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Pilates im Fitnesscenter: Warum ich nie mehr da hingehe

Pilates.
Pilates ist nicht lustig. Wirklich nicht.Bild: Shutterstock

«Seid ihr heute nicht so gesprächig?» Darum gehe ich nie mehr ins Pilates

Ich habe sie immer noch nicht gefunden: die perfekte Sportart für mich. Also wage ich einen neuen Versuch. Dieses Mal geht es ins Pilates im Fitnesscenter.
05.10.2025, 13:5505.10.2025, 13:55

Kein super-hippes Velo-Studio, sondern die 0815-Fitnesscenterkette. Die Tür zum kargen Kursraum öffnet sich. Auffallend zielstrebig nehmen alle ihre Plätze ein. Etwa 40 Leute – Frauen und Männer jeden Alters.

Ich suche die Instruktorin. Alexandra ist auf den ersten Blick eher unauffällig. Klein, flink, durchtrainiert.

Pilates.
Instruktorin Alexandra ist bereit (Symbolbild).Bild: Shutterstock

Mätteli holen, Wasserflasche deponieren. Ich tue so, als ob ich genau wüsste, wie das hier läuft. Ein Teilnehmer hat sich schon ganz vorne gegenüber von Alexandra positioniert. Er strahlt bis über beide Ohren. Ich frage mich, wieso.

Die Stunde beginnt

Alexandra begrüsst uns übertrieben kollegial: «Na, geht es euch gut?» Dann bestimmter:

«Ich habe euch gefragt, wie es euch geht! Seid ihr heute nicht so gesprächig?»

Ich war noch nie in einer Sportstunde, in der die Menschen gesprächig waren.

Jetzt geht sie auf den Strahlemann in der ersten Reihe zu. «Wie ihr sicher noch wisst, hatte Gonzalo Geburtstag.» Alexandra stimmt langsam an:

«Haaaaaappy Biiiirthdaaaay toooo youuu!»

Ich schaue in gequälte Gesichter. Wir haben keine Wahl. Verhalten stimmt die Gruppe in Alexandras Gesang mit ein. Kennt hier überhaupt jemand Gonzalo?

«Haapppy Biiirhtdaaay dear Gonzaaaalooo, haaaapppy Birthday tooo youuu!»

Gonzalo strahlt noch ein wenig mehr. Er steht auf und bedankt sich überschwänglich – mehr bei Alexandra als bei der Gruppe.

Nun startet das Training. Schon bei der ersten Übung merke ich, Alexandra redet gern. Sehr gern. Sie kommentiert:

«Diese Übung kennt ihr gut.»

Ich kenne sie nicht. Ahnungslos versuche ich die Verrenkungen von Alexandra nachzumachen.

«Stellt euch an den Anfang der Matte, geht in die Knie.»

Es zieht in den Beinen.

«H A L T E N.»

Es zieht noch viel mehr.

«Ja, auch du Thomas. Schön, dass du wieder da bist.»

Ich versuche, zu eruieren, wer Thomas ist. Alexandra will mehr wissen:

«Wie waren deine Ferien?»

Im Gegensatz zu Alexandra reden die anderen in der Gruppe nicht so gern. Für Thomas gibt es keinen Ausweg, er muss sich melden. Er nuschelt etwas vor sich hin.

Alexandra geht zu ihm:

«Ich höre dich gar nicht!

HATTEST DU SCHÖNE FERIEN?»

Jetzt wissen alle, wer Thomas ist.

Unangenehm berührt und leicht ausser Atem erzählt er uns aus der hinteren Reihe von seinen Ferien in Südfrankreich. Er und seine Frau hatten ein Haus gemietet.

Aha.

Das Wetter sei durchzogen gewesen. Sie hätten trotzdem die meiste Zeit am Strand verbracht. Sehr gut gegessen hätten sie. Nur einmal seien sie auf eine Touri-Falle hereingefallen.

Nein!

Mehr kann Alexandra nicht aus ihm herausquetschen. Sie geht zurück zur Matte und zeigt die nächste Übung. Inzwischen befinden wir uns liegend auf dem Rücken, mit aufgestellten Füssen.

Alexandra schaut im Raum umher.

«Reto! Du machst die Übung falsch!»

Sie läuft zu Reto. Die ganze Gruppe folgt ihr mit den Augen. Alle wollen wissen, wer Reto ist und was er genau falsch macht.

Dann schreit Alexandra auch schon:

«KLEINERE BEWEGUNGEN!»

Reto ist ganz hinten in der rechten Ecke des Raums. Wahrscheinlich aus Gründen. Die Übung lässt alle maximal unvorteilhaft aussehen.

