Achtung, der folgende Artikel enthält Spoiler zu «Im Westen nichts Neues» – sowohl zum Buch als auch zum aktuellen Netflix-Film. Wer sich lieber überraschen lassen möchte, sollte also aufpassen.
Basierend auf der gleichnamigen Buchvorlage von Erich Maria Remarque gibt es jetzt die insgesamt schon dritte Verfilmung von «Im Westen nichts Neues» – diesmal bei Netflix. Der Antikriegsfilm von Edward Berger hat es bereits auf Platz eins der Rangliste des Streaming-Diensts geschafft und wird sogar als möglicher Oscar-Kandidat gehandelt.
Im Vergleich zum Roman nimmt die Adaption im finalen Drittel eine wichtige Änderung vor, über die im Netz nun viel diskutiert wird. Fakt ist zumindest: Der Titel ergibt plötzlich weit weniger Sinn.
Im Buch von Erich Maria Remarque stirbt die Hauptfigur Paul Bäumer im Oktober 1918 – das baldige Kriegsende zeichnet sich ab, seine Freunde sind zu diesem Zeitpunkt bereits alle tot. Im Heeresbericht ist von einem ruhigen Tag an der Front die Rede, im Westen sei nichts Neues zu vermelden.
Damit drückt der Roman aus, dass Einzelschicksale im Krieg keine Rolle spielen und nicht einmal eine Meldung wert sind.
Im neuen Netflix-Film stirbt Bäumer jedoch nicht in besagtem Oktober und das Publikum, das das Buch beziehungsweise die historischen Hintergründe kennt, fragt sich unweigerlich, ob der Protagonist hier womöglich das Kriegsende am 11. November 1918 um 11 Uhr erleben wird. Damit wird der Film zu einem regelrechten Thriller, der zum Mitfiebern einlädt.
Die Filmemacher unterstreichen so noch einmal auf besondere Weise die Sinnlosigkeit des Krieges, denn obwohl die Bedingungen des Waffenstillstands ausgehandelt sind, kämpfen die Soldaten weiter. Dabei ist jeder Flächengewinn ab hier schon umsonst, es gibt lediglich noch mehr Tote.
Nur eben ein Problem tut sich bei der Netflix-Adaption auf: Der Titel «Im Westen nichts Neues» passt zu diesem Film nicht mehr richtig. Der General nämlich veranlasst noch am 11. November 1918 einen Angriff kurz vor dem offiziellen Eintritt des Waffenstillstands, in dessen Verlauf es auf einen Schlag zahlreiche Tote (darunter Bäumer) gibt. Im Westen passiert diesmal also sehr wohl «Neues».
In sozialen Netzwerken wird diese Änderung gemischt aufgenommen. Ein Nutzer bezeichnet das Ende zwar als «grossartig», kommt aber zeitgleich zu dem Schluss:
Im Westen nichts Neues vernachlässigt somit den Aufhänger des Buchs und das ist bei so einem Klassiker schwer zu verzeihen.
— MadWolfbgh (@MVorbei) October 31, 2022
Der Film bräuchte einen anderen Titel, dann wäre er Top und sicher auch im Sinne von Remarque.
Noch viel strenger geht ein anderer User mit dem Netflix-Film ins Gericht. Hier ist das Fazit zu lesen: «Ein handwerklich sehr gut gemachter Antikriegsfilm, der mit der überragenden Buchvorlage erschreckend wenig zu tun hat, die Version von 1979 ist deutlich besser.»
Im Westen nichts Neues auf Netflix ist ein handwerklich sehr gut gemachter Antikriegsfilm der mit der überragenden Buchvorlage erschreckend wenig zu tun hat, die Version von 1979 ist deutlich besser
— Art Vanderley 🇺🇦 (@FloSamiam) October 28, 2022
Diese Person bezeichnet das Ende sogar als «ein bisschen verhunzt»:
Hab "Im Westen nichts neues" angeschaut. Der Film ist eine stabile 7/10 meiner Meinung nach. Gute Schlachtszenen, ein bisschen verhunztes Ende und ein komischer Schnitt. pic.twitter.com/bs82eWWUfb
— Poru (@Poru05753553) October 5, 2022