Wie steht's eigentlich mit Hard Seltzer? White Claw und so? Dem Alkohol-Mineralwasser, das volumenprozentmässig wie Bier ist, aber wenig Kalorien und fast kein Zucker hat und sich im Sommer 2019 in den USA endgültig durchsetzte? Kommt das jetzt in die Schweiz?
Sucht Schweiz warnte schon mal prophylaktisch. Währenddessen zeigten sich die Handvoll Leute, die sich massiv überteuerte White-Claw-Dosen bei den paar Online Stores schnappten, ziemlich begeistert (okay, ist jetzt die ziemlich unrepräsentativste Umfrage unseres Spass-Ressorts). Klar wollen hiesige Getränkehersteller mit von der Partie sein, denn nach dem Erfolg in den USA zu werten, dürfte das ein ziemlicher Renner werden.
Bisher wurde darüber berichtet, dass sich grosse Getränkeunternehmen wie Feldschlösschen in der Schweiz Patentrechte für den Begriff Hard Seltzer sichern wollen, und von weiteren marktstrategischen Vorhaben. Doch über ein konkretes Produkt hört man noch nichts. Zuerst alles absichern, danach den Drink dazu kreieren. Müsste das nicht umgekehrt laufen?
Oder anders gefragt: Werden wir nolens volens einfach das Ding, das uns Feldschlösschen/Carlsberg vorsetzt, trinken müssen? Nein, nicht wenn es nach dem Willen kleiner Startups geht, die auch hierzulande längst am tüfteln sind. Einer ist nylo hard seltzer (ja, Kleinschreibung), der in der Brennerei Erismann in Bülach hergestellt wird. Wir sprachen mit Gründer Patrick Bühler.
Wo und wann habt ihr zum ersten Mal Hard Seltzer entdeckt?
Patrick Bühler: Als ich im Sommer 2019 mit zwei Freunden einen Roadtrip durch die USA gemacht habe, besuchten wir das alte Ivy League College Dartmouth. Fast jede Vorstellung, die ich von einem College hatte, wurde bestätigt – bis auf eine. An den klassischen Partys spielte niemand Beer Pong mit Bier. Ohnehin war Bier kaum mehr aufzufinden. Zum ersten Mal kam ich in Kontakt mit Hard Seltzer. Später traf ich dann in Zürich auf den Freund meiner Schwester, Christoph. Dieser erzählte per Zufall von der Destillerie seines Vaters und da hat’s auf einmal klick gemacht.
Klick gemacht, einen US-Trend-Drink in einer altehrwürdigen Schweizer Brennerei herzustellen?
Ich war begeistert von der Destillerie von Hans Erismann. Beim Besuch merkt man hautnah, wie viel Liebe und Passion in jedes Detail fliesst. Die haben natürlich jahrelange Erfahrung. Und der Vater von Christoph wollte schon lange, dass er in den Betrieb einsteigt. Nun bot sich die perfekte Gelegenheit. Also begannen wir, herumzupröbeln. Wir haben circa 40 verschiedene Rezepturen hergestellt. Die ersten davon konnte man kaum trinken. Acht Monate dauerte das, aber nun können wir mit unserem ersten Geschmack «Natural Lemon» starten.
Welche Methode benutzt ihr? Meines Wissens sind viele Hard Seltzers im Wesentlichen ein Destillat, das man mit Wasser verdünnt, während andere auf eine Gärmethode setzen.
Zuerst verfolgten wir den Ansatz der Gärmethode, wobei ein ähnliches Verfahren wie bei Bier durchgeführt wird und man Zucker vergärt. Nach etlichen gescheiterten Versuchen waren wir kurz davor, aufzugeben. Irgendwann kam dann der Vater Erismann stärker ins Spiel und mit ihm jemand mit Erfahrung. Er brachte uns auf die Idee, ein Destillat zu verwenden. Wir probierten etliche Methoden – eingelegte Zitronenscheiben, Koriander und vieles Mehr. Schlussendlich hatten wir unsere Zutaten und unser Rezept beisammen (das genaue Rezept bleibt aber geheim 😉). Den besten Geschmack mit den besten Inhaltsstoffen zu einem vernünftigen Preis hinzukriegen, ist schwieriger als man denkt.
Wie schwierig ist es, in der Schweizer Getränkeindustrie als kleiner Startup zu bestehen?
Du kannst dir vorstellen, dass es sehr wichtig ist, nun schnell in den Markt einzusteigen. Die Grossen – etwa Feldschlösschen-Sommersby [die der Carlsberg Group gehört, Anm. der. Red.] – und etliche andere sind gerade auch dabei. Und gegen die anzutreten, ist schwierig, alleine schon juristisch. So versucht Feldschlösschen offenbar, sich die Rechte für den Gattungs-Begriff «Hard Seltzer» zu sichern! Auch wurden teilweise Exklusivrechte für die Fermentierungsgrundstoffe an grosse Schweizer Anbieter weggegeben. Ein weiterer Grund für uns, alles selber zu produzieren.
Das hört sich nach Monopolbestrebungen an.
Wir hatten auch bereits anfangs Jahr insgesamt drei Deals mit Dosenherstellern und -abfüllern, welche alle kurzfristig gestrichen wurden, da grosse Hersteller sich auch dort Exklusivrechte geholt haben. Es ist definitiv nicht einfach, in einem solchen Umfeld zu starten.
Und wie habt ihr das nun gelöst mit den Dosen?
Nun haben wir einen super lokalen Betrieb gefunden, der mit uns diese Reise antritt. Wir setzen darauf, alles lokal herzustellen und wollen vermeiden, dass alles um die halbe Welt transportiert wird.
Anfangs Jahr habe ich den Hard-Seltzer-Sommer in der Schweiz vorausgesagt. Findet dieser nun statt? Trotz oder vielleicht gerade wegen des Lockdowns?
Eine spannende Frage, die wir uns auch mehrmals gestellt haben. Alle Bars und Restaurants sind zu. Und die wollen auch gar nichts von uns hören, das haben wir schon gemerkt. Die haben derzeit andere Sorgen. Wir setzen derzeit komplett auf unseren Online Store – meiner Meinung nach bekommen viele von uns das Gefühl, als würden wir einen Teil des Sommers verpassen, als würde ihnen etwas weggenommen werden. Und diese Leute werden diese Zeit aufholen wollen und das Beste aus der dann noch verbleibenden Zeit nach dem Lockdown machen – sprich mit Freunden ganz viele Sommerabende draussen im Park sitzen. Und dafür ist Hard Seltzer perfekt.
Also gut, du darfst: Sag' das Sprüchli auf ...
«Whenever life needs to feel a little more like summer nights» 😁. Noch stehen wir am Anfang. Nicht nur wir, sondern auch das Klientel – die meisten hierzulande haben noch nie etwas von Hard Seltzer gehört. Es dürfte sich aber schnell herumsprechen. Sobald dies beginnt, rechnen wir mit einem Hard-Seltzer-Spätsommer und Herbst.