Der arme Reto. Jetzt schauen alle auf ihn.

Alexandra steht vor ihn hin und gibt Anweisungen. Reto gibt alles. Gut sieht es nicht aus. Alexandra feuert ihn an. Wir anderen sind froh, dass sie bei Reto ist.

Pilates.
Symbolbild: Der arme Reto.Bild: Shutterstock

Halbzeit

Ich schaue auf die Uhr. Die Zeit will nicht vergehen. Überraschenderweise wünsche ich mir mehr Sport und weniger Geplänkel. Die leidenden Gesichter um mich herum sprechen Bände. Eigentlich will hier niemand angesprochen werden.

Alexandra fragt in die Runde:

«Machen wir diese Übung schon gleich lange wie die letzte Übung?»

Niemand sagt etwas.

«Laura, was meinst du?»

Welche Laura?

«Ich höre dich so schlecht.»

Ah, jetzt sehe ich Laura. Sie zögert, zu antworten. Alexandra fragt nochmals nach.

«NEIN?»

Zu spät.

«Na dann machen wir nochmals zehn davon!»

Alexandra läuft durch die Gruppe. Sie hört nie auf, zu sprechen.

Das nächste Opfer ist Sabrina. Als Alexandra sie anspricht, zuckt Sabrina zusammen.

«Ha! Du hast wohl gedacht, ich weiss deinen Namen nicht mehr!»

Alexandra lacht und fügt hinzu:

«Das passiert mir nicht. Ich weiss genau, wer du bist.»

Sabrina ist anscheinend noch nicht lange dabei. Ob sie ein weiteres Mal kommen wird? Ich habe meine Zweifel.

Alexandra dreht sich wieder zur Gruppe:

«Ich bin so stolz auf euch, ihr macht so viele Fortschritte.»

«Gell, Reto!»

Die Übungen sind anstrengend. Aber was noch anstrengender ist: Die permanente Angst, von Alexandra herausgepickt und angesprochen zu werden.

Aufgeben ist keine Option, das würde alles nur noch schlimmer machen.
Aufgeben ist keine Option, das würde alles nur noch schlimmer machen.Bild: Shutterstock

Game Over

Nächste Übung. Alexandra kommt auf mich zu. Es war unvermeidlich. Ich bin in der Falle.

«Du bist neu.
Wie heisst du?»

Für einen kurzen Moment überlege ich mir, einen falschen Namen zu sagen. Bei Alexandra werde ich damit wohl kaum durchkommen. Ich gebe nach.

«Ich schaue jetzt mal, wie du die Übung machst.»

Bitte nicht.

«Zwischen Boden und Rücken darf kein Raum sein.»

Sie mustert mich.

«Drück dagegen! Das klappt noch nicht so richtig bei dir.»

Ja, das habe ich auch schon gemerkt, jetzt weiss es die ganze Gruppe. Ich lächle verlegen. Danke, Alexandra!

Als nächstes eine Übung für den Beckenboden. Markus hat Mühe, er ist direkt vor mir. Zu spät. Alexandra läuft schon auf ihn zu.

«Markus, du machst die Übung nicht richtig!»

Ich atme auf. Jetzt schauen alle zu Markus.

«Ich habe doch gesagt, die Hüften L A N G S A M bewegen»

Markus, jetzt mit hochrotem Kopf, gibt sich grosse Mühe.

«Komm, zeig mir, dass du es kannst.»

Kann er es? Alexandra schüttelt den Kopf. Er kann es nicht.

«Das müssen wir noch üben!»

Alexandra läuft weg. Die Beine von Markus brechen ein, er hat alles gegeben. Respekt, Markus!

Die Stunde ist zu Ende. Wir desinfizieren alle unsere Matten. Niemand sucht Augenkontakt. Alexandra betont, sie freue sich schon auf das nächste Mal.

Ich werde nicht noch einmal kommen. Ich habe zu grosse Angst, da Alexandra jetzt meinen Namen kennt.

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43 Kommentare
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Dr no
05.10.2025 14:11registriert Mai 2018
Nicht pilates ist das Problem, sondern alexandra.
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Lilolausig
05.10.2025 14:20registriert September 2019
Sorry, ich unterrichte seit 30 Jahren Pilates etc. So unterrichtet man nicht.
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Nix sagen
05.10.2025 14:14registriert August 2020
Ich bin auch seit kurzem im Gym angemeldet. Das was hier beschrieben wird, wäre mein Alptraum. Ich gehe extra früh um 7:30 damit ich ja wenig Menschen begegne. Lasst mich bloss in Ruhe in dem Moment. Frauen wie diese Alexandra wären mein Erzfeind.
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