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Les Bonbons de Klaus

Eismeister Zaugg: Die Welt vor unserer Zeit und ein wenig Hemingway-Romantik

Eismeister Zaugg zu Besuch im Kruger-Nationalpark – Stromausfall inklusive.
Eismeister Zaugg zu Besuch im Kruger-Nationalpark – Stromausfall inklusive.bild: milena zaugg
Les Bonbons de Klaus

Die Welt vor unserer Zeit und ein wenig Hemingway-Romantik im Kruger-Nationalpark

Der Elefant hat immer Vortritt. Der Löwe sowieso und die Büffel natürlich auch. So war die Welt vor unserer Zeit. Es ist immer noch möglich, in diese Welt einzutauchen. In Südafrika im Kruger-Nationalpark. Im berühmtesten Nationalpark der Welt. Im «Disneyland von Afrika». Eine Reise auf den Spuren von Ernest Hemingway.
18.07.2022, 19:3019.07.2024, 10:05
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Wilde Tiere üben auch in unseren Bergen oder Voralpen und sogar im Flachland eine ganz besondere Faszination aus: Wenn wir auf einer Wanderung Gämsen, einen Hirsch oder gar einen verirrten Steinbock erspähen, halten wir inne, lauschen und lugen. Ein Fuchs oder Dachs, der vorbeihuscht, weckt unser Interesse und beim Anblick von Rehen regen sich romantische Bambi-Gefühle. Inzwischen schleichen schon «Schakale» durchs Mittelland.

Was aber, wenn Elefanten aus dem Gebüsch hervorbrechen, Löwen oder gar ein Leopard über die Strasse laufen oder eine Büffelherde die Weiterfahrt verunmöglicht? Dann wähnen wir uns in einer anderen Welt. In der Welt vor unserer Zeit.

Die Sonnenuntergänge Afrikas haben einen ganz besonderen Charme.
Die Sonnenuntergänge Afrikas haben einen ganz besonderen Charme.bild: milena zaugg

«Wer einmal die Wasser Afrikas getrunken hat, kehrt immer wieder zurück.» Diese Redewendung stimmt zu hundert Prozent. Kein Naturerlebnis kommt den Sonnenuntergängen, der schnell herabfallenden Nacht, der Intensität und den Geräuschen der afrikanischen Wildnis auch nur nahe. Wer die Rufe der wilden Tiere in der Nacht einmal gehört hat, versteht, warum es heute noch den tiefen Glauben an die Ahnen, an die Naturreligionen gibt. Einmal sassen wir in einem Camp am Lagerfeuer, als ein mit der modernen Welt durch und durch vertrauter Kollege innehielt, zum Schweigen mahnte und dann sagte, er habe soeben einen seiner Ahnen gehört. Ich glaubte ihm. Aber wir sind kurz vom Thema abgekommen. Kehren wir zu den Tieren zurück.

Elefanten sind im Zoo, hinter Glas oder getrennt vom Publikum durch Graben und Mauer, eine imposante Erscheinung. Sie sind es erst recht in freier Wildbahn. Wenn wir mit dem Auto anhalten müssen, um den grauen Titanen den Vortritt zu lassen. Wenn sie sich ärgerlich schnaubend und kopfschüttelnd nach dem Auto umsehen, in dem wir sitzen.

Ein Elefant am Strassenrand des «Disneylands von Afrika».
Ein Elefant am Strassenrand des «Disneylands von Afrika».bild: milena zaugg

Nun liegt das Afrika der Elefanten und Löwen, der Zebras und Giraffen, der Krokodile und Nilpferde weit weg. Und ist doch näher, als wir denken. Zehn Stunden Flug nach Johannesburg, dort einen Mietwagen übernehmen und nach einer lockeren Tagesreise befinden wir uns im «Disneyland von Afrika». Im Kruger-Nationalpark.

