Die Trophäe des Echo hat bei so manchem Künstler massiv an Wert verloren. Nach der Debatte um antisemitische Texte der Preisträger Farid Bang und Kollegah ist die Musikauszeichnung hoch umstritten.
Bislang war der Echo eine renommierte Auszeichnung in der Musikbranche, doch nach der Würdigung für die umstrittenen Rapper Kollegah und Farid Bang nehmen Preisträger Abstand.
Klaus Voormann, Freund und Wegbegleiter der Beatles, gab am Montag den Echo für sein Lebenswerk zurück. «Was sich für mich als Geschenk anlässlich meines 80. Geburtstags anfühlte, entpuppt sich nun als grosse Enttäuschung», teilte der Musiker und Grafiker am Montag in München mit.
Am letzten Sonntag hat bereits die Schweizer Sängerin und Songwriterin Sophie Hunger in den Sozialen Medien kritisiert, der Entscheid des Beirats sei «katastrophal».
Mit einem Preis gebe man zum Ausdruck: «Das ist richtig, das ist gut, das ist das Beste», schrieb sie in einem offenen Brief an die Ethikkommission, die beschlossen hatte, die beiden Rapper trotz offenkundig antisemitischer Texte zur Echo-Verleihung zuzulassen. Zudem berichteten die «Schaffhauser Nachrichten», dass ein Konzert der beiden Rapper in Schaffhausen zur Debatte gestellt würde.
1/2 Die Frage, die es zu beantworten galt, war: Sollen Künstler, deren Texte mit der Verhöhnung des Holocaust arbeiten, die Möglichkeit haben den höchsten Deutschen Musikpreis zu bekommen? Die Antwort auf diese Frage hätte lauten müssen: Nein! #ethikkommission #EchoAwards2018
— Sophie Hunger (@SophieHunger) 14. April 2018
2/2 Einen Preis zu verleihen ist weit mehr als das Ertragen von gesellschaftlichen Extremen. Einen Preis zu verleihen bedeutet einer ganzen Gesellschaft und Jugend vorzuleben: Das ist richtig, das ist gut, das ist das Beste. Die Entscheidung darum katastrophal. #ECHO18
— Sophie Hunger (@SophieHunger) 14. April 2018
Das Notos Quartett aus Berlin hatte ebenfalls erklärt, seinen Echo Klassik vom vergangenen Herbst zurückgeben zu wollen. Er sei für sie nun ein «Symbol der Schande». Der Sänger Peter Maffay forderte die Verantwortlichen zum Rücktritt auf.
Auch andere Musiker und Kulturschaffende machten ihrem Unmut Luft, was den deutschen Verband Musikindustrie dazu veranlasste, das Konzept des Preises zu überarbeiten.
Auf der Facebook-Seite des Preises hiess es von den Veranstaltern am Montagabend: «Wenn im Zuge der aktuellen Diskussion Künstler entscheiden, ihren Echo zurückzugeben, bedauern wir das zutiefst, müssen diese Entscheidung aber natürlich respektieren. Wir hoffen, dass die Künstler trotzdem die Debatte mit uns weiter führen, in der es um mehr als um diesen Musikpreis geht.»
Grund für den Proteststurm ist das Album «Jung, Brutal, Gutaussehend 3», für das die beiden Rapper am Donnerstagabend mit einem Echo gewürdigt worden waren. Es wird als antisemitisch kritisiert – wegen Textzeilen wie «Mein Körper definierter als von Auschwitzinsassen» und «Mache wieder mal 'nen Holocaust, komm' an mit dem Molotow». Der Echo orientiert sich unter anderem an den Verkaufszahlen.
«Was muss passieren, dass ein Echo-Ethikrat Konsequenzen ergreift und eine Nominierung trotz Megaumsätzen eines Albums aus ethischen Gründen ablehnt?», fragte Voormann deshalb. «Provokation ist erlaubt und manchmal sogar notwendig, um Denkanstösse zu geben», so der Bassist. Aber die Grenze zu menschenverachtenden, frauenfeindlichen, rassistischen, antisemitischen und gewaltverherrlichenden Äusserungen und Taten dürfe nicht überschritten werden.
Voormann wird am 29. April 80 Jahre alt wird und hat unter anderem das Cover des berühmten «Revolver»-Albums der Beatles gestaltet.
Auch Rocksänger Wolfgang Niedecken, der Voormann den Echo überreicht hatte, richtet scharfe Vorwürfe an die Echo-Veranstalter. Man habe ihn und Voormann bei der Verleihung der Musikpreise «ganz einfach ins Messer laufen lassen», schrieb der BAP-Musiker auf Facebook.
Niedecken erklärte, er habe die Texte der Rapper nicht gekannt. «Beim vorletzten Show-Act wurden wir dann mit der menschenverachtenden Brutalität der beiden Schein-Musikanten konfrontiert, allerdings ohne irgendetwas von deren Gebrabbel zu verstehen. Textverständlichkeit: Fehlanzeige. Und dann standen auch schon unsere beiden Gitarren auf der Bühne und ich musste blitzartig entscheiden, wie ich mich adäquat verhalten sollte.»
Rockmusiker Peter Maffay sah einen Mangel an Sensibilität, der nicht erträglich sei. «Man hätte sich bewusst sein müssen, dass es zu einer solchen Eskalation kommen würde», sagte er im Interview mit der Nachrichtenagentur DPA.
«Deswegen gehören in diese verantwortlichen Positionen Leute, die sich dieser Verantwortung bewusst sind und sie nicht an einen sogenannten Ethikrat weiterdelegieren, der auf Tauchstation geht.» Es müsse ein ethisches Grundverständnis geben, das bindend für alle ist. «Wer sich nicht daran hält, kann nicht erwarten, beim Echo berücksichtigt zu werden.»
Ein anderes Regelwerk und mehr Transparenz ist nach Ansicht Maffays notwendig. «Wenn das nicht geschieht, dann hat der Echo keine Daseinsberechtigung mehr», sagte er. Auf Facebook schrieb er überdies, gerade angesichts der deutschen Vergangenheit sei dieser Preis eine «Ohrfeige».
Bei der Preisverleihung am Donnerstagabend – dem Holocaust-Gedenktag in Israel – hatte unter anderem Campino, der Sänger der Toten Hosen, auf der Bühne Stellung bezogen.
«Wenn es um frauenverachtende, homophobe, rechtsextreme und antisemitische Beleidigungen geht» sei für ihn die Grenze überschritten. Trotzdem wurden die Rapper später ausgezeichnet. Unter lauten Buh-Rufen und Pfiffen zeigte Kollegah eine Karikatur Campinos, mit Heiligenschein. (cma/sda/dpa)
Schade ist, dass es ja durchaus anders geht (Kendrick Lamar, Curse, Zugezogen Maskulin, K.I.Z.). Warum dann diese Affen geehrt werden, kA.
Diese Leistung ist deswegen auch bemerkenswert, weil sie selber wenig mehr tun mussten, als einen Preis für ihr nicht-indizierten Album entgegen zu nehmen und dabei lässig und entspannt alles an sich abprallen zu lassen. Grosses Kino, auch nachdem doch bei Charlie Hebdo und Böhmmerman noch alle für die absolute Kunstfreiheit waren...