Sie sind gross, klein, prall, rund oder oval – Brüste. 64 explizite Bilder davon hängen derzeit auf diversen Plakaten und kursieren auf Twitter.
Dahinter steckt Adidas. Der deutsche Sportartikelhersteller wirbt mit nackter Haut für Sport-BHs in 72 verschiedenen Grössen.
We believe women’s breasts in all shapes and sizes deserve support and comfort. Which is why our new sports bra range contains 43 styles, so everyone can find the right fit for them.
— adidas (@adidas) February 9, 2022
🔗 Explore the new adidas sports bra collection at https://t.co/fJZUEjvopQ#SupportIsEverything pic.twitter.com/CESqmsXOwI
Werbeexpertinnen sind empört, das Internet feiert. Natürlich: Adidas greift tief in die Werbetrickkiste. Blut, Busen und Büsis funktionieren immer. Die Aufmerksamkeit ist garantiert. Doch wenigstens erfüllt die nackte Haut für einmal einen wichtigen Zweck.
85 Prozent aller Frauen wissen nicht, welche BH-Grösse sie haben. Vom Sport-BH ganz zu schweigen. Das sagt Jenny Burbage, promovierte Biomechanikerin, gegenüber der «Zeit». Burbage forscht mit und über Brüste – und deren richtigen Halt.
Man muss sich das einmal vorstellen: Ein D-Cup wiegt etwa 680 Gramm. Das macht mehr als 1,4 Kilogramm Busengewicht. In der weiblichen Brust gibt es kein natürlich stützendes Gewebe. 90 Prozent sind Fett, Drüsen und Bindegewebe. Eine wabernde Masse. Die schwingt elliptisch mit, wenn Frau sich bewegt.
Je grösser die Brust, desto grösser die Schwingungen. Bis zu 19 Zentimeter kann der Busen von unten nach oben, von vorne nach hinten, von links nach rechts schwingen.
Je intensiver Frau sich bewegt, desto stärker tut das auch ihre Oberweite. Von den Schmerzen ganz zu schweigen. Der passende Sport-BH gibt Halt. Er verhindert Gewebeschäden oder Rücken- und Nackenschmerzen. Und er steigert sogar die sportliche Leistungsfähigkeit.
Das sagt nicht nur die Sportkleider-Industrie, sondern auch Biomechanikerin Burbage. «Mit einem falschen Sport-BH ist die Performance einfach nicht so gut, wie sie sein könnte», wird Burbage in einer Reportage von «Krautreporter» zitiert.
Einmal kam eine junge Profi-Ruderin zu Burbage. Die Sportlerin spürte während des Ruderns ein Ziehen im Rücken. Getragen hatte sie bis anhin ein billiges Sportbustier. Burbage vermass die junge Frau und verpasste ihr den richtigen Sport-BH. Die Sportlerin ruderte danach schneller. Weil ihr Busen nicht mehr störte und ihre Arme mehr Bewegungsfreiheit hatten.
Die ehemalige britische Speerwerferin und Olympiateilnehmerin Goldie Sayers sagte einst: «Ohne meinen Sport-BH würde ich nicht antreten».
Die rumänische Profi-Tennisspielerin liess sich mit 17 ihren Busen von 75E auf 75C verkleinern. Und kletterte danach 450 Plätze auf der Tennis-Weltrangliste nach oben. Hätte sie den richtigen Sport-BH gehabt, wäre das vielleicht nicht nötig gewesen.
Wenn es Adidas mit der Busen-Kampagne also schafft, dass mehr Frauen den für sie passenden (Sport)-BH finden, dann sollen sie damit auch mit nackten Brüsten werben.
Sonst greifen Auto-, Casino- und Parfüm-Branchen ja auch regelmässig in die Brüste-Kiste. Wenn nun einmal mit Brüsten für Brüste geworben wird, ist dem absolut gar nichts entgegenzusetzen.
Sexistisch ist es, wenn Frauen- (selten auch Männer-) körper sexualisiert dargestellt werden, ohne dass sie direkt mit dem Produkt zu tun haben.