Okay, ja, es existiert ein Selfie von mir mit Micaela Schäfer, ich hab halt mal eins gemacht, wie alle, die an irgendeiner Erotikmesse schon mal irgendwo zufälligerweise in ihrer Nähe waren. Und weil mir eine junge Berliner Schriftstellerin mit grossen Augen gesagt hatte: «Wooooow, du triffst die Schäfer? Die soll ja SO interessant sein!» Na ja, sie machte halt Werbung für ihren Nacktkalender. War mässig interessant.
Auf dem Foto strahle ich verräterisch, was wohl auch kein Wunder ist, wenn einen eine Frau, die man fast immer nackt aus dem Fernsehen kennt, plötzlich fast nackt in den Arm nimmt. Weshalb mein Liebesleben sagt: «Kommt mir nicht in die Öffentlichkeit!» Es hat Recht. Wenn zu viel von den Leuten in die Öffentlichkeit kommt, verlieren sie definitiv ihren Reiz.
So zu sehen in «Sommerhaus, später». Pardon, nein, das ist ein schöner Kurzgeschichtenband über orientierungslose junge Menschen von der ebenso reizenden wie reizvollen und öffentlichkeitsscheuen Judith Hermann aus dem Jahr 1998. Ein Bestseller und Klassiker der Berliner Szene-Literatur.
Ich meine natürlich die RTL-Show «Sommerhaus der Stars». Mit Superstars wie Micaela Schäfer («Germany's Next Topmodel») und ihrem Verlobten Felix (ein Journalist), Jens und Danni Büchner («Goodbye Deutschland») von der Mallorca-Front und unserer Ex-Botschafters-Gattin Shawne Fielding mit ihrem Ex-Eishockey-Stargoalie Patrick Schöpf. Und andern.
Acht Paare treffen sich in einem Haus irgendwo in Portugal, teilen sich zu sechzehnt drei Schlafzimmer, machen Challenges, sind und finden sich eklig. Nur ein Paar kann Germany's Next Trash-Couple werden – oder wie auch immer dieser Top-Titel dann heissen soll.
Als Micaela die Shawne, deren Namen sich die andern nur über die Eselsbrücke «Shaun das Schaf» merken können, erblickt, sprudelt es allerliebst aus ihr heraus: «Das ist für mich 'n absoluter Star! Gut, 'n Job hat sie jetzt auch nicht. Wie wir alle. Wir Promis haben ja nicht wirklich 'n Job. Sie hat absolut Stil! Also, mir ist fast das Silikon geplatzt in der Brust, als ich sie gesehen habe!»
Micalea hat auch einen weiteren schönen Moment, nämlich in der Challenge. Die geht so: Der Mann befindet sich auf einem Netz in der Luft, schmeisst Trauben auf die Frau beziehungsweise in einen von der Frau getragenen Behälter, danach treten die beiden die Trauben, bis Saft kommt. Sinn? Weiss nicht, eine Challenge halt. Micaela so: «Ich hab nicht nach oben geschaut, weil ich Angst hatte, dass mir die Trauben das teure Gesicht zerschmettern. Ist ja alles aus Plastik.»
Die Shawne also ... Ich hab sie ja mal gesehen, vor gefühlten hundert Jahren in Berlin, als sie und Thomas Borer das glamouröseste und verliebteste Botschafter-Ehepaar waren, das die Schweiz je gehabt haben dürfte. Sie hielten sich während einer Theaterpremiere etwas abseits im Foyer, Shawne trug ein türkisfarbiges Kleid und einen Grace-Kelly-Chignon, sie sah jung, schön und verletzlich aus, und ich verehrte sie still. Welch Glanz!
Es war vor dem Fall. Vor der Botschaftsaffäre 2002, als der «SonntagsBlick» behauptete, Herr Borer habe seine Frau mit der Visagistin Djamila Rowe betrogen. Das war gelogen. Die Ehe war trotzdem zerschmettert. Und Frau Rowe ist seither eine dieser Ruinen, die durch's deutsche Unterhaltungs-Fernsehen tingeln, bis sie ganz zerfallen.
Auch das portugiesische Sommerhaus ist voller Ruinen. Patricia Blanco, die tragische Tochter von Roberto und BFF von Djamila Rowe, trinkt so viel, dass Micaelas Verlobter zu Recht sagt: «Ich glaube nicht, dass Patricia ein Problem mit Alkohol hat. Ich glaube, dass sie ein Problem ohne Alkohol hat.» Er bezeichnet auch Jens Büchners Gattin Danni als «nicht normal». Man möchte ihm zustimmen.
Und Bauer Uwe («Bauer sucht Frau») in Unterhose? Möchte man nicht gesehen haben. Ebensowenig den Ex-Bordellbetreiber Bert Wollersheim («Die Wollersheims») und einen Herrn Fussbroich («Die Fussbroichs»), der sagt, seine Familie habe die Dokusoap erfunden, und das «amerikanisch-englische Gequatsche» von Shawne und Patrick gehe ihm auf die Nerven.
Wieso unsere Shawne – eine tadellos erzogene Lady – das nötig hat, verschliesst sich mir beim besten Willen. Wir befinden uns nämlich mal wieder im Schnittmengen-Schmuddel des deutschen Reality-Doku-Soap-Whatever-Scheissdreck-Fernsehens.
Menschen, die aussehen wie tätowiertes Klopapier oder wie mehrfach gebrauchte Erotik-Magazine, sitzen im hässlichsten Haus der Welt und benehmen sich schlecht. Und wieso? Ach ja, sicher, weil sie es sich wert sind. Das Fernsehen, dieses selbst schon etwas abgetakelte Spiegelkabinett abgetakelter Existenzen hat mal wieder in sein eigenes Sommerloch reingekotzt. Sensibler lässt sich dies gerade nicht ausdrücken.
«Sommerhaus der Stars» läuft montags, um 20.15 Uhr auf RTL.
«Sommerhaus, später». Erzählungen von Judith Hermann. Fischer Verlag, 208 S., ca. 14 Fr.