Leben
TV

«Importierter Antisemitismus»: Markus Lanz debattiert mit Iran-Expertin

«Importierter Antisemitismus»: Hier knallt es zwischen Lanz und Iran-Expertin

Markus Lanz wehrt sich gegen den Vorwurf des Rassismus. Historiker und Publizist Michael Wolffsohn vergleicht die Hamas mit der Nazi-Herrschaft.
01.11.2023, 04:4001.11.2023, 16:20
Nina Jerzy / t-online
Mehr «Leben»
Ein Artikel von
t-online
Moderator Markus Lanz stand in der eigenen Sendung in der Kritik (Archivbild).
Moderator Markus Lanz stand in der eigenen Sendung in der Kritik (Archivbild).Bild: gbrci via www.imago-images.de

«Ist das jetzt rassistisch?», fragte Markus Lanz leicht ungläubig. «Ja», erwiderte die Journalistin und Iran-Expertin Gilda Sahebi. Konkret ging es in der Nacht zu Mittwoch um den Begriff des «importierten Antisemitismus». «Wir können doch jetzt nicht negieren, dass wir natürlich uns den Judenhass hunderttausendfach 2015/2016 ins Land geholt haben», sagte Lanz.

Die Gäste

  • Michael Wolffsohn, Historiker und Publizist
  • Gilda Sahebi, Iran-Expertin, Journalistin
  • Johannes Vogel (FDP), stellvertretender Bundesvorsitzender

«Als ich das erste Mal hier in dieser Sendung über importierten Antisemitismus gesprochen habe, kamen genau diese Reflexe. Musste ich mir anhören, wie rassistisch das alles ist», meinte der ZDF-Moderator. «Das ist kein Reflex, lieber Herr Lanz. Das ist einfach eine Beschreibung», entgegnete Sahebi daraufhin scharf. Sie fand auch auf Nachfrage von Lanz seine Beschreibung rassistisch und stritt sich mit ihm um weitere seiner Formulierungen.

Video: twