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Antwort hier:
Echt, jetzt. Man kann demnach mit erhobenem Haupt an eine Cocktailbar treten und «Bitte ein Mal Sex With an Alligator für mich und einen Cock Sucking Cowboy für meine Begleitung!» sagen.
Nein, allzu aktuell oder trendy ist diese, sagen wir mal, ‹Gattung› Drinks nicht. Sie gehören zu einer gewissen Ära der Cocktailgeschichte – die der 80er- und 90er-Jahren. Und doch darf der eine oder andere Drink – Sex On the Beach, Angel's Tit u.a. – von sich behaupten, zum Standardrepertoire zu gehören.
Wie kam es dazu, dass gewisse Cocktails derart derbe Bezeichnungen bekamen? Der Grund liegt auf der Hand: Jovialer Alkoholkonsum macht seit jeher den Menschen geselliger; Hemmschwellen sinken, Paarungsbereitschaft steigt. Und um letzteren Aspekt zu akzentuieren, täten ein paar Drinks mit themenbezogenen Namen das ihre, so die Überlegung, wohl. Was in den 1920ern geradezu romantisch mit Between the Sheets begann, gipfelte in der Derbheit der frühen 1990er mit dem Blowjob Shot.
Natürlich steckt aber auch eine Portion eklatanter Sexismus dahinter: Nicht in der Namensgebung per se, sondern in der Anmassung, nämlich, dass man der Damenwelt ausschliesslich zuckrige Fruchtcocktails zumuten darf statt herben, ‹männlichen› Alk. «Für den Herrn einen Triple Bourbon neat, und für die Dame einen Grenadine-Cointreau-Cranberry-Peach-Fizz?», etwa. So ziemlich alle Cocktails, die einen schlüpfrigen Namen bekamen, enthalten süsse, dessertige Liqueurs als Zutaten.
Nichtsdestotrotz ist der Vormarsch jener Drinks letztendlich weniger mit überholten Geschlechterrollen zu tun, als mit den allgemeineren Geschmacksvorlieben der Baby-Boomer, die als erste Generation mit einer überzuckerten Alltagsnahrung aufgewachsen war. Bis in die 1970er, nämlich, galt Alkoholgenuss als acquired taste – ein Geschmack, den man erlernte, um ihn zu geniessen. Nicht so für die Twentysomethings der Reagan-Ära:
Und für diese Vorliebe gab es auch gleich das passende Produkt: DeKuyper Peachtree Schnaps. Lanciert 1984, war dieser Pfirsich-Liqueur, wie The New York Times schrieb, «süss und unkompliziert, nicht etwas, an das man sich gewöhnen muss, wie an Whisky oder trockenen Rotwein.» Um das Produkt zu lancieren kreierte man auch gleich einen Drink: The Fuzzy Navel – Peachtree mit O-Saft. Dass sich der Name auf ein Körperteil bezog, war kein Zufall. «Erotisch prickelnd» war Ansage.
Damit waren die Schleusentore geöffnet. Pfirsichschnaps und andere süsse Liqueurs traten einen Siegeszug sondergleichen an – stets als Zutat diverser Cocktails. Letztere waren nicht allzu kompliziert und meist im Glas selbst gemixt, konnten also sekundenschnell von einer fähigen Barperson zubereitet werden (was für den Happy-Hour-Umsatz immens wichtig ist). Durch ihre Süsse waren sie für ein breites, Party-orientiertes Publikum einfach zugänglich.
Der Fuzzy Navel – der flaumige Bauchnabel – war der Anstoss für eine Schwette zuckriger Drinks mit doofen Namensgebungen die zusehends schlüpfriger wurden. Auf Silk Panties (Peachtree und Wodka – vom Bartender Magazine zum «Drink of the Year 1986» gekürt) folgte Slippery Nipple (Baileys und Sambuca). Danach in kurzer Folge gab es den Slow Comfortable Screw (Sloe Gin, Southern Comfort, Wodka, O-Saft) und The Redheaded Slut (Peachtree, Jägermeister, Cranberry).
Alles passgenau auf die kapitalistische Egomanie der Reagan-Yuppies und die auf MTV gezeigte, aggressivere Form weiblicher Sexualität, wie sie in Madonna-Videos propagiert wurde. Und so wunderte es nicht, dass der berühmteste Cocktail der Ära Sex on the Beach getauft wurde.
Und ebenso passgenau mit der Ära hat dieser Drink keine hübsche Ursprungsanekdote wie es die alten Cocktails der Vorkriegszeit haben, sondern ist das Produkt eines kalkulierten Marketingvorstosses: Der Barkeeper, der in Fort Lauderdale, Florida während der Spring-Break-Woche am meisten Peachtree verkauft, erhält einen fetten Bonus, verkündete 1987 der Getränkevertrieb National Distillers. Der 25-jährige Barman Ted Pizio kombinierte den Fuzzy Navel mit einem Cape Codder und nannte es Sex On the Beach. Er bekam den Bonus.
Es gab zig Variationen – substituierte man O-Saft und Cranberry mit Blue Curaçao, etwa, hiess es Sex in the Driveway. Gemeinsam hatten sie alle, dass sie süssliche Drinks in Longdrink- oder Hurricane-Gläser waren, die mit einem Röhrchen serviert wurden. Nichts da mit kontemplativen Nippen an einem Negroni – hier war Party-Gaudi zu einem Van-Halen-Soundtrack angesagt. Und wollte der Kunde-ist-König seine instant gratification gar noch schneller aufgetischt, konnte er sich eine der vielen Party-Shots bestellen. Und im Zeitalter des Porno-Chics hiessen diese etwa Wet Pussy, Blow Job oder Orgasm. Öfters als nicht waren diese mit Schlagrahm getoppt. Und wer sowas ohne Hände trinken konnte, hatte den Applaus aller Anwesenden auf sicher.
Irgendwann Mitte der 90er war der Trend vorbei, was zurückblickend wenig erstaunlich ist. Slippery Nipples, ähnlich wie Schulterpolster, waren von Anfang an nie für die Ewigkeit bestimmt. Dazu waren sie schon immer viel zu spezifisch und Kontextbezogen. Niemand kann heute in einer einigermassen seriösen Hotelbar ironiefrei einen Screaming Orgasm bestellen. An einer Spring-Break-Party in Cancun schon eher. Trotzdem sind jene Drinks mehr als bloss eine bizarre Fussnote der Cocktailgeschichte. Diese schlüpfrigen Drinks sind Cocktailgeschichte der 80er.
Los geht's! Und zwar damit, dass wir das Rad der Geschichte noch ein wenig weiter zurückdrehen; bis zu den Roaring Twenties, nämlich:
Einer der vielen klassischen Cocktails, die im legendären Harry's New York Bar in Paris erfunden worden sein sollen. Zwischen den Bettlaken – so taufte man während der Prohibition die als sexy geltenden Drinks.
Die Beigabe von Himbeer-Liqueur ist fakultativ.
Da ist er, also, der Kickstarter der 80er-Partydrinks! Gibt man etwas Wodka dazu, heisst es Hairy Navel oder Fuzzy Russian.
Der «Citizen Cane» schlüpfriger Cocktails!
Ein Woo Woo ist ein Sex on the Beach ohne O-Saft. Für ein Sex in the Driveway ersetzt man den O-Saft und Cranberry mit Blue Curaçao und Sprite. Alkoholfreie Varianten werden mitunter Safe Sex on the Beach, Cuddles on the Beach oder Virgins on the Beach genannt.
Quasi ein Shirley Temple für Erwachsene.
Es gibt einige Versionen des Orgasms. Im Standardwerk «Bartending 101» werden gleiche Anteile Amaretto, Kahlúa und Bailey's gemixt. Dann gibt's eine Version, die «made on your B.A.C.K.» ist (mit Baileys, Amaretto, Cream und Kahlúa). Gibt man noch Wodka dazu, wird aus einem hundskommenen Orgasm die Screaming-Variante. Bitte sehr:
Eindeutig eine Abwandlung des B-52, werden die Zutaten dieses Drinks in einem Shotglas ‹geschichtet›. Als Variante darf man den Kahlua mit Amaretto ersetzen. Bonuspunkte gibt's für alle, die diesen Drink ohne die Hände zu benutzen exen können.