Am 18. Juni 2023 startete eine Expedition zum Wrack der Titanic. Die fünf Männer an Bord des U-Boots Titan – darunter OceanGate-CEO Stockton Rush – tauchten aber nie wieder auf.
Die Mission scheiterte fatal – eineinhalb Stunden nach dem Start des Tauchgangs implodierte das Tauchboot. Viele falsche Entscheidungen und Wendungen in der Vergangenheit haben zu diesem tödlichen Ereignis geführt.
Nicht eine, sondern gleich drei Dokumentationen über die Titan-Tragödie sind kürzlich herausgekommen. Alle zeichnen ein ähnliches Bild und erzählen von einem narzisstischen Geschäftsführer. Rush wollte wie Jeff Bezos oder Elon Musk sein, hatte aber statt des Mars die Ozeane im Visier.
Die Dokumentationsfilme von ZDF, Netflix und Discovery zeigen auf, was alles schiefgelaufen ist. Hier kommen die wichtigsten Punkte.
Rush träumte davon, Leute zur Titanic zu bringen und dafür ein U-Boot zu bauen, das mit billigeren und leichteren Materialien in solche Tiefen vordringen konnte. Das sollte eine Massenproduktion und eine breitere Nutzung ermöglichen.
Er entschied sich dafür, sein Tauchboot aus Kohlefaser zu bauen. Ein starkes Material, das leichter und billiger als Titan ist, was normalerweise für Tiefsee-Tauchboote verwendet wird. Aber es ist auch weniger haltbar, was erhebliche Risiken mit sich bringt.
«Wenn man den Traum von einem Kohlefasertauchboot verwirklichen kann, kann man den Preis senken und plötzlich ganze Flotten dieser Tauchboote auf der ganzen Welt einsetzen», erklärt der «Wired»-Journalist Mark Harris in der Dokumentation. «Es ist nicht wie bei Metall. Kohlefaser ist extrem eigenwillig, weil die kleinen Fasern darin brechen können. Und dieses Knacken erzeugt tatsächlich ein Geräusch.»
Das Knacken der Kohlefasern in den Aufnahmen von Titans diversen Tauchgängen gehört zu den nervenaufreibendsten Details des Dokumentarfilms. Rush versuchte, sie als natürlich auszugeben, doch Fakt ist: Es ist ein Bruch im Material, auch wenn er noch so klein ist. Mehrere tausend Meter unter Wasser ist das fatal.
Mit der Zeit wurden die Probleme des Materials deutlich. Zum einen war Kohlefaser noch nie in extremen Tiefen getestet worden und konnte daher nicht als sicher nachgewiesen werden. Und zum anderen lässt die Integrität des Materials bei wiederholtem Gebrauch deutlich nach.
OceanGate hat zwar eine Handvoll erfolgreicher Tauchgänge zur Titanic durchgeführt, aber laut Rob McCallum, einem ehemaligen Expeditionsleiter, ist das kein Hinweis auf langfristigen Erfolg.
«Es gab keine Möglichkeit zu wissen, wann es scheitern würde, aber es war eine mathematische Gewissheit, dass es scheitern würde», behauptet er in dem Dokumentarfilm.
Auch die Lagerung des U-Boots stellte ein Problem dar. Ende 2022 hatte die Titan rund 80 Tauchgänge absolviert, und auf dem letzten wurden bei der Überwachung schwerwiegende akustische Anomalien festgestellt.
Anstatt die Titan am Ende der Expeditionssaison 2022 inspizieren zu lassen, wurde das U-Boot über den Winter auf einem Parkplatz abgestellt und war den Elementen ausgesetzt. In dieser Zeit drangen Wasser und Schnee in die Fasern des Materials.
Um zahlende Passagiere auf einem Tauchboot mitnehmen zu können, muss das Schiff «klassifiziert» sein, sprich von einer dritten Partei als sicher zertifiziert werden. Da das bei der Titan nicht der Fall war und Rush kein Interesse hatte, das zu ändern, musste Rush Umgehungslösungen finden, um Menschen auf Expeditionen mitzunehmen.
Die Regeln für den Betrieb von Schiffen unterscheiden sich danach, ob jemand ein Besatzungsmitglied oder ein zahlender Passagier ist. Nach dem US-Gesetz ist es weniger schlimm, wenn ein Besatzungsmitglied getötet wird. Deswegen wurden alle Passagiere an Bord der Titan als «Missionsspezialisten» eingestuft.
Als «Missionsspezialist» haben die Teilnehmer der Exkursion «kein Ticket gekauft, sondern einen von Rush festgelegten Geldbetrag an OceanGate gespendet, um ihre eigene Mission zu finanzieren», erklärt McCallum. Dieser Betrag belief sich bei der letzten Mission auf eine viertel Million US-Dollar.
Ausserdem mussten die Teilnehmer Verzichtserklärungen unterschreiben, die besagten, dass sie auf einem «experimentellen» und nicht klassifizierten Schiff unterwegs waren und dass sie sterben könnten.
Fast jeder, der bei OceanGate gearbeitet hat, beschreibt Rush in einer Form als arrogant, stur und unbeugsam. In der Netflix-Dokumentation bezeichnet Tony Nissen, ehemaliger technischer Leiter von OceanGate, ihn als «klinischen Psychopathen», der «definitiv ein Narzisst» war. Dieser Narzissmus, gepaart mit einem Mangel an Verständnis für die Risiken der Titan, führte zu einem eisernen Glauben an seine eigene Schöpfung.
Als Rush immer mehr Mitarbeitende entliess, die Sicherheitsbedenken äusserten, begann er, jüngere Ingenieure einzustellen, von denen viele gerade erst ihr Studium abgeschlossen hatten. Also Leute, die ihm nicht widersprachen.
David Lochridge, der bei OceanGate als Direktor für Schiffsbetrieb tätig war, fasst Rushs Personalität so zusammen: «[Rush] wollte Ruhm. In erster Linie, um sein Ego zu stärken. Ruhm. Das war es, was er wollte, und er hat es bekommen.»
Nachdem Rush 2018 seinen Piloten entlassen hatte, wollte er unbedingt eine Frau für die Position als Hauptpiloten. Seine Wahl fiel auf Bonnie Carl, die zu diesem Zeitpunkt die Finanzdirektorin der Firma war und keinerlei Ingenieur-Kenntnisse, geschweige denn Erfahrung in diesem Bereich hatte.
In der Netflix-Doku erzählt sie, dass Rush damals sagte: «Das wird grossartig werden. Wir werden einen weiblichen Piloten haben. Das wird bei den Medien gut ankommen.» Doch Carl empfand die Aktion als irre und verliess kurze Zeit später OceanGate.
Die Dokumentationen zeigen Aufnahmen der Untersuchungen der Küstenwache zum Unfall. In einer Anhörung sagt ein ehemaliger OceanGate-Mitarbeiter aus, dass Rush ihm gesagt habe, er sei bereit, «einen Kongressabgeordneten zu bestechen», um alle rechtlichen Probleme aus der Welt zu schaffen.
Um die US-Gesetze zu umgehen, soll Rush auch bewusst unter der Flagge der Bahamas getaucht sein und das U-Boot von Kanada aus gestartet haben. Diese Behauptung spricht für die Rücksichtslosigkeit von Rush, die viele ehemalige Mitarbeiter in den Dokumentarfilmen ansprechen.
Die Hinterbliebenen der Opfer haben bis heute keine Stellungnahme von OceanGate erhalten. Vergangenes Jahr hat die Familie des verstorbenen Paul-Henri Nargeolet, einem französischen Tiefseeforscher, Klage gegen OceanGate wegen widerrechtlicher Tötung eingereicht und verklagte die Firma auf 50 Millionen Dollar.
Die Untersuchungen der Küstenwache sind bisher nicht abgeschlossen und laufen immer noch.
ZDF Mediathek: Titan – Todesfahrt zur Titanic
Netflix: Titan: Die OceanGate-Katastrophe
Discovery: Implosion: The Titanic Sub Disaster
Da fängt die Moggelpackung doch schon an!
Wieso klingeln bei solchen Sätzen bei den Passagieren nicht alle Glocken? Irgendetwas machte auch sie völlig unvorsichtig. Der Reiz des Extremen? Ich kann es jedenfalls nicht nachvollziehen.