Die Schweiz hat eine alte Brennerei-Tradition. Doch in klassischen Cocktails sucht man Zutaten wie Pflümli oder Kirsch meist vergebens. Wie gut, dass eine jüngere, aber nicht minder reichhaltige Tradition an Whisky-, Gin- und anderen Spirituosen-Herstellung besteht! So breit ist inzwischen das Angebot, dass etliche klassische Drinks rein mit einheimischen Zutaten gemixt werden können.
Machen wir doch die Probe aufs Exempel:
Eigentlich wollten wir hier Negroni Zurigese titeln, denn sieht man sich die schöne Etikette vom Jsotta-Vermouth an, erkennt man die Skyline von Zürich. Die von 1899, nämlich, weil damals wurde erstmals der Jsotta-Vermouth lanciert. Doch inzwischen wird das Traditionsprodukt in Winterthur hergestellt – genauso wie den Ginuine-Gin und den eben erst auf den Markt gekommenen Jsotta Bitter Rosso. Negroni Winterthuroni ... öhm ... ach, einfach ein feiner Negroni mit einheimischen Zutaten!
Ja, es gibt Schweizer Bourbon! Und, ja, dies ist bei den Amerikanern höchst umstritten, da laut US-Gesetz «Bourbon» ein herkunftsgeschützter Begriff ist, ähnlich wie «Champagner» oder «Cognac».
This product is absolute horse shit. In no way should a “Swiss whiskey” label itself “bourbon.” Marcardo, prepare to be boarded. (hat trick: @TXWhiskeySocial) https://t.co/zdOIAvNKfr
— FredMinnick (@FredMinnick) April 17, 2019
Da aber kein Freihandelsabkommen zwischen den USA und der Schweiz existiert, darf man Bourbon-ähnliche Whiskeys hierzulande auch als solche bezeichnen.
Weniger umstritten, aber ebenso spannend ist das brandneue Vegg White, das vom Crafted-Liquids-Team von Kacper Dylak und Felix Haag vom Zürcher Felix-Bar entwickelt wurde: Ein veganer Eiweissersatz (nein, nicht jenes Kichererbsenzeugs), den man für alle Cocktails verwenden kann, die nach einem Eiweissschäumchen verlangen, ergo für alle Pisco Sours, Pink Ladies und Konsorten. Ohne, dass man stets ein Ei aufschlagen muss. Mega gäbig.
Schweizer Hersteller von süssem Vermouth gibt es einige. Für einen traditionell-trockenen (à la Noilly Prat) muss man etwas gezielter suchen – um schliesslich bei den Tüftlern von Helvetico fündig zu werden, die einen grossartigen Dry anbieten. Für die Hauptzutat wählen wir den nicht minder grossartigen Bisbino-Gin aus dem Tessin.
Bekanntlich verlangt James Bonds Rezept vom Roman «Casino Royale» aus dem Jahr 1953 nach Kina Lillet, das damals Chinin enthielt und dem Liqueur einen leicht bitteren Geschmack verlieh. Doch dieser wird seit 1985 nicht mehr hergestellt und das heute erhältliche Lillet Blanc ist einiges süsslicher. Es gibt aber andere, vorzügliche Likörweine mit Chinin, weshalb die Erlangung der Lizenz zum Töten nichts mehr im Wege stehen muss. Einer der besten ist Kina L'Aero d'Or aus der Romandie.
Jetzt könnte man den Drink wiisse Russ taufen und den Dude von «The Big Lebowski» als dä Typ bezeichnen ... ach, lassen wir das und konzentrieren wir uns lieber auf die geilen Schweizer Zutaten: Kaffeelikör aus Basel, Bio-Wodka aus der Matte-Brennerei in Bern und Vollrahm aus dem Supermarkt.
Auch Rye Whiskey gibt es in der Schweiz! Die Langatun-Destillerie im oberaargauischen Aarwangen etwa brennt so einen. Und für Cocktail Bitters wird man wieder bei den Tüftlern von The Seventh Sense aus Basel fündig, die für die Zürcher Old-Crow-Bar ein Flavouring extra für dieses klassische Cocktail hergestellt haben. Mmh.
Ebenfalls mit Cocktail Bitters am Tüfteln ist Oliver Honegger von Turicum Gin. Während der originale Pink-Gin-Cocktail nach Angostura verlangt, verwenden wir hier eine Kombi von Nelken- und Hibiskus-Bitters.
Cold-Brew-Kaffeelikör von der Kaffeezentrale in Uster, Vodka 1616 von Langatun und einen guten Espresso aus dem Tessin: «Something to wake you up and f*ck you up», wie die ursprüngliche Ansage dieses Cocktails lautete.
Logisch. Logisch hat die Schweiz vorzügliche Sprudelweine. Und Cassis pas de Dijon ebenfalls. Die Festtage können kommen!