Alkohol und ich – das ist so eine Sache. Ein kaltes Bier oder ein gutes Glas Wein weiss ich durchaus zu schätzen. Normalerweise hält sich mein Alkoholkonsum auch in Massen, doch in der festlichen Dezemberzeit wird dieses Mass gern mal ausgereizt. Es wurde höchste Zeit, eine Pause vom Alkohol einzulegen. Schluss mit «Bier um vier» und dem obligatorischen Anstossen mit dem Anstandsglas. Hier sind meine Erfahrungen aus meiner Odyssee durch einen alkoholfreien Januar.
Die Regeln sind ja relativ simpel: Trinke im Januar keinen Alkohol. Und um auf Alkohol zu verzichten, muss ich einfach Anlässe meiden, bei denen Alkohol konsumiert wird – leichter gesagt als getan.
Kaum hatte ich mit dem Dry January begonnen, wurde ich in den Ausgang eingeladen. Also gab es anstelle des üblichen Unterwegsbiers einen Kaffee gegen die Müdigkeit, bevor es in den Club ging (TRASH POP im Exil Club – nicht empfehlenswert).
Schon in der Warteschlange überkam mich erneut die Müdigkeit, während andere vor der Eingangskontrolle noch hastig ihre Bierdosen oder Weinflaschen leerten. Drinnen angekommen hielt sich die weitere Freude auch in Grenzen. Es war eng, laut und die Gäste – insbesondere die männlichen – ziemlich aufdringlich. Keine fünf Minuten vergingen, ohne dass eine Frau aus unserer Gruppe angetanzt wurde.
All das nehme ich wohl weniger wahr, wenn ich selbst trinke. Gegen 2 Uhr morgens zog ich die Notbremse und machte mich auf den Heimweg. Kein idealer Start für mein Vorhaben, aber es gab auch positive Erfahrungen.
Ich trage meine Sportuhr auch nachts – in erster Linie, um nicht zu vergessen, sie morgens wieder anzulegen. Aber eben auch, weil sie meinen Schlaf und damit meine Erholung trackt. Während mein Schlafscore im Dezember durchschnittlich bei 63 von 100 (Ausreichend) lag, hat er sich mittlerweile auf 82 von 100 (Gut) verbessert – also eine deutliche Steigerung.
Selbst ohne Tracking hätte ich gemerkt, dass sich meine Schlafqualität im Januar spürbar verbessert hat: Ich schlafe abends schneller ein, wache nachts nicht auf und fühle mich morgens deutlich erholter. Ganz auf den Morgenkaffee kann ich zwar noch immer nicht verzichten, aber das wird wohl auch beim besten Schlaf nie der Fall sein.
Ich treibe viel Sport – und das klappt einfach besser ohne Alkohol. Wer am Sonntagmorgen nicht verkatert im Bett liegt, kann den Tag sinnvoll nutzen und aktiv sein. Besonders bei Ausdauersportarten wie Rennradfahren oder Schwimmen habe ich gemerkt, dass ich meine zurückgelegte Distanz Woche für Woche steigern konnte.
Ob das direkt auf den Alkoholverzicht zurückzuführen ist, sei dahingestellt. Fakt ist jedoch, dass ich durch meinen erholsamen Schlaf insgesamt mehr Energie habe, die ich beim Sport gezielt abrufen kann. Auch die Regenerationszeit nach Trainingstagen hat sich spürbar verkürzt. Muskelkater habe ich zwar immer noch, aber er hält nicht mehr so lange an.
Eigentlich müsste ich eher von einem «Semi-Dry January» sprechen, denn vollkommen trocken war er dann doch nicht. Die Semesterprüfungen in diesem Winter haben mich in mehrfacher Hinsicht an meine Grenzen gebracht. So fand ich mich nach der letzten Prüfung zwar völlig ermüdet, jedoch auch erleichtert mit meinen Kommilitonen in einer Bar wieder – und stiess mit einem Bier auf die (hoffentlich) erfolgreichen Prüfungen an. Prost!
Aber warum überhaupt Alkohol? Warum nicht einfach eine alkoholfreie Alternative wählen? Ich will ehrlich zu euch sein: In diesem Moment war ich zu erschöpft, um mir all diese Fragen zu stellen. Am Ende bin ich nur mir selbst Rechenschaft schuldig. Und ich sage euch noch etwas: Das Bier schmeckte fabelhaft. Vielleicht lag es an den Umständen – an der Vorfreude auf die Semesterferien und der geselligen Runde. Doch schlussendlich blieb mein Gewissen rein – trotz dieser kleinen Ausnahme.
Alles in allem blicke ich auf einen Monat zurück, der für manche völlig selbstverständlich ist, für andere jedoch eine echte Herausforderung darstellen kann. Für mich war der Verzicht selbst die kleinere Herausforderung. Ein Problem war eher das oft erforderte Erklären, ja schon fast Rechtfertigen, für meinen trockenen Januar.
Trotz meines kleinen Regelbruchs bin ich mehr als zufrieden mit meiner Leistung und überrascht von den Erfahrungen, die ich gemacht habe. Ob ich das wieder machen werde? Wer weiss, vielleicht bereits nächstes Jahr. Mehrheitlich habe ich positive Erfahrungen gemacht, doch ab und zu ein geselliger Abend, zu dem halt auch ein Bier gehört, fehlte mir schon.
Doch was für mich das Wichtigste war: Der Dry January hat mein Bewusstsein für den Alkoholkonsum in unserer Gesellschaft geschärft und mir gezeigt, dass es in vielen Situationen problemlos möglich ist, auf alkoholfreie Alternativen zurückzugreifen.
Zudem habe ich schnell gelernt mich nicht zu meiner Abstinenz erklären zu müssen. Es heisst bei mir einfach ich trinke nicht, Punkt.
Bei mir war’s einfach, ich war mit dem Auto da. Aber trotzdem. Man fällt also gesellschaftlich auf, wenn man keinen Alkohol trinkt. Eigentlich schon bedenklich.
Es bringt nichts, Alkoholsuchtgefährdete werden zu Alkohol animiert und vielleicht habt ihr gar keine Lust auf das Glas Wein.
Und ganz wichtig: wenn jemand kein Glas Wein will, ist das ok und braucht weder eine Bemerkung noch ein schiefer Blick.