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Momo: Review für die Neuverfilmung des Kinderbuches von Michael Ende

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«Momo» läuft ab sofort bei uns im Kino.Bild: Praesens Film
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Graue Herren nuckeln an Asthma-Sprays – nicht das einzige Problem von «Momo»

Bis heute hat das Kinderbuch «Momo» mit den hinterlistigen Zeit-Dieben nichts an Aktualität verloren. Doch die Neuverfilmung verspielt das Potenzial der Romanvorlage.
03.10.2025, 17:2303.10.2025, 17:23
thomas studer / ch media

Manche Bücher kann man nicht zu Ende lesen, ohne dabei traurig zu lächeln. Michael Endes «Momo» (1973) gehört dazu. Die Geschichte des Mädchens Momo, das den Menschen Zeit schenkt und sie vor den fiesen Zeit-Dieben rettet, trifft auch heute noch direkt in unsere nervösen Herzen.

Denn Ende hat die Zeit-Diebe so entworfen, dass wir sie als Kapitalismus-Metapher begreifen müssen: Die Diebe flüstern den Menschen Effizienzgedanken ein, zwingen sie zur kranken Optimierung ihrer Arbeit, was auf Kosten der schönen Seiten des Lebens geht. Erst der Einsatz der mutigen Momo reisst die Menschen aus ihrer Hektik und erinnert sie daran, die Zeit zu geniessen.

Es ist daher begreiflich, dass der deutsche Regisseur Christian Ditter «Momo» neu verfilmt hat – mit dem Anspruch, den Stoff für unsere Gegenwart zu aktualisieren. Eine erste «Momo»-Verfilmung von 1986, bei der Michael Ende noch mitwirkte, blieb der Vorlage recht treu. Doch seither wurden Dinge wie das Internet oder Smartphone erfunden, vor deren Hintergrund Endes Geschichte in anderer Schärfe schneidet. Aber wie schneidet Ditters «Momo» ab?

Die grauen Herren sind jetzt divers

Man muss es klar sagen: Dieser Neuverfilmung, die am Zurich Film Festival ihre Weltpremiere feierte, fehlt der Zauber, der Endes Buch (und in Teilen auch die Verfilmung von 1986) überzieht. Das liegt nicht an der 13-jährigen Hauptdarstellerin Alexa Goodall, die Momo mit Charme und Nuance spielt, und es liegt auch nicht an Martin Freeman («Sherlock», «Hobbit»), der als Zeit-Meister Hora sympathisch rumonkelt.

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Der Neuverfilmung von «Momo» fehlt der Zauber.Bild: Praesens Film

Es liegt am Drehbuch. Zwar holt es den «Momo»-Stoff in die Gegenwart, aber bleibt dabei flach wie ein Ziffernblatt. Die Zeit-Diebe, die Ende als glatzköpfige «graue Herren» beschreibt, die im Versteckten arbeiten und die Zeit der Menschen als Zigarren rauchen, sind in Ditters Film Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eines offen agierenden Unternehmens namens «Grey».

Statt an Zigarren nuckeln die diversen «Grey»-Mitarbeitenden an «Zeit-Inhalatoren», die aussehen wie Asthma-Sprays. Statt der uniformen Glatzen tragen sie alle möglichen hippen und weniger hippen Frisuren. Statt den Menschen den Gedanken des Zeitsparens einzupflanzen, und danach zu verschwinden, verteilen sie Armbänder («Greycelets»), die dem Träger anzeigen sollen, ob er grad Zeit «einspart» oder «verschwendet».

Aktualisieren heisst nicht Ausstaffieren

Damit denkt der Film Endes Vorlage nicht weiter, sondern staffiert sie lediglich mit Gegenwartsmarkern aus. Zu den wirklich grossen Zeitfressern unserer Tage (Handys, Social Media) fällt ihm nichts ein.

Das wäre auch nicht unbedingt nötig gewesen (wenngleich interessant). Schliesslich funktioniert der Roman ja eben deshalb bis heute, weil Ende die Zeit-Diebe als Metapher angelegt hat. Durch den Versuch jedoch, die «grauen Herren» zeitgeistgerecht zu machen, entzieht der Film ihnen den Metaphern-Gehalt, ohne dabei viel mehr als einen diverseren Cast zu gewinnen. Sodass man den Kinosaal weder lächelnd noch nachdenklich, sondern gleichgültig verlässt.

«Momo» läuft ab dem 2. Oktober in der Schweiz im Kino.

Hier kannst du den Trailer schauen:

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35 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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El_Chorche
03.10.2025 17:51registriert März 2021
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Ich hätte die grauen Herren durch die heutigen Techbros ersetzt, die via Handy versuchen, unsere Lebenszeit zu klauen.

Oder erschien das den Produzenten zu offensichtlich?
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Garp
03.10.2025 22:20registriert August 2018
Man könnte nun auch einfach das Buch wieder einmal lesen.
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001506.b818b2f8@apple
03.10.2025 18:53registriert Juli 2021
Das Internet existiert schon seit den 70ern, als Gen Zler noch nicht da waren und es "www" noch gar nicht gab, sondern ftp, telnet, gopher, archie, mail und was weiss ich noch alles. Das Internet heisst deshalb so, weil das US Militär fand, man sollte die Netzwerke die es so gibt, zusammenschliessen via Protokolle.
Ausserdem war Ende schon divers, weil Jim Knopf ja auch dunklere Hautfarbe hatte. Aber das ist eine andere Geschichte und soll ein andermal erzählt werden.
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