen den Botschafter. Später widerruft Rowe ihre Geschichte und sagt, die Autorin des Artikels habe sie zu ihrer Falschaussage gedrängt. Verleger Michael Ringier gesteht, dass Rowe ein «Informationshonorar» von 10'000 Franken erhalten habe und entschuldigt sich auf der Titelseite des «Blicks».
Thomas Borer erhält von Ringier über eine Million Franken Schmerzensgeld, verlässt den diplomatischen Dienst und wird Berater. Der damalige «SoBli»-Chef Matthias Nolte verliert seinen Job und wird Schriftsteller. Die Autorin des Artikels geht vom «Blick» zur «Bild».
Djamila Rowe ist fortan das «Botschaftsluder». Die Presse jagt sie. Manchmal mag sie es, sich als Luder zu inszenieren. Stellt sich halbnackt mit einer Deutschlandflagge vor den Berliner Reichstag und nennt die Selbstinstallation «Deutsche Einheit». Manchmal geht es ihr zu weit. Im Januar 2006 schluckt sie 27 Schlaftabletten und eine halbe Flasche Whisky, sie will sterben.
Sie hat da gerade das Reality-Format «Die Alm» hinter sich und «Big Brother» vor sich, sie ist jetzt eine Celebrity, eine jener Frauen mit immer grösseren Brüsten, die sich ein paar Männer teilen, irgendwelche Unternehmer und Prinzen: Djamila Rowe hat was mit den Exen von Playmate Kader Loth und der vermeintlichen Schönheitschirurgen-Mörderin Tatjana Gsell.
Überhaupt hat sie sich ganz dem Oberflächlichen in seiner ganzen Pracht und Perfektion verschrieben, sie trägt Mode von Harald Glööckler, lässt sich je viermal die Nase und die Brüste richten, oft begleitet von RTL, gelegentlich bei schlimmen Quacksalbern von Ärzten, einer davon wird während des Drehs verhaftet. Sie macht ein «Uschi»-Format ums nächste, also Unterschichts-Fernsehen, wie Reality in den Nullerjahren heisst, daneben arbeitet sie als Visagistin.
Jetzt, nach der Lektüre ihrer Autobiografie, die sie während der Pandemie mit einer Ghostwriterin geschrieben hat, scheint es, als habe sie mit allem Glitzer, jedem Lidstrich, jedem Implantat, jedem cheapen TV-Format die tiefen Wunden ihrer Kindheit und Jugend übertünchen und ausmerzen wollen. Auf eine naive, aber eine doch recht effiziente Art. Mit jeder Botoxspritze tut sie sich was zuliebe.
Und untendrunter, das hat ausgerechnet das Schleimbad des Dschungelcamps zutage gebracht, ist ein Mensch, den plötzlich alle lieben. Eine warmherzige, selbstironische, verletzliche Frau von 55 Jahren. Sie ist jetzt «Queen D». Die Königin der Herzen aus der wilden, wüsten Welt des Trash-TVs. Sowas gab's noch nie.
Hätte ich wirklich nicht von mir gedacht:
— Oliver Kalkofe (@twitkalk) January 29, 2023
habe allen Ernstes zum ersten Mal beim #Dschungelcamp #IBES Voting für #Djamila angerufen!
a) weil sie es wirklich verdient hat
b) um zu verhindern, dass die Krone wieder in die Hände des scheinheiligen Cordalis-Katzenberger-Clans fällt!
Sie ist nicht die Ex von … der Sohn von … der Sänger von … die Siebtplatzierte in … - Djamila war einfach nur zwei Wochen Mensch. Die zur Feier des Tages sogar mal BH trug. Und am Ende konnte sie die Stirn wieder bewegen. Mehr geht nicht! 🎉 #ibes
— Christian Beisenherz (@cbeisenherz) January 29, 2023
Warum sollte Djamila gewinnen:
— 🧉. (@whoisshi) January 29, 2023
• tut es für ihre Familie
• unfassbar lustig
• super nett
• höflich
• braucht nen Drucker
• lebt ihren großen Traum
• voll die süße
• immer ehrlich#IBES
Djamila müssen in ihrem Leben so viele schlechte Sachen passiert sein, dass sie denkt, es ist ein Fehler wenn ihr was Gutes passiert. Allein dafür hat sie die Krone verdient #ibes
— RL-Nerd (@menki13) January 29, 2023
Es ist so niedlich wie lieb Gigi immer zu Djamila ist. „Sie muss gar nichts mehr beweisen. Sie ist eine der stärksten Personen.“ 🫶 Recht hat er! #ibes pic.twitter.com/pRD4IBMh0G
— 𝓕𝓻𝓲𝓮𝓭𝓪🦥 (@Stoerenfrieda29) January 29, 2023
Ich gratuliere der lieben Djamila recht herzlich zur Dschungelkrone 🤗👍 @RTL_com #IBES pic.twitter.com/clqunqAlvB
— Menderes (@menderes) January 29, 2023
Sie war um meilen greifbarer als der aalglatte Cordalis.
Gigi hätte man es auch gegönnt, er hat das Herz am rechten Fleck, es ist einfach wie beim Wein - er muss noch etwas reifen. 🙃