Der Kruger-Nationalpark (deutsch häufig falsch mit ü geschrieben) ist eines der grössten Wildschutzgebiete Afrikas im Nordosten Südafrikas an der Grenze zu Mosambik. Die Nord-Süd-Ausdehnung beträgt etwa 350 km, in Ost-West-Richtung ist der Park durchschnittlich 54 km breit und umfasst eine Fläche von rund 20'000 Quadratkilometern. Also rund etwa so gross wie die Schweiz.

Der Kruger-Nationalpark liegt direkt an der Grenze zu Mosambik.
Der Kruger-Nationalpark liegt direkt an der Grenze zu Mosambik.bild: encylopedia brittanica

Zur besseren Vorstellung: Nehmen wir die Alpennordseite der Schweiz, also das Gebiet von Genf bis Romanshorn ohne Alpen und Voralpen, aber mit den sanften Jura-Bergen. Dann haben wir den Kruger-Nationalpark. Aber anders als in der Schweiz hat es keine Dörfer und Städte. Nur Camps zum Übernachten und gut ausgebaute Teer- und Schotterstassen, auf denen wir uns kreuz und quer durch dieses Gebiet auf die Suche nach Wildtieren machen können. Der Park ist am 26. März 1898 unter dem damaligen südafrikanischen Präsidenten Paul Kruger gegründet worden und hat 1926 seinen heutigen Namen erhalten.

Warum «Disneyland»? Weil dieser Park so gut erreichbar ist, über eine Infrastruktur (Unterkünfte, Tankstellen, Restaurants, Strassen) verfügt, die den westlichen Standards entspricht, und weil es möglich ist, mit dem eigenen Auto nach Lust und Laune herumzufahren. Das ist in vielen Nationalparks in Afrika nicht möglich. Leichter, bequemer lässt sich Afrikas Grosstierwelt, Afrikas intensive Natur nirgendwo sonst erleben. Übernachtungen sind möglich in den eingezäunten Camps im Park oder in den Hotels bei den Parkeingängen.

Eismeister Zaugg auf der Suche nach den «Big Five».
Eismeister Zaugg auf der Suche nach den «Big Five».bild: milena zaugg

Manche spotten, es sei ein Zoo (weil der Park eingezäunt ist). Aber der Park ist so gross, dass es eben doch eine Wildnis ist, in der über 120 Säugetierarten leben. Sie muss von Wächtern (Rangern) kontrolliert und gegen Wilderer verteidigt werden. Solventen Naturliebhabern wird natürlich ein Aufenthalt in privaten Safari-Lodges mit geführten Fahrten zu den wilden Tieren verkauft. Das kostet dann schnell mal mehr als 1000 Franken am Tag.

Dass es zu einem Bruchteil davon im eigenen Mietwagen auch geht, ist viel zu wenig bekannt. Auf eigene Faust braucht es einfach mehr Zeit. Fünf, sechs Tage im Park braucht es schon. Der Erholungs- und Erlebniswert ist dann maximal. Und weil der Kruger-Park für das Selbstverständnis der Südafrikaner so wichtig ist wie für uns Eiger, Mönch und Jungfrau, gehört dieses Naturschutzgebiet zu den staatlichen Einrichtungen des Landes, die nicht von Korruption und leisem Zerfall bedroht sind: Die Infrastruktur ist heute so gut in Schuss wie vor 40 Jahren und soeben ist ein Ausbau- und Renovationsprogramm in der Höhe von mehr als 20 Millionen Franken bewilligt worden.

Eine Karte zeigt, welche Tiere zuletzt wo gesichtet wurden.
Eine Karte zeigt, welche Tiere zuletzt wo gesichtet wurden.bild: imago-images.de

Das bedeutet nicht, dass alles perfekt ist. Das grösste Problem ist die Jagd nach Nashörnern. Schwer bewaffnete Wilderer dringen von Mosambik her in den Park ein und liefern sich mit den Rangern einen regelrechten Krieg. Das Pulver des Hornes gilt in Asien als geradezu magisches Heil- und Potenzmittel, das Viagra vorgezogen wird. Für ein Kilo Hornpulver wird in Asien rund 60'000 Franken bezahlt. Mehr als für ein Kilo Gold. Von der Wilderei bekommt der Tourist allerdings nichts mit.

Das Ziel der Tierbeobachtung sind die «Big Five». Die Bezeichnung kommt aus der Zeit der Grosswildjäger: Die «Big Five» waren die am schwierigsten zu erlegenden Gross- und Raubtiere: Elefant, Büffel, Nashorn, Löwe und Leopard. Die Besonderheit im Kruger-Park: Die Tiere haben sich an die Autos gewöhnt. Sie empfinden die Benzinkutschen nicht als Bedrohung. Zumindest nicht, solange das seltsame Ding nicht in ihre «Intimsphäre» vordringt oder den Weg verstellt. Deshalb sind Elefanten die grösste Gefahr. Es kommt vor, dass Elefanten im Kruger-Park auf Autos losgehen, das Fahrzeug umstürzen oder gar zertrampeln. Mit tödlichen Folgen für die Insassen.

Diese Elefanten verursachten zum Glück lediglich einen kleinen Verkehrsstau.
Diese Elefanten verursachten zum Glück lediglich einen kleinen Verkehrsstau.bild: milena zaugg

In der Regel ist der Mensch schuld, der zu wenig Respekt gezeigt hat. Wenn eine Elefantenherde mit Jungtieren die Strasse überquert, dann ist Abstand geboten. Wird das Auto als Bedrohung empfunden, greifen vor allem junge Bullen unvermittelt von der Seite an. Interessant ist in diesem Zusammenhang: Wildtiere vermeiden, wenn immer möglich, einen Zusammenstoss mit einem vermeintlichen Feind. Weil das Verletzungsrisiko gross ist. Ein verletztes Tier ist verloren. Deshalb versuchen Elefanten erst einmal mit Drohgebärden den Störenfried zu vertreiben: Sie rennen auf den Gegner zu, stoppen aber unvermittelt, stellen die Ohren auf und werfen den Rüssel in die Luft. Dieser Anblick fährt einem in Mark und Bein. Aber Gefahr droht keine: Der Elefant greift nicht an. Er droht nur. Sozusagen nach dem Motto: Hunde, die bellen, beissen nicht.

Wenn hingegen auf einmal einer mit gesenktem Kopf, aufgerolltem Rüssel und angelegten Ohren vorwärtsstürmt, dann ist er zum tödlichen Zusammenstoss entschlossen. Einem solchen Angriff sind wir einmal nur ganz knapp entgangen. Ich fand den Rückwärtsgang noch rechtzeitig. Eine weitere Regel: Keine Früchte im Auto mitführen. Es kann sein, dass man von einer Elefantenherde eingeschlossen wird. Die Tiere riechen die Früchte und versuchen dann, das Auto wie eine Büchse zu öffnen. Dann hilft nur, sofort alles aus dem Auto zu werfen.

Keine Angst, das ist nur eine Drohgebärde.
Keine Angst, das ist nur eine Drohgebärde.bild: imago-images.de

Von Wanderungen bei uns wissen wir, dass Mutterkühe auf der Weide gefährlich sein können. Dieses Wissen hilft auch in Afrika. Die Begegnung mit einer Büffelherde ist nicht ungefährlich. Die Bullen werden gut und gerne 900 Kilogramm schwer und gehen beim Gefühl der Bedrohung auf alles los. Doch mit der nötigen Weit- und Vorsicht lassen sich die Zusammenstösse mit Elefanten und Büffeln vermeiden.

Ohne jede Gefahr sind Löwen. Sie ignorieren Autos völlig und benützen manchmal bei der Jagd Autos auf den Strassen sogar als Deckung. Da der König der Raubtiere die meiste Zeit ruhend und schlafend verbringt (alle Tiere achten darauf, möglichst wenig Energie zu verbrauchen), ist der Anblick eines jagenden Rudels eher selten.

Der König der Tiere macht sich auf zur Jagd.
Der König der Tiere macht sich auf zur Jagd.bild: milena zaugg

Löwen bei der Jagd zu beobachten, gehört zu den Höhepunkten. Das Kuriosum: Eigentlich stellen wir uns vor, dass beispielsweise Antilopen (Afrikas Antwort auf unsere Rehe) davonstieben und das Weite suchen, sobald sie die Löwen bemerken. Dem ist aber nicht so: Die Beutetiere beobachten wie angewurzelt ihr Umfeld und rennen erst los, wenn der Löwe angreift. Bricht der Fressfeind die Verfolgung ab, bleiben sie ebenfalls sofort stehen. Energie sparen.

Von den «Big Five» ist der Leopard am schwierigsten zu beobachten. Weil dieses Raubtier ein Einzelgänger ist, das sein Revier gegen alle Eindringlinge verteidigt und meistens gut getarnt unter Büschen oder in Bäumen ruht. Der Leopard ist sozusagen Afrikas Antwort auf unseren Fuchs: Ein hochintelligentes Raubtier, das sich seiner Umgebung anpasst und sich sogar bis in Dörfer und Städte vorwagt und dort am liebsten Hunde frisst.

Ein Leopard wagt sich aus dem Dickicht auf die Strasse.
Ein Leopard wagt sich aus dem Dickicht auf die Strasse.bild: milena zaugg

Rinderfarmen in Afrika erstrecken sich in der trockenen Landschaft oft über riesige Gebiete und die Tiere sind auf sich allein gestellt. Ein Farmer hat mir einmal erzählt, es sei ihm endlich gelungen, die Leoparden-Plage zu beenden: Der Räuber hatte es auf kalbende Mutterkühe abgesehen. Lange Zeit habe er das Raubtier gejagt. Das habe nichts gebracht. Denn wenn ein Leopard geschossen wurde, habe sogleich ein anderer das Revier übernommen. Dann habe er ein totes Kalb mit Strom von einer Autobatterie verkabelt und als Köder ausgelegt. Der Leopard, vom heftigen Stromschlag zutiefst erschrocken, habe künftig die Pfoten von Kälbern gelassen, sein Territorium aber weiterhin behalten und gegen Eindringlinge verteidigt. Ob wahr oder Farmer-Latein, habe ich nie überprüft.

Südafrika hat seine Probleme, die wir hier nicht weiter ausbreiten wollen. Nur eines: die Stromversorgung. Korruption und Misswirtschaft haben dazu geführt, dass das Land nicht mehr rund um die Uhr mit Strom versorgt werden kann. Deshalb muss der Strom regelmässig abgestellt werden. Was im Internet und in den Lokalzeitungen angekündigt wird. Ungefähr jeden zweiten Tag wird der Strom vorübergehend für zwei, drei Stunden abgeschaltet.

Was die Südafrikaner mit Humor nehmen: Was ist der Unterschied zwischen der Titanic und Südafrika? Bei der Titanic brannten die Lichter, als sie unterging. Womit kann ein Mann einer Frau imponieren? Mit einem Stromgenerator. Wer es sich leisten kann, investiert in Solarenergie und kauft einen diesel- oder gasbetriebenen Generator. Um sich von der staatlichen Stromversorgung unabhängig zu machen.

Wie einst Hemingway: Eismeister Zaugg brütet bei Kerzenschein über einer Story.
Wie einst Hemingway: Eismeister Zaugg brütet bei Kerzenschein über einer Story.bild: milena zaugg

Nicht jede Unterkunft leistet sich einen Generator. Was für den Besucher durchaus seinen Reiz hat: Ernest Hemingway, auch ein Chronist, war von Afrika fasziniert und oft dort, als es noch keine moderne Stromversorgung gab. Nun bei Stromausfall bei Kerzenlicht in einer afrikanischen Unterkunft am Laptop zu sitzen, hat eine ganz besondere Romantik: So hat wohl einst auch Ernest Hemingway seine Storys geschrieben. Natürlich nicht auf dem Laptop, sondern mit der Reiseschreibmaschine. Echtes Afrika-Feeling. Sozusagen schreiben in einer Welt von unserer Zeit.

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