Jüngst sorgte ein deutscher Wirt hierzulande für Aufregung. Sein Restaurant im deutschen Esslingen bei Stuttgart – etwa 180 Kilometer von der Schweizer Grenze entfernt – hat die getrennte Bezahlung der Beizen-Rechnung in seinem Gastrobetrieb verboten, wie die «Bild» berichtete.
Und: Auch bei Schweizer Gästen beobachte er diese «nervige Eigenart».
Doch sind es wirklich nur die Gäste, die für Gastro-Gezeter sorgen – oder nicht auch die Betreiber selbst? CH Media hat sich bei Kundinnen und Kunden umgehört – und listet fünf besonders nervige Restaurant-Situationen auf.
Der Abend war angeregt, die Stimmung gut unter den rund 30 Vereinsmitgliedern, die sich zum Nachtessen im Restaurant Riithalle in Zürich versammelt hatten. Jedenfalls bis zum Zeitpunkt, als es ums Bezahlen ging. Sie wollten alle getrennt abrechnen, das Restaurant lehnte dies ab. «Das war dann super mühsam», erinnert sich die Organisatorin, die gezwungenermassen den Gesamtbetrag beglich und dann das Geld bei den restlichen 29 Personen eintreiben musste.
Sie hätte vorgewarnt sein können. Jedenfalls werden die Gäste bei der Online-Reservation schon darauf hingewiesen, dass das Restaurant «ab 12 Personen kein Einzelinkasso mehr» anbiete und alles mittels einer Gesamtrechnung verrechnet werde. «Das hatte ich nicht gesehen», sagt die CH-Media-Leserin.
Gastronom Daniel Wiesner zeigt hier ein gewisses Verständnis für seine Branche. «Einzelinkasso braucht einfach sehr viel Zeit», sagt er auf Anfrage. «Und es führt dazu, dass andere Gäste warten müssen.» Persönlich verzichtet er jedoch in seiner Gastro-Gruppe, die hierzulande 29 Restaurants betreibt, auf solche Einschränkungen. «Wer getrennt zahlen will, kann bei uns getrennt zahlen» – ganz regulär beim Servicepersonal oder digital, und damit ganz ohne fremde Hilfe.
Denn beim Tisch finden die Gäste in Wiesners Negishi-, Nooch- oder Miss-Miu-Restaurants jeweils einen QR-Code, über den sie nicht nur die digitale Menükarte abrufen können, sondern auch zur Zahlungsfunktion gelangen. So könne jeder am Tisch seinen Betrag bezahlen. «Am Mittag zahlt bereits über die Hälfte unserer Gäste ihre Rechnung so», sagt Wiesner. «Denn es geht für alle schneller.»
Im Zentrum stehe das Wohl des Gastes, sagt Patrik Hasler-Olbrych, der den Branchenverband Gastrosuisse ad interim führt. Wie diesem – etwa auch bei den Zahlungsmodalitäten – am besten gedient sei, müsse jeder Restaurantbetreiber für sich selber entscheiden.
Es war an einem Juliabend, als die Gruppe bestehend aus fünf Erwachsenen und sechs kleineren Kindern in der Zermatter Pizzeria Casamia einkehrte: Sie bestellten ihr Essen, wobei sich fünf der sechs Kinder drei Pizzen teilen wollten. Hierfür berechnete das Restaurant, dessen Leitspruch «Ihre Zufriedenheit ist unsere Passion» lautet, pro geteilte Pizza einen Zuschlag von 6 Franken. «Bei Kindern ist das schon sehr frech», sagt eine Leserin von CH Media, die zur besagten Gruppe gehörte.
Das Casamia ist kein Einzelfall. Auch etwa die Trattoria Rotes Haus im aargauischen Brugg verlangt beim Teilen einer Pizza einen Zuschlag, wenn auch von «nur» 3 Franken. «Mit dem Aufpreis bezahlen die Kundinnen und Kunden das Gedeck und den Service», hielt der Wirt gegenüber der «Aargauer Zeitung» fest. Doch er gewährt nach eigenen Angaben auch Ausnahmen: Bei einer grossen Gruppe etwa, die mehrere Getränke oder sogar Runden bestelle und dem Lokal Gewinn bringe, werde der Aufpreis nicht erhoben.
Für Gastrosuisse-Interimschef Hasler-Olbrych ist es entscheidend, dass solche Aufpreise fürs Teilen von Speisen transparent kommuniziert werden. «Der Gast muss wissen, was ihn erwartet.»
Der Gastrounternehmer Adrian Iten wiederum begrüsst grundsätzlich solche Massnahmen. «Die Margen in der Gastronomie sind sehr dünn, mehr als die Hälfte der Restaurantbetriebe macht buchhalterisch rückwärts», sagt der Gründer der populären Berner Bar Adrianos und des gleichnamigen Kaffeelieferanten. Viele Betreiber könnten nur überleben, weil ihnen etwa die Liegenschaft gehöre oder sie sich keinen anständigen Lohn auszahlten. Er persönlich würde deshalb die Einführung eines «Coperto» in der Schweiz nach italienischem Vorbild begrüssen. Im südlichen Nachbarland zahlen Gäste für Gedeck, Brot, Olivenöl und allenfalls auch Wasser einen fixen Betrag pro Kopf.
Einen solchen Systemwechsel einzuführen, braucht Mut. «Aber wir Gastronomen sollten grundsätzlich mutiger werden», sagt Iten. Vielleicht gebe es zu Beginn Reklamationen und harsche Kritik, einige würden sich vielleicht abwenden. Aber wenn das Produkt stimme, also Essen, das Ambiente und der Service, dann würden die Gäste weiterhin kommen.
Gemäss der letzten Erhebung des Branchenverbands Gastrosuisse aus dem Jahr 2021 verlangen 38 Prozent aller Restaurants in der Schweiz für Hahnenwasser Geld. Die meisten berechnen dabei einen Betrag von 1 bis 5 Franken. In den Städten dürfte der Anteil der Beizen, die das Wasser aus dem Wasserhahn verkaufen, höher liegen. In den grösseren jedenfalls hat sich das kostenpflichtige Hahnenburger eingebürgert. Zum Teil offerieren Restaurants gar kein Hahnenwasser und verkaufen nur Mineralwasser. Das kostet gewöhnlich eine Stange Geld – und sorgt regelmässig für Debatten.
Einer, der sich gegen den Trend stemmt, ist Daniel Wiesner. In einem Social-Media-Video, das er im Frühjahr lanciert hatte, hält er fest: «Wasser ist in all unseren Restaurants gratis». Auf Nachfrage zeigte er damals zwar Verständnis für andere Gastronomen, schliesslich handle es sich um eine Dienstleistung, die mit Arbeit verbunden sei. Dennoch gebe es Grenzen. «3 bis 5 Franken pauschal pro Person finde ich in Ordnung, mehr nicht.» Falls die Kundschaft jedoch bereits eine Cola oder ein Glas Wein bestellt hätte, sollte das Hahnenwasser nicht noch zusätzlich etwas kosten.
Mit dem Vormarsch digitaler Zahlungsmittel hat sich auch der Umgang mit Trinkgeld respektive die damit verbundene Erwartungshaltung verändert. Früher rundeten die Gäste mehr oder weniger grosszügig den geforderten Betrag auf und legten auch mal ein Extra-Nötli hin, heute macht die Maschine Druck: Wie viel Trinkgeld soll es denn sein? 10 Prozent? 15 Prozent? Oder gar 20 Prozent? So jedenfalls steht es auf etlichen Terminals, wenn die Gäste mit Karte oder Twint zahlen.
Das wiederum empfinden viele Gäste als Nötigung, als Trinkgeldzwang. «Das ist wie in den USA», ärgert sich ein Gast. «Ich bin gezwungen, ein Trinkgeld zu geben.» Das stimmt jedoch nicht: Die Restaurant-, Bar- oder Wurststandbesucher können den Zahlungsvorgang auch ohne Trinkgeld abschliessen, doch die Optionen «Kein Trinkgeld», «Überspringen» oder «Manuelle Eingabe», die dann auch mit null quittiert werden kann, sind zugegebenermassen oft weniger gut ersichtlich.
Adrian Iten, der in seiner Adrianos-Bar in Bern im Oktober 2024 auf Cashless umgestellt hat, will jedenfalls nichts davon wissen. Er verzichtet auf so eine Aufforderung – weil sein Kassensystem dies nicht erlaubt, aber auch, weil er das prinzipiell nicht gut findet.
Trinkgeld ist freiwillig, wie auch Hasler-Olbrych betont. «Es ist eine Anerkennung der Leistung der Mitarbeitenden.» Klar ist aber auch, dass diese Wertschätzung in Cash-Zeiten besser abgegolten wurde als beim Zahlen mit Karten und Twint. Das mussten auch die Itens Adrianos-Mitarbeitende erfahren: Mit der Umstellung auf eine bargeldlose Bar sanken die durchschnittlichen Trinkgeldeinnahmen pro Kopf und Stunde von 4 Franken auf 2.50 Franken. Seitdem sei der Betrag wieder gestiegen, und er werde wieder aufs alte Niveau steigen, zeigt sich Iten überzeugt. Bis es soweit sei, zahle der Betrieb die Differenz.
Was in Metropolen wie London oder New York bereits gang und gäbe ist, macht vermehrt auch in der Schweizer Gastronomie Schule: Tischreservationen gelten nur für ein bestimmtes Zeitfenster. In der Branche ist von «Double Seatings» die Rede, also von der doppelten Platzierung an einem Tisch zu Stosszeiten. So können Restaurants während der Brunch-, Mittags- oder Abendessen-Phase eine Art Zwei-Schicht-Betrieb durchziehen.
Insbesondere in Zürich mehren sich die Fälle (CH Media berichtete). Dort begrenzen Restaurants wie etwa das libanesische Simsim, das vietnamesische Co Chin Chin und das italienische Napulé die Aufenthaltsdauer der Gäste – meist auf zwei Stunden. Gleich geht es auch den Gästen der Jacks Brasserie im noblen Berner Schweizerhof.
Die Gäste kann es stressen, die Restaurants versprechen sich davon mehr Rentabilität und Planungssicherheit. So hat die Pizzakette Napulé laut Sprecherin Silvia Acerra in all ihren Restaurants am Mittag und Abend Zeit-Limiten bei den Tischreservationen implementiert, «um die Effizienz zu steigern, Wartezeiten zu minimieren und einen reibungslosen Ablauf für die Kundinnen und Kunden zu gewährleisten». Man lasse aber bewusst täglich einige Tische pro Betrieb frei, um spontanen Gästen die Gelegenheit zu bieten, ohne Reservierung die Pizzeria zu besuchen.
Auch das soll im getakteten Alltag noch möglich sein.
Ich hole selber und soll noch Trinkgeld geben 👎
Als wir uns hinsetzten, stellte der Wirt uns zwei Gläser mit Wasser hin, und fragte uns was wir wollten. Es wird unsere neue Stammbeiz in langenthal werden.
Es gibt auch gute Beispiele.