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Richard Gere spricht über seinen Buddismus, den Dalai Lama und Tibet

Richard Gere arrives on the Green Carpet before screening the movie Wisdom of Happiness at the 20th Zurich Film Festival (ZFF), in Zurich, Switzerland, Tuesday, Oct. 8, 2024. (Til Buergy/Keystone via  ...
Der US-amerikanische Schauspieler Richard Gere galt lange als der «Sexiest Man Alive». Anlässlich des Zurich Film Festival im Oktober war er in der Schweiz.Bild: keystone

Warum Richard Gere Fan vom Dalai Lama ist

Richard Gere ist Buddhist und bekannter Unterstützer Tibets. Deshalb hat er auch den Schweizer Dokumentarfilm «Wisdom of Happiness» über den Dalai Lama produziert, der nun in die Kinos kommt.
04.12.2024, 21:57
Tobias Sedlmaier / ch media
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Knappe zehn Minuten Zeit für ein Gespräch über einen Glauben, bei dem Geduld, Konzentration und innere Balance essenziell sind? Eine Herausforderung und ein typisches Phänomen für eine Gegenwart, in der sämtliche Komplexität in ein Tiktok-Reel gepresst werden kann. Es geht nicht anders, Weltstar Richard Gere war diesen Oktober am Zurich Film Festival ein gefragter Gast.

Der 75-Jährige ist seit mehr als drei Jahrzehnten einer der prominentesten westlichen Anhänger des tibetischen Buddhismus. Er ist mit dem Dalai Lama befreundet, setzt sich mit der «International Campaign for Tibet» für die Rechte und die Kultur der aus ihrer Heimat vertriebenen Tibeter ein. Nachdem er bei der Oscar-Verleihung 1993 den chinesischen Truppenabzug gefordert hatte, wurde er sowohl bei der Award-Show als auch in China zur Persona non grata erklärt.

Kein Moment der Erkenntnis

In Zürich wirbt Gere für den Schweizer Dokumentarfilm «Wisdom of Happiness» von Barbara Miller und Philip Delaquis, den der Hollywood-Star mitproduziert hat. Am ZFF gingen die Tickets weg wie warme Semmeln, nun kommt der Film, in dem der Dalai Lama persönlich seine Lehren darlegt, regulär in die Kinos. Die tibetische Gemeinde ist gross in der Schweiz, das Thema liegt vielen Sinnsuchern nach wie vor am Herzen – auch wenn auf der geopolitischen Landkarte in den letzten Jahren andere Konfliktregionen in den Vordergrund gerückt sind.

Richard Gere sitzt aufrecht auf einem Sofa im Dolder Grand Hotel und bietet mir etwas von seinem Tee an. Er freut sich, als ich ihm erzähle, wie ich nach der Pressevorführung mit mir völlig Unbekannten im Publikum spontan auf der Strasse über den Film ins vertiefte Gespräch gekommen bin. Offensichtlich treffen die Worte des Dalai Lama einen Nerv bei denen, die dafür empfänglich sind. «Das ist wunderbar, vielen Dank, dass Sie mir das sagen», sagt Gere mit sanfter Stimme.

Actor Richard Gere accompanies the Dalai Lama during a meeting with members of Congress, Tuesday, June 14, 2016, on Capitol Hill in Washington. (AP Photo/Lauren Victoria Burke)
Richard Gere mit dem Dalai Lama.Bild: AP

Der Schauspieler («Pretty Woman», «American Gigolo») erinnert sich an seine suchenden Anfänge: «Das war kein einzelner Moment der Erkenntnis, sondern eine lange Erkundung. Ich war ein junger Mann und habe mich gefragt: ‹Was ist die Realität? Wie verhält sich die Welt da draussen zu mir oder der Vorstellung von meinem Ich?› Solche Fragen haben mich direkt zu den östlichen Religionen getrieben.» Viele von ihnen habe er studiert, vom Islam über den Jainismus hin zum Buddhismus.

Dass Gere keiner jener Hollywood-Stars ist, für die eine Beschäftigung mit dem Spirituellen ein reiner Lifestyle-Entscheid ist, wird selbst im kurzen Gespräch klar. Er wirkt ganz bei sich, tief überzeugt von seinem Pfad: «Dem buddhistischen Ansatz habe ich mich sehr nahe gefühlt wegen seiner fast schon wissenschaftlichen Bereitschaft, alles herauszufordern. Schau dir alles genau an, analysiere tiefgründig! Für dich selbst – nicht weil dir jemand sagt, du sollst es tun. Die Worte des Buddhas helfen uns, zu verstehen, dass die Realität in keiner Weise unabhängig existiert. Selbst Dinge, die wir für sehr stabil halten, sind eine blosse Idee.»

Ein filmisches Vermächtnis

Er selbst sei sehr bewegt gewesen, als er den neuen Schweizer Film «Wisdom of Happiness» zum ersten Mal sehen durfte. «Die Macher haben sechs Jahre ihres Lebens investiert, um diesen Film zu drehen. Und der Dalai Lama als grosser Lehrmeister des Buddhismus hat die Fähigkeit, seine Botschaft so einfach auszudrücken, dass sie alle verstehen können. Er verkörpert wirklich das, was er sagt, ist mitfühlend, liebend und weise», drückt Gere seine Verehrung für den spirituellen Mentor von Millionen Menschen aus.

Besonders gefallen habe ihm die technische Machart des Films. Mithilfe eines Spiegels vor der Kamera erlebe man die direkte Kommunikation mit dem Dalai Lama. «Wir blicken quasi in seinen Kopf, in sein Herz, das ist einzigartig und extrem eindrücklich.» Erleichtert ist Gere, dass der Film vor Corona gedreht wurde: «Das Gespräch hätte heute kaum mehr so durchgeführt werden können, nächstes Jahr wird seine Heiligkeit 90. Am Tag der Aufnahme hatte er sich nicht besonders gut gefühlt, er war erkältet, es war unsicher, ob der Dreh so klappen würde.»

Auch wenn man dem Dalai Lama ein langes Leben wünscht, kann man «Wisdom of Happiness» wohl als sein filmisches Vermächtnis bezeichnen. Wer eine komprimierte Zusammenfassung der bewegten Biografie von Tenzin Gyatso und eine Einführung in den tibetischen Buddhismus sucht, wird in diesen 90 Minuten glücklich. Faszinierend schrecklich sind die tibetischen Archivaufnahmen von der chinesischen Invasion Ende der 50er-Jahre. Die übrige Bebilderung der Worte des Dalai Lamas gerät hingegen oft arg didaktisch, wie aus einem Unterrichtsfilm.

Was tun mit der ewigen Unvernunft?

Was der Dalai Lama sagt, sei es das Loslösen des Egos, die Notwendigkeit eines friedfertigen Umgangs miteinander oder die Gleichheit der Menschen, klingt als Losung für das 21. Jahrhundert so selbstverständlich wie vernünftig. Aber was tun, wenn der Mensch nun einmal unvernünftig ist, frage ich Richard Gere. Jeder Mensch hat eine buddhistische Natur, antwortet er. Und erklärt: «Wir denken auf der Basis der Wahrnehmungen unserer fünf Sinne. Das tut nicht unser Auge, sondern unser Gehirn. Und da beginnt das Problem…»

Publikum begeistert vom Besuch des Dalai Lamas in Zürich

Video: watson/TeleZüri / Vanessa Meier / CH Media Video Unit / Jeannine Merki

In diesem Moment schwappt etwas Tee aus Richard Geres schief gehaltener Tasse auf seine Hose. Ich krame nach einem Taschentuch, doch für den probaten Buddhisten ist der kleine Lapsus keine Rede wert. Gere fährt fort: «Die Gedanken, die sich das Gehirn zusammenreimt, sind das Problem. Der simple sensorische Input sagt uns: Den mag ich, den mag ich nicht. Und alles nur, weil wir von der Idee vergiftet sind, dass unser Selbst von der Welt abgetrennt ist und vor anderen beschützt werden müsste.» Ich frage nach, konkreter: Wie soll man also mit Menschen umgehen, die – ob aus Bequemlichkeit oder Beschränktheit – unfähig sind zum Mitgefühl?

«Alle Menschen sind grundsätzlich dazu fähig», sagt Gere entschlossen. Selbst Terroristen, Diktatoren, Serienmörder? Sicher, das benötige harte Arbeit. Gere erzählt von seinen Erfahrungen mit Mitgliedern der Death Squads in Zentralamerika. Normale Menschen, die ihre Familien und Kinder lieben. Er sagt: «Da hat es einmal Klick gemacht und sie haben verinnerlicht, dass ihre Feinde nicht menschlich sind. Das erlaubt ihnen, schreckliche Taten zu begehen. Heute sehen wir bei vielen unserer politischen Führer, wie sie andere Menschen dämonisieren und dadurch entmenschlichen.»

Mitgefühl selbst für die Allerschlimmsten

Und schon sind wir bei Donald Trump, bei dem selbst Gere gestehen muss, dass ihm die Geduld des Dalai Lamas fehlt: «Dieser idiotische Präsident sagt schreckliche Dinge über Menschen, über die er überhaupt nichts weiss. Er nutzt das als Manipulationsinstrument. Seine ganze Rhetorik zielt darauf ab, zu untergraben, wie ähnlich wir Menschen uns sind. Die Flüchtlinge, die zu uns kommen, sind wie du und ich. Sie versuchen, schlimmsten Gefahren zu entkommen. Wir müssen ihnen helfen.»

Verdrängt man also das Böse aus der Welt, indem man lange genug an das Gute appelliert? Gere sagt geduldig: «Heute gehöre ich zu den Alten. Ich habe vieles im Leben gesehen und Millionen von Menschen getroffen. Darunter war kein wirklich böser Mensch. Übrigens auch kein einfacher. Jeder ist kompliziert und hat seine eigene Geschichte. Vielleicht habe ich so etwas wie ein bisschen Mitgefühl entwickelt, selbst für jene, die scheinbar zu den Allerschlimmsten zählen.» Man darf sich Richard Gere als glücklichen Buddhisten vorstellen. (aargauerzeitung.ch/lyn)

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