Vor einigen Tagen flatterte eine Nachricht in meine Mailbox. Die Betreffzeile: «Männer mögen ihn, Frauen nicht – Whisky».
Darin führte eines der grössten Schweizer Online-Warenhäuser Erkenntnisse aus seinen Verkaufs- und Kundendaten auf und kam zum Schluss: Whiskykäufer sind fast immer männlich. Und meist in fortgeschrittenem Alter.
Gewiss, es handelte sich hierbei um eine Promo-Mail der Sorte, wie wir es im News-Bereich vermehrt zu tun bekommen: Irgendein Teilaspekt irgendeines Produkts wird so verpackt, dass es vage an eine News-Meldung erinnert (in der Hoffnung, dass wir über das Produkt berichten). Meist bin ich immun gegen solche kaum verhüllten Versuche einer Gratiswerbung für ein Produkt – doch diesmal wurde ich getriggered.
Weil ich (männlich – und ein alter Sack) somit passgenau die Zielkundschaft personifiziere? Vielleicht. Vielmehr nerven mich nun mal Gender-Klischees. Nichts widert mich so sehr an wie das ganze «Frauen gehen gerne shoppen, Männer gucken Fussball», «Frauen sind von der Venus, Männer vom Mars» und artverwandten Blödsinn. Die Analogie bei Drinks wäre, dass Männer edle Brände bevorzugen, während Frauen auf alles abfahren, was süss und fruchtig und spritzig und von Vorteil in bunten Farben daherkommt. Jö.
Damn the clichés! Zumal sie in meiner subjektiven Wahrnehmung gar nicht zutreffen. Hey, zumindest wenn ich an meinen Bekanntenkreis denke, merke ich, wie oft Frauen explizit Whisky gegenüber anderen Spirituosen bevorzugen. Und vor einigen Jahren war ich doch an jener «Männermesse» (uff, ja, it's a thing) – und siehe da: Mit wem endete ich unversehens an der Whisky-Bar? Mit einer Gruppe Frauen.
Q. e. d.: Frauen mögen sehr wohl Whisky.
Und doch lügen die nackten Zahlen nun mal nicht. Whisky ist in der Schweiz ein Wachstumsgeschäft, gerade für den Onlinehandel. Schuld daran ist aber nicht etwa ein sich vergrössernder Anteil an weiblicher Kundschaft oder ein jugendlicher Nachwuchs. Um die Zahlen des erwähnten Onlineshops (okaaaay, es ist Galaxus) als Beispiel zu nennen: Weit mehr als 80 Prozent der Whisky-Verkäufe werden von Männern getätigt. Zudem: Mehr als jede zweite Whiskyflasche landet im Briefkasten eines Herrn über 44. Derweil gehen nur gerade zwei (2!) Prozent aller Whisky-Bestellungen auf das Konto von Personen unter 24 Jahren.
Dem gegenüber stehen diverse bekannte Statistiken, die belegen, wie Alkoholkonsum bei Frauen am Ansteigen ist – gerade bei der jungen Generation (mit zuweilen mit bedenklichen Folgen für die Gesundheit und Gesellschaft). Bei Whisky trifft dies aber nicht zu.
Weil FrAuEn kEiNeN WhiSkY mÖgEn.
Okay. Ich beuge mich also der statistischen Realität und akzeptiere die Prämisse. Nun stellt sich die Frage, weshalb? «Because whisky is an acquired taste», antwortet spontan eine Freundin. Ein «erworbener» Genuss; ein Geschmack, den man sich angewöhnen und aneignen muss. Analog wie Bier, also. Wenn wir als Teenies beginnen, Alkohol zu trinken, mögen wir den Geschmack von Bier nicht wirklich. Wir mögen das Konzept des Biertrinkens. Sie habe erst mit 30 angefangen, Whisky zu trinken, so meine Freundin weiter. Fein. Dies erklärt vielleicht die Ausrichtung auf ältere Konsumenten, nicht aber das Geschlechterungleichgewicht.
Ist am Ende etwas anderes, etwas Unterschwelligeres, gar etwas Finstereres, am Werk? Ich habe da eine Vermutung:
Schliess mal die Augen – welche Bilder kommen dir spontan in den Sinn, wenn du an den Begriff «Whisky» denkst? Lass mich raten: Lederne Klubsessel. Kaminfeuer. Zigarren.
Und: Und wer ist es, der den Whisky trinkt?
Jupp – ein Typ. Meistens ein bärtiger Typ.
Glückwunsch – du hast soeben die Bildsprache der Whisky-Werbung aus einem ganzen Jahrhundert heraufbeschworen! Ob es die Latzhosen-Opas von Jack Daniels sind oder Jude Law und Giancarlo Giannini für Johnnie Walker – seit Jahr und Tag wird einem eingetrichtert, wie männlich Whiskygenuss doch sei.
Hunderte Jahre Imagepflege lassen sich nun mal nicht wegdiskutieren.
Oder etwa nicht? Verehrte Damen – ich möchte bitte eure Meinung hören!
(Dafür gibt's die Kommentarspalte.)
Change my mind.
Please.