Leben
International

Feeding our Future: Gründerin Aimee Bock und 47 weitere Leute angeklagt

Statt hungrigen Kindern zu helfen, kaufte sich diese amerikanische NGO lieber Autos

Anstatt während der Pandemie hungrigen Kindern Essen zu servieren, zockte die NGO «Feeding our Future» dem amerikanischen Staat mutmasslich 240 Millionen US-Dollar ab – und kaufte sich damit Autos, Schmuck und Waffen.
21.09.2022, 19:2922.09.2022, 14:36
Anna Böhler
Folge mir
Mehr «Leben»

Die Gründerin der NGO «Feeding our Future» und 47 weitere Personen müssen sich in den USA vor Gericht verantworten. Sie sollen 240 Millionen US-Dollar vom Staat eingefordert und abkassiert haben unter dem Vorwand, bedürftige Kinder im Bundesstaat Minnesota mit Essen versorgen zu wollen.

Die Staatsanwaltschaft spricht vom bisher grössten entdeckten Betrug mit Corona-Hilfsleistungen. Nachdem zu Beginn des Jahres Anschuldigungen publik gemacht wurden, löste sich die Firma auf. Am Dienstag startete der Prozess – hier erfährst du, worum es dabei genau geht.

Wie alles begann

Die Non-Profit-Organisation «Feeding our Future» mit Sitz in Minnesota wurde 2016 von Aimee Bock gegründet, mit dem Ziel, die staatliche Nahrungsmittelhilfe für kleinere, gemeinnützige Organisationen, Kindertagesstätten und religiöse Organisationen zu verwalten. 2019 erhielt die NGO ungefähr 3,4 Millionen Dollar staatliche Gelder – bis im Jahr 2021 erhöhte sich dieser Betrag auf 200 Millionen US-Dollar. Insgesamt soll «Feeding our Future» mehr als 240 Millionen Dollar aus dem nationalen «Child Nutrition Program»-Fonds entwendet haben.

Mit dem Beginn der Corona-Pandemie wurde die Situation der Familien in Armut noch brenzliger und der Staat erhöhte die Hilfsgelder um mehrere Milliarden US-Dollar.

So wurde Geld entwendet

Die hohe Geldsumme von 240 Millionen Dollar wurde nur erreicht, weil die Angeklagten angaben, täglich tausende Kinder mit Nahrung zu versorgen. Damit hätten sie zahlenmässig zu den grössten Organisationen im Bereich der Nahrungsmittelhilfe gehört. Den Beweis dafür lieferten sie in Form von falschen Rechnungen und Listen mit Namen der erfundenen Kinder, die anscheinend jeden Tag zum Essen gekommen sein sollen. Wie die New York Times berichtet, soll die Organisation Quittungen für 125 Millionen Portionen Essen gefälscht haben.

Einer der Beschuldigten soll sogar angegeben haben, er habe pro Tag 5'000 Kindern geholfen – die angegebene Adresse führte die Ermittler zu einem ganz normalen Apartment im zweiten Stock.

Andere Beschuldigte wiederum verwendeten für die gefälschten Teilnehmer-Listen beispielsweise die Webseite listofrandomnames.com, die willkürliche Namen generiert.

Ausgegeben haben die Beschuldigten das Geld für Liegenschaften in den Vereinigten Staaten, der Türkei und in Kenia. Das Justiz-Departement hat nun vor, viele der Käufe zu beschlagnahmen, darunter mehr als 20 Autos, über 40 Grundstücke sowie Waffen und Kryptowährungen.

Die Insiderin

Mit dem Start der Pandemie und der Erhöhung der zugesicherten Gelder wurde die Kontrolle der ausführenden Organisationen jedoch nicht – wie man vielleicht erwarten könnte – verstärkt. Vielmehr hatte man von nun an einen schlechteren Überblick über die gesponserten Gelder und die Regeln wurden gelockert.

So mussten Staatsangestellte beispielsweise nicht mehr persönlich vor Ort überprüfen, wo das Essen verteilt wurde. Die Verantwortung wurde übertragen an sogenannte Watchdog-Organisationen, wie beispielsweise «Feeding our Future». Diese Watchdogs erhielten die Zahlungen vom Staat und hatten den Auftrag, es an die operierenden Organisationen weiterzuleiten und somit sicherzustellen, dass nicht betrogen wird.

Abgeschirmt von staatlicher Kontrolle durch die Gründerin Aimee Bock, konnten laut Anklageschrift sechs Gruppen auf ähnliche Art und Weise mit der Veruntreuung des Geldes beginnen. Sie registrierten innert kürzester Zeit unzählige NGOs und andere Organisationen, die sie als Nahrungsmittel-Hilfsorganisationen deklarierten. Überwacht wurden sie vom mutmasslich korrupten Watchdog «Feeding our Future».

Wie sie überführt wurden

Bereits zu Beginn dieses Jahres wurde der Verdacht laut, «Feeding our Future» hätte staatliche Gelder veruntreut. Die Ermittler kamen dahinter, weil die Liste der teilnehmenden Kinder auffiel, da darauf die immer gleichen Namen standen – Tag für Tag, Woche für Woche, so der Staatsanwalt des Bundesstaats Minnesota gegenüber der «New York Times». In der Realität ist es jedoch höchst unwahrscheinlich, dass tausende von Kindern immer anwesend sind ohne jegliche Krankheitsausfälle oder anderweitigen Absenzen.

Weil in so kurzer Zeit so viele neue Organisationen an «Feeding our Future» angekoppelt wurden, schöpfte die Verwaltung Minnesotas bereits 2020 Verdacht und wollte die NGO genau im Auge behalten und hielt neue Projekte der Firma zurück. Daraufhin erhob «Feeding our Future» im November 2020 Anklage und behauptete, der Staat würde mit diesen Vorsichtsmassnahmen die Unterstützung hilfsbedürftiger Kinder verunmöglichen. Weil es sich dabei vor allem um Kinder von afrikanischstämmigen Familien handelte, wurde dem Staat zudem Diskriminierung vorgeworfen.

Weil die Beweise gegen «Feeding our Future» vor Gericht nicht ausreichten, flossen weiterhin grosse Summen in die NGO. Im April 2021 wandten sich die frustrierten Beamten des Bundesstaats Minnesota an das F.B.I., bis sie sich endlich auf nationaler Ebene Gehör verschaffen konnten und ernst genommen wurden.

Das droht den Angeklagten

Das Justiz-Departement erhebt gegen 48 Personen Anklage in verschiedensten Belangen: Internetbetrug, Bestechung im Zusammenhang mit staatlichen Programmen und Geldwäsche. Am Dienstagmorgen wurde bereits eine unbekannte Anzahl Personen in diesem Zusammenhang verhaftet – einige der Angeklagten sollen sich laut «CNN» zurzeit nicht in den USA aufhalten, weil sie bereits geflüchtet sind. Die Gründerin von «Feeding our Future» Aimee Bock streitet ihre Schuld vor Gericht bisher ab.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
45 Jahre später: Opfer von US-Serienkiller identifiziert
1 / 9
45 Jahre später: Opfer von US-Serienkiller identifiziert
Ein vor etwa 45 Jahren von einem Serienmörder in den USA getöteter Mann ist jetzt dank eines Backenzahns und moderner DNA-Technologie identifiziert worden. John Wayne Gacy (hier auf einem Foto aus dem Jahr 1978) war 1980 wegen Vergewaltigung und Mordes an 33 Jungen und jungen Männern schuldig gesprochen worden. 1994 wurde mit einer Giftspritze hingerichtet.
quelle: keystone
Auf Facebook teilenAuf X teilen
US-Starmoderator Jimmy Fallon basht die neuen Migros-Kaffee-Kugeln
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
24 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Realmasterofdesaster
21.09.2022 20:17registriert September 2017
Ich verfolge diese Story seit längerem, einfach nur zum 🤮 unter dem Mäntelchen gutes tun, abzocken ist hanebüchen… so vertraut niemand mehr einer sozialen Einrichtung, welche es immer braucht… gut werden sie angeklagt
1194
Melden
Zum Kommentar
avatar
Hierundjetzt
22.09.2022 00:08registriert Mai 2015
Wow.

Ein Betrüger klagt weil der Betrogene kein Geld mehr zahlt.

Und erhält Recht

Das ist nicht mal mehr abartig dreist sondern high end
651
Melden
Zum Kommentar
avatar
ingmarbergman
21.09.2022 20:02registriert August 2017
Amerika, das Land wo Sozialhilfe an private Organisationen ausgelagert wird, damit die Steuern von Milliardären gesenkt werden können..
220
Melden
Zum Kommentar
24
U-Haft für AfD-Mitarbeiter wegen China-Spionageverdachts

Der wegen Spionageverdachts für China festgenommene Mitarbeiter des AfD-Europaabgeordneten Maximilian Krah ist in Untersuchungshaft.

Zur Story