Die Illustratorin und Autorin Giselle Clarkson war gerade dabei, in ihrem Garten in Wairarapa Gemüse zu ernten, als eine Schnecke in die Erde fiel. Sie wollte sie gerade wegwerfen, als ihr auffiel, dass etwas nicht stimmte. «Irgendetwas war anders, mein erster Gedanke war, dass es sich um eine andere Art handelte», erzählt sie dem Guardian. Bald stellte sie fest, dass sich das Schneckenhaus nach links drehte.
Das ist aussergewöhnlich, denn die meisten Gartenschnecken tragen ein rechtsdrehendes Gehäuse – ihre Schale windet sich also im Uhrzeigersinn. Die neuseeländische Schnecke «Ned» fällt aus dem Muster: Seine Schale dreht sich nach links, was ihn zu einer biologischen Ausnahme macht. Etwa eine von 40'000 Schnecken weist diese spiegelbildliche Anatomie auf.
Clarkson tauft die Schnecke «Ned», nach dem Linkshänder Ned Flanders aus «Die Simpsons».
Doch nun kommt der Haken der ganzen Sache. Mit dem verdrehten Gehäuse geht auch eine Umkehrung der inneren Organe einher, darunter auch der Fortpflanzungsorgane. Das hat folgenreiche Konsequenzen: Schnecken mit gegensätzlicher Drehung können sich nicht paaren – ihre Anatomie ist schlichtweg nicht kompatibel. Für «Ned» bedeutet das: Solange er keine andere Schnecke mit derselben Links-Drehung findet, also ein «leftie», bleibt ihm die Fortpflanzung verwehrt. Und «Ned» muss ein Leben in Enthaltsamkeit führen.
Clarkson richtete «Ned» ein Zuhause in einem Fischglas ein und kontaktierte New Zealand Geographic. Seitdem hat das Magazin eine nationale Kampagne gestartet, um einen Partner für Ned zu finden. Die Kampagne fordert die Menschen in Neuseeland auf, in ihren Gärten und Parks nach linksdrehenden Schnecken zu suchen, und bittet alle, die das Glück haben, eine zu finden, sich zu melden.
Ned mag zwar selten sein, aber seine Notlage ist nicht die erste, die Aufmerksamkeit erregt. Im Jahr 2017 wurde eine internationale Suche gestartet, um einen Partner für «Jeremy» zu finden, einen weiteren einsamen Linksdreher, der in London entdeckt wurde. Es wurden zwei geeignete linksseitige Partner gefunden, die jedoch Schlagzeilen machten, als sie sich stattdessen miteinander paarten. Jeremy paarte sich schlussendlich mit einem der beiden und zeugte Nachkommen mit ausschliesslich rechtsdrehenden Schneckenhäusern, bevor er im Alter von zwei Jahren starb.
Ned ist eine gewöhnliche Gartenschnecke, eine eingeführte Art, die in neuseeländischen Gärten als Schädling gilt. Einige Gärtner mögen die Stirn runzeln, wenn sie versuchen, ihre Population zu vergrössern – aber die Kampagne hat einen umfassenderen Zweck.
«Es geht uns darum, Menschen mit der Umwelt in Verbindung zu bringen», sagte Catherine Woulfe, Redakteurin bei New Zealand Geographic gegenüber dem Guardian.
In diesem Monat ergab eine Studie, dass die Verbindung des Menschen zur Natur in 200 Jahren um 60 Prozent zurückgegangen ist und dass die Heranführung von Kinder an die Natur sowie die Begrünung städtischer Räume einige der besten Methoden sind, um diesen Rückgang umzukehren. «In den letzten beiden Nächten haben meine Kinder fröhlich ihre Gummistiefel und Stirnlampen angezogen und eine halbe Stunde lang im Garten herumgetobt und im Dunkeln Schnecken gejagt», sagte Woulfe. «Das fühlt sich wie ein Sieg an.»