Wer in den letzten Monaten auf X, Reddit und generell viel im Internet (und auf watson) unterwegs war, weiss, wer Bonnie Blue ist. Die Erotik-Darstellerin lieferte sich mit Lily Phillips eine Art Gangbang-Wettstreit. Wer kann in kürzerer Zeit mit mehr Männern schlafen?
Das brachte beiden Frauen enorme Bekanntheit ein, die Follower-Zahlen auf Onlyfans stiegen mit jedem Video. Bonnie Blue (bürgerlich: Tia Billinger) wurde schliesslich von der Selfpublisher-Plattform verwiesen. Aber erst, nachdem sie in zwölf Stunden mit 1057 Männern geschlafen und damit wohl einen Weltrekord aufgestellt hatte.
Der Dreh dieses Ereignisses wurde von Dokumentarfilmerin Victoria Silver begleitet, die aus dem Material einen Film mit dem unfassbaren Titel «1000 Men and Me: The Bonnie Blue Story» machte. Insgesamt sechs Monate war Silver mit Bonnie Blue unterwegs.
Der einstündige Film feierte am vergangenen Dienstagabend in Bonnie Blues Heimatland Grossbritannien Premiere – auf dem öffentlichen-rechtlichen Sender Channel 4.
So oder so wechselte Bonnie Blue mit der Ausstrahlung der Doku sozusagen von der Parallelrealität des Internets in die echte Welt.
Die Debatte um Bonnie Blue wird nun auch im Feuilleton geführt. Der altehrwürdige «Guardian» schrieb eine Kritik zu «1000 Men and Me: The Bonnie Blue Story» (drei von fünf Sternen).
Der «Telegraph» wohnte der Premiere bei, und traf dort auf Bonnie Blues «stolze» Familie – Mutter, Vater, Grossmutter, die angeblich allesamt zum gutbezahlten Team des Porno-Stars gehören. Bonnie Blue soll mit ihren Produktionen über eine Million Euro verdienen. Pro Monat.
Es ist spannend, was die britische Kultur-Presse über Bonnie Blue und ihre Doku zu sagen hat. So schreibt der «Telegraph»:
Das ist eine der wenigen positiven Beobachtungen, die sich in der Debatte finden lässt. Es herrscht grösstenteils Entsetzen und Ratlosigkeit. Der Tiefpunkt des Films, so der «Telegraph», sei eine Szene, in der Bonnie Blue «Gaststars» auftreten lässt. «Eine von ihnen ist 21, gibt aber zu, dass sie Abonnenten bekommt, weil sie minderjährig aussieht.»
Diese Gast-Darstellerinnen würden nicht bezahlt werden und sie seien sichtlich nervös. «Das fühlt sich furchtbar ausbeuterisch an. Ich weiss, dass Regisseure sich zurückhalten müssen, aber ich hätte gegen den Drang angekämpft, sie in die Arme zu nehmen und nach Hause zu schicken.»
Die Zeitung kritisiert auch den Sender Channel 4: «Wenn Sie es wie durch ein Wunder geschafft haben, Ihre Kinder davon abzuhalten, diese Dinge in den sozialen Medien zu sehen, können sie sie jetzt in einem öffentlich-rechtlichen Sender sehen.»
Bonnie Blues Auftritt und der unkritische Umgang der Doku damit würden jungen Frauen suggerieren, «dass diese Art von ‹Arbeit› keine emotionalen oder physischen Kosten mit sich bringt [...]»
In der Kritik des «Guardian» kommt auch Regisseurin Victoria Silver nicht gut weg. Sie sei unkritisch und «unkonfrontativ», frage nicht nach, wenn offensichtlich dubiose Vorgänge in ihrem Film repräsentiert würden.
Der «Independent» beschreibt hingegen in seiner Review eine Szene in der Doku, die durchaus auf psychische und soziale Abgründe hinweist, die Sexarbeit mit sich bringen kann:
Dieser Teil zeigt, wie stigmatisierend Sexarbeit in der Gesellschaft wirken kann, was sich wiederum gleichermassen in den heftigen Abwehrreaktionen der Debatte abbildet.
Auch das Publikum ist von dem Film teilweise verstört, wie «Ladbible» in einer Zusammenstellung kritischer Social-Media-Stimmen darlegt. «Ich bin erst 15 Minuten in dieser Bonnie Blue Dokumentation auf Channel 4 und yeah.... kotze», schreibt jemand bei X.
Die Tatsache, dass Channel 4 als öffentlich-rechtlicher Sender überhaupt einen Film über Pornografie zeigt, wird infrage gestellt. Allerdings wird die Anstalt nicht von öffentlichen Geldern finanziert, anders als etwa BBC. Und Pornografie ist ein realer Teil der Gesellschaft. Ob man das nun will oder nicht.
Gegenüber dem britischen «Mirror» reagierte Channel 4 dennoch mit einem offiziellen Statement auf die Kritik, die von Medien und Publikum gleichermassen kommt – auch, aber nicht nur von konservativen Stimmen.
«Der Film hinterfragt Tias Methoden und den spaltenden Stil ihrer sozialen Medien und hört sich bei Kollegen und Mitarbeitern um, um ihr polarisierendes Geschäftsmodell zu verstehen.»
Damit meine ich jetzt nicht das Sie das Problem ist, das Problem ist das das überhaupt funktioniert.
So viele Fragen.
1996 zeigte das Schweizer Fernsehen die Dok „Heidi im Pornoland“. Die erfolgreichste SRF-Dok bis 2015!