Zum ersten Mal haben Forschende einem Menschen eine Schweinelunge transplantiert. Laut einer am Montag veröffentlichten Studie blieb das Organ im Körper des hirntoten Mannes neun Tage lang funktionsfähig, bevor das Experiment auf Wunsch der Familie beendet wurde.
Das chinesische Team setzte die linke Lunge eines Schweins am 15. Mai 2024 im Spital der Universität Guangzhou in China einem 39-jährigen Mann ein. Dieser hatte 16 Tage zuvor eine Hirnblutung erlitten und galt seitdem als hirntot. Damit der menschliche Körper das Organ nicht sofort abstiess, wurde das Erbgut des Schweins an sechs Stellen verändert.
Die Xenotransplantation, also die Übertragung von Organen von einer Spezies auf eine andere, gilt als mögliche Lösung für den Mangel an Spenderorganen beim Menschen. Schweineherzen, -nieren und -lebern waren in Versuchen bereits in Menschen transplantiert worden.
Die Lunge sei aber ein sehr komplexes Organ, erklärte Swisstransplant-Direktor Franz Immer der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Abstossungen, aber auch mögliche Infektionen gelte es zu verhindern.
Wie die Forschenden nun in der im Fachmagazin «Nature Medicine» veröffentlichten Studie berichten, wurde die Schweinelunge nicht sofort vom menschlichen Immunsystem abgestossen. Bereits nach 24 Stunden kam es allerdings zu einem starken Lungenödem. Am dritten und sechsten Tag beobachteten sie zudem Anzeichen einer antikörpervermittelten Abstossung, bei der das Immunsystem des menschlichen Empfängers Antikörper gegen die Schweinelunge bildete. Diese Antikörper verursachen Entzündungsreaktionen und Zellschädigungen im transplantierten Organ.
Am neunten Tag besserte sich der Zustand teilweise – die Abwehrreaktion ging zurück. Auf Bitten der Familie des Patienten wurde das Experiment aber zu diesem Zeitpunkt abgebrochen. Vor dem Eingriff hatten die Angehörigen eine schriftliche Einverständniserklärung für die Operation erteilt.
Die Ergebnisse demonstrieren laut den Forschenden die Machbarkeit solcher Lungen-Xenotransplantationen. Dennoch betonen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in der Studie, dass erhebliche Herausforderungen weiterhin bestehen.
Auch Immer warnte vor falschen Hoffnungen. «Solche Transplantationen können wir im nächsten Jahrzehnt nicht standardmässig anbieten», stellte er klar. Die Studie zeigt laut Immer aber gut auf, welche Probleme eine Xenotransplantation einer Lunge mit sich bringen würde.
Es werde zwar im Moment viel darüber geforscht und publiziert, noch sei der Weg bis zur klinischen Anwendung aber weit. «Wenn man die Ergebnisse mit jenen von etablierten Transplantationen mit menschlichen Organen vergleicht, haben sie doch noch einen grossen Rückstand.»
Trotzdem sieht auch der Swisstransplant-Direktor in Xenotransplantationen grundsätzlich grosse Chancen. «Wenn das tatsächlich in die Klinik käme, könnten damit viele Menschenleben gerettet werden», so Immer.
Dabei schätzt er jedoch die Bedeutung anderer Organe höher ein als die der Lungen. Bei der Leber etwa. Wenn diese versagt, gibt es laut Immer kaum eine andere Möglichkeit, als die Leber so schnell wie möglich zu ersetzen. Bis eine passende Leber von einem verstorbenen Spender verfügbar ist, könnte die Transplantation einer Schweineleber als temporäre Überbrückung dienen. (sda)