Der Erfolg Kollegahs lag schon immer in der Kombination von Gegensätzen: Härteste Mutterfickerzeilen treffen auf eloquente Wie-Vergleiche. «Der stabile Deutsche», der im von Ausländern dominierten Gangstarap blonden Teenagern Selbstbewusstsein eintrichtert. Gläubiger Muslim mit Zuhälter-Texten. Dann ist Felix Blume, so sein bürgerlicher Name, immer noch eingeschriebener Jura-Student. Er sei scheinfrei, ihm fehle aber noch aus Zeitgründen das Staatsexamen.
Das will alles nicht so recht zusammenpassen, funktioniert aber doch, weil Kollegah eben einzigartig und nicht kopierbar ist. Dazu hat sich kein Rapper bisher so sehr professionalisiert und durch das Bespielen seiner eigenen Kanäle eine blinde Gefolgschaft antrainiert. Was man allerdings auch nur schwer kopieren kann, ist der schlechte Geschmack Kollegahs.
Das beginnt mit seiner am Versace-Reissbrett zusammengeklaubten «Deus Maximus»-Klamottenlinie und geht weiter bei der fehlenden Musikalität. Wie-Vergleiche und Streicher-Synthis auf düsteren Basslines und das Pushen des Rapper-Rohrkrepierers Seyed wurden immer mehr von einem breiten Publikum abgestraft.
Was bleibt, sind der Boss und seine treuen Fans, die sich gegenseitig als eine Art royale Bewegung der wahren Erkenntnis selbst befruchten. Selbstbestimmung, Intelligenz, Körperkult, die wahre Erkenntnis, das sind die Themen im Boss-Universum. Bedenklich wird es aber in seinem Video zu «Apokalypse». Dort inszeniert er sich als Retter des Guten, der den Stellvertreter des Bösen besiegen muss. Der trägt im Video einen Davidstern als Ring.
Den vorläufigen Höhepunkt um die Antisemitismus-Vorwürfe gab es beim Echo. Es wurde diskutiert, ob er und sein Spezi für die Line «Mein Körper definierter als Ausschwitz-Insassen» für den Echo nominiert werden könnten. Eine Ethik-Kommission des Echos entschied, dass die beiden nicht ausgeschlossen werden sollten. Campino, der Glückskeks-Beauftragte des deutschen Gewissens, kritisierte die beiden auf der Bühne.
Man kann ihm einiges vorwerfen, doch Kollegah ist ein sprachliches Genie, das ganz genau weiss, wie er sich mit Worten und Argumenten verteidigen muss. Das Jura-Studium war also nicht umsonst.
Wenn man verbal angegriffen wird und seine Verteidigungsstrategie noch nicht festgemacht hat, ist es ratsam, erst mal auszuweichen. Kollegah signalisiert hier, dass er Antworten auf das Thema hat, aber eben später auf der After-Party. Das wirkt höflich und kompetent zugleich. Dass er sich trotzdem unwohl fühlt, hört man nur an seiner brüchigen Stimme.
Dass Kollegah eine Karikatur von Campino zeichnete und mit den Zetteln das nervöse Zittern von jenem nachmachte, verleiht ihm Stärke und suggeriert, dass Kollegah über Campino stehe. Inhaltlich spricht er Campino Kompetenz und Manieren ab, schliesslich ist eine Ethik-Komission (also Experten) zum Schluss gekommen, dass er unschuldig sei.
Als «Bild» und RTL Antisemitismus bei Kollegah zum Thema machten, postete er eine «Ansage» mit zusammen geschnittenem «Bild»-Material.
Bei Minute 1:17 zeigt er eine Karikatur, die Juden mit Hakennasen darstellt, die mehrere Gesellschaftsbereiche der Welt kontrollieren. Mittlerweile hat er diese Passage unkenntlich gemacht und erklärt, dass er nichts von der Grafik wusste. Dabei ist das Video aus seinem eigenen Kanal hochgeladen worden.
Als die Autorin einer WDR-Doku zu Antisemitismus im Rap ihn mit dem Davidstern in dem Apokalypse-Video konfrontiert, antwortet Kollegah in einer Instagram-Story mit einem historischen Argument, dass der Davidstern (Hexagramm) ein historisches Symbol sei, das es schon vor dem Judentum gegeben habe.
Aber: Es ist egal, wann etwas erfunden wurde. Wichtig ist, womit es assoziiert wird. Und das Hexagramm wird in Kollegahs Video klar mit dem Davidstern verbunden.
Das Hakenkreuz haben zum Beispiel nicht die Nazis erfunden. Trotzdem ist es nicht in Ordnung, es auf Wände zu schmieren und zu argumentieren, dass es schon vor tausenden Jahren ein hinduistisches Glückssymbol war. Weil es eben immer mit Nazitum assoziiert wird.
Kollegah hat sich auch Journalisten, insbesondere die von «Bild» und RTL, als Feindbild ausgesucht und möchte ihnen erklären, wie sie ihren Job zu machen haben. Als «Bild» die Geschichte um antisemitische Zeilen aufrollte, bot Kollegah gleichzeitig jedem Journalisten 25'000 Euro an, um «objektiv» über «Pizzagate» berichten. Dieser Verschwörungstheorie nach hat Hillary Clinton mit einem Kinderpornoring zusammengearbeitet. Die Geschichte wurde recht schnell als falsch aufgedeckt. Das war Kollegah anscheinend egal.
Um zu zeigen, dass er nichts gegen Juden hat, lud er alle Juden kostenlos zu seinen Konzerten ein. Daraufhin fragten Twitter-Nutzer, ob sich die Juden an der Konzert-Kasse mit einem Davidstern zu erkennen geben müssten.