Die MusicStar Revival Show, die am Samstagabend im Schweizer Fernsehen ausgestrahlt wurde, lockte Hunderttausende nostalgische Menschen vor den Bildschirm. Nebst den um 20 Jahre gealterten ehemaligen MusicStar-Teilnehmenden wurde eine weitere Person mit grosser Spannung erwartet: Nemo. Die non-binäre Person sorgte mit der Veröffentlichung von «The Code» am 29. Februar für eine grosse Überraschung. Das Lied offenbarte mit seinen Opern- und Rap-Elementen sofort grosses Hit-Potenzial – und damit gute Chancen auf einen Schweizer Sieg beim Eurovision Song Contest in Malmö. Im bunten Musikvideo vermag Nemo in beiden Genres zu überzeugen, doch im Vorfeld des ersten Auftritts fragte man sich: Geht das auch live?
Auch ich klebte am Samstagabend wegen MusicStar vor dem Bildschirm und gab im eigens dafür aufgesetzten watson-Liveticker fleissig meinen Senf dazu. Nemos Aufritt erwartete ich sowohl mit Spannung als auch mit gewisser Skepsis. Immerhin kennt man Nemo wegen Hits wie «Du» oder «Ke Bock», die sich im Hip-Hop-Bereich verorten lassen. Von Operngesang ist in diesen Stücken nichts zu hören. Wie klingt «The Code» also live?
Direkt mit den ersten Tönen machte sich Enttäuschung in mir breit – für mich klang das nach einer voraufgezeichneten Gesangsperformance. Sofort beklagte ich mich in unserem Ticker darüber, staunte aber nicht schlecht, als Moderator Sven Epiney nach dem Auftritt betonte, dass dieser live gewesen sei.
Ich will es glauben, doch das wäre ja fast zu schön, um wahr zu sein!?
Mein Misstrauen wurde noch weiter angefeuert, als Nemo am Sonntag auf Instagram ein Video postete und dazu schrieb:
Damit meinte die non-binäre Person aber nicht etwa den MusicStar-Auftritt, sondern denjenigen an der Eurovision-Vorparty in Madrid. Und dieser Auftritt hat nach dem MusicStar-Revival stattgefunden.
Heisst das, dass der Auftritt bei MusicStar doch nicht live war? In einer Stellungnahme gegenüber watson präzisiert das SRF:
Das SRF versichert aber, dass für den Auftritt bei MusicStar nichts vorab aufgezeichnet worden sei.
Dennoch hört sich der Auftritt an der ESC-Vorparty in Madrid zumindest in meinen Ohren sehr viel «live-r» an als derjenige bei MusicStar. In anderen Worten: menschlicher. Die Sprünge und die Bewegungen auf der Bühne widerspiegelten sich im Gesang, der wiederum nicht so blitzsauber war wie beim MusicStar-Auftritt. Das liess den Auftritt für mich authentischer erscheinen.
Wie erklären sich diese gesanglichen Unterschiede in diesen beiden Live-Performances? Ich beschloss, mir in Form von Helena De Maertelaere eine professionelle Einschätzung zu holen. Die 29-jährige Belgierin zog mit 18 nach Wien, um Gesang zu studieren, und schaffte schnell den Sprung auf die Bühne. Sie sang in verschiedenen Operetten und Musicals und hat sogar schon selbst Eurovision-Contest-Erfahrung: 2017 unterstützte sie den österreichischen Sänger Nathan Trent als Backgroundsängerin auf der Bühne. Drei Jahre später rückte sie mit der Teilnahme an der belgischen Ausgabe von «The Voice» selbst ins grosse Rampenlicht und schaffte es in die Live-Shows. Seit drei Jahren bietet sie in Zürich Gesangsunterricht an.
Ich frage sie, was sie von den beiden Auftritten hält. Zunächst einmal ist De Maertelaere von Nemos Leistung beeindruckt und sagt:
Zwischen dem MusicStar- und dem Madrid-Auftritt sei auf jeden Fall ein Qualitätsunterschied feststellbar, hält die Sängerin fest. Das könne aber mit verschiedenen Faktoren zusammenhängen. Bei MusicStar habe Nemo hauptsächlich für die Kamera und für die TV-Übertragung gesungen, in Madrid habe Nemo das Publikum direkt vor sich gehabt. Dies sei ein ganz anderes Gefühl, betont Maertelaere. Auch akustisch dürfte die Person auf der Bühne Unterschiede gespürt haben. In einem Fernsehstudio höre man sich besser als vor einem lauten Publikum, was sich auf den Gesang auswirken könne.
Hingewiesen auf die Sprünge, die Nemo auf der MusicStar-Bühne scheinbar ohne stimmliche Auswirkungen vollbringt, winkt Maertelaere ab. Ob der Gesang im Vorfeld aufgezeichnet worden sei oder nicht, könne man anhand dessen nicht wirklich beurteilen. Am Broadway in New York sehe man allerlei:
Sie fügt aber auch an, dass bei aufgezeichneten Fernsehsendungen im Nachhinein noch sehr viel gemacht werden könne. Das habe sie bei der Teilnahme bei «The Voice» selbst miterlebt. Das bestätigt auch das SRF:
Schlussendlich spielt diese ganze Diskussion aber gar keine Rolle, denn auch der Auftritt in Madrid vermag De Maertelaere zu begeistern:
Um die Stimme so vielseitig einsetzen zu können – Operngesang und Rap –, werde eine sehr gute Technik benötigt. Diese scheint Nemo zu besitzen. Dass Nemo von Buchmachern ganz hoch gehandelt wird, kann die ehemalige «The Voice»-Teilnehmerin nachvollziehen. Sie habe sich alle Beiträge angehört und zählt Nemo auch selbst zu ihren grossen Lieblingen.
Wie weit es für Nemo und die Schweiz tatsächlich reichen wird, kann man zwischen dem 7. und 11. Mai auf SRF mitverfolgen.
das vielleicht in der postpro noch ein bisschen was gemacht wurde, kann sein - aber kaum viel, dafür reichen zeit und budget gar nicht. zudem hört man bei den anderen performances in dieser sendung ganz klar die grenzen der verschiedenen sänger. es wurde zwar gelügt und gelobt von der jury, aber einiges war eher auf karaoke-level.
nemo braucht, um eine gute performance abliefern zu können, aber unbedingt einen richtig guten in-ear-voicesound und einen guten tag.
Es schöns Tägli