Diese Rede Winston Churchills, gehalten am 4. Juni 1940 vor dem House of Commons (und kurz darauf noch einmal im Radio) ist an Wichtigkeit kaum zu unterschätzen. Sie gilt als einer der Schlüsselmomente auf dem langen Weg zum Sieg über Nazi-Deutschland.
Zu jenem Zeitpunkt – Churchill war wenige Wochen zuvor erst zum Premierminister ernannt worden – stand Grossbritannien mit dem Rücken zur Wand. Die Landstreitkräfte in Frankreich waren geschlagen. Man hatte zwar in einer unglaublichen Aktion 340'000 Truppen (davon 140'000 Franzosen) aus dem Kessel von Dünkirchen nach England evakuieren können, aber unter Zurücklassung fast des gesamten Materials. «We shall fight on the beaches» war ein Aufruf, ein Energieschub in Zeiten dunkelster Not.
Churchills Redegewandtheit und Scharfsinn trieb freilich auch andere Blüten. Da war etwa dieser eine Austausch zwischen ihm und seiner Parteikollegin Lady Astor:
Churchill darauf:
Ein gutes Beispiel für Churchills Schlagfertigkeit, gewiss – und eine hübsche Anekdote (obwohl sie nicht abschliessend belegt ist). Doch ebenso ein Indiz für einen etwas umstrittenen Aspekt von Churchills Biografie: seinen Alkoholkonsum.
Mitarbeiter von US-Präsident Franklin D. Roosevelt hatten eine Bezeichnung für die lange dauernden Nachtessen mit dem britischen Premier, bei denen Strategien diskutiert wurden: «Winston Hours». Konkret bedeutete es, dass der US-Präsident danach für geraume Zeit unbrauchbar war. Es wird berichtet, Roosevelt brauchte drei Nächte lang jeweils 10 Stunden Schlaf, um sich davon zu erholen.
Churchills Affinität zum Alkohol geht zurück auf seine Zeit als 25-jähriger Korrespondent für die «Morning Post», als er über den Burenkrieg berichtete:
Winstons Alkoholkonsum wurde – je nach Standpunkt – glorifiziert oder verteufelt. Historiker und Mediziner streiten sich bis heute darüber, ob er ein high functioning alcoholic war oder unter Depressionen litt. Deutsche Kriegspropaganda wurde nicht müde, ihn als Trunkenbold darzustellen.
Fakt ist, dass Churchill allen Widrigkeiten zum Trotz stets in der Lage war, seine Arbeit auszuführen. Wie schwer war sein Alkoholkonsum also wirklich? Sein regelmässiger Alkoholkonsum ist gut belegt. Ein Selbstversuch ist angesagt:
Von 7:30 Uhr morgens bis nach Mitternacht. So war's:
Churchill war kein Frühaufsteher. Und «Aufsteher» ist ohnehin die falsche Bezeichnung, denn er verbrachte den Grossteil des Morgens im Bett. Da nahm er auch seine erste Mahlzeit zu sich – ein ordentliches Full English Breakfast, meistens, dazu ein Glas Orangensaft.
Ich habe keinen Butler, der mir das Frühstück ans Bett serviert, weshalb ich aufstehen muss. Orangensaft mag ich nicht; dafür brauche ich ein paar Espressi, um in die Gänge zu kommen.
Liegen bleiben bedeutete aber keineswegs, dass nicht gearbeitet wurde. Vom Bett aus erledigte Churchill seine Korrespondenz. Dazu gönnte er sich um 9 Uhr 30 den ersten von vielen Whisky Sodas des Tages. Johnnie Walker war seine Hausmarke. Hab' ich jetzt nicht gleich zur Hand. Als Alltags-Whisky schätze ich den Haig Club Single Grain.
Das hört sich nun brachialer an, als es ist, denn Churchills Scotch Sodas waren sehr niedrig dosiert. Sein Sekretär Jock Colville beschrieb sie gar als «Mundspülung».
Um 11 Uhr morgens stand der Premierminister Grossbritanniens auf. Bad, Morgentoilette, anziehen, und dazu nochmals einen ... jap, du hast es erraten:
Wenn schon, denn schon: Anzug, Fliege – hey, wie viele von euch können mit drei Drinks intus eine Fliege binden? Hä? Ich kann's. Wie gesagt, die Whisky Sodas sind sehr niedrig dosiert; ich fühl' mich noch ganz okay.
Allen Meinungsverschiedenheiten mit General De Gaulle zum Trotz, Churchill war zeitlebens ein Freund französischen Lifestyles. Eine Flasche Champagner soll Churchill zum Zmittag getrunken haben. Aber: Die betreffenden Flaschen waren Imperial Pints, ergo 0,568 Liter. Und: So ein Mittagessen mit Gemahlin Clementine oder Staatsfunktionären dauerte gut und gerne 1 bis 2 Stunden. Allzu deftiges Essen mochte Churchill nicht. Suppe mochte er, und zwar am liebsten eine klare Bouillon.
Ein Glas Cognac als Digestivo nach dem Essen, gefolgt von einem kurzen Spaziergang im Garten. Nun, mein Garten ist zu klein, weshalb es mich die Strasse runter zum Starbucks verschlägt, wo ich meine Tochter und ihre Tante zum Kaffee treffe. Meine Tochter rollt mit den Augen angesichts Anzug und Fliege. «Winston, you're drunk!», sagt mir indes niemand. Aber: Der Alkohol ist spürbar. Oh ja. Die Whisky Sodas waren nichts – aber der Champagner während dem Zmittag, der fuhr ein.
Kommt schon gut, sage ich mir, besonders angesichts des nächsten Programmpunkts im #ChurchillChallenge: Siesta! Mindestens 1 Stunde lang.
Dies konnte freilich auch etwas früher beginnen. Spätestens um 5 Uhr nachmittags aber war Churchill wieder am Arbeiten. Die meiste Zeit verbrachte er an einem Stehpult. Ich auch. Wobei «Stehpult» hier «die Schuhbank aus dem Flur auf die eine Seite gekippt» bedeutet.
Ich muss konstatieren, dass sich gewisse Ungenauigkeiten – trotz all meiner Bemühungen um Realitätsnähe – nicht vermeiden lassen: Ich rauche nun mal nicht. Churchill genoss mehrere Zigarren pro Tag. Ebenso behaupte ich mal, etwas weniger auf die Waage zu bringen als Big Winston, weshalb mir der Alkohol etwas anders einfahren könnte. Jedenfalls bin ich nach Whisky Soda Nummer 5 immer noch guter Dinge, während ich diese Zeilen schreibe. Natürlich halte ich mich streng an Hemingways Vorsatz:
Vor dem Nachtessen begrüsste Churchill seine Gäste und trank als Apéritif ein Glas Sherry. Er bevorzugte einen trockenen Amontillado.
Übrigens: Churchill wurde 90 Jahre alt. Mit 76 Jahren beschloss er aber, seinen Alkoholkonsum etwas zu drosseln:
Zum Nachtessen also besagte zweite Flasche Champagner – Pol Roger war die Lieblingsmarke. Weiterhin ist von Imperial-Pint-Flaschen die Rede, weshalb ich nun den Rest meiner Standard-75-cl-Flasche vom Zmittag kille, gefolgt von einer kleinen 37,5-cl-Flasche. Kommt ungefähr hin. Und passt auch gar nicht so schlecht zum Chicken Curry, das ich mir gekocht habe (Churchill mochte offenbar die Curry-Gerichte des Subkontinents).
Aber, boah, Leute, langsam fährt's ein.
Die Dinners, die wiederum mehrere Stunden dauern konnten, waren gegen 23 Uhr zu Ende. Danach gönnte sich Winston ein oder mehrere Gläser Brandy oder Cognac. Und arbeitete nochmals mindestens eine Stunde. Uff.
Das mit dem Arbeiten kriege ich nicht hin. Aber ich habe nun alles brav getrunken, wie es vom #ChurchillChallenge vorgeschrieben war und ...
... und nun? Ja, ich habe eine ordentliche Bimbe. Allerdings bin ich längst nicht so betrunken, wie ich dachte, es zu werden (Da fallen mir andere Nächte ein, uiuiui ...) Am meisten erstaunt hat mich der Champagner. Gefühlt war der Schwips nach den beiden Hauptmahlzeiten am grössten. Die Whisky Sodas hingegen liessen sich am einfachsten wegstecken. Nach dem Znacht bin ich noch am Stehen und während eines Skype-Telefonats attestiert mir meine Gesprächspartnerin kohärente Sätze und präsentables Benehmen. Der Grund ist klar: Es ist vielleicht eine gehörige Menge Alkohol, doch über einen gehörig langen Zeitraum verteilt. Auch gab es drei Mahlzeiten und eine Siesta dazu.
Die #ChurchillChallenge ist geglückt! Weil ich nicht aufgeben musste. Ähnlich, wie die Luftschlacht um England gewonnen wurde, weil die Royal Air Force nicht aufgeben musste.
Mein Chefredaktor sagte voraus, «du wirst um 11.24 h die Segel streichen und nicht mehr unter dem Sofa hervorfinden, unter das du dich bis dahin gesoffen hast». Göring sagte voraus, er werde die Royal Air Force zerstören. Just sayin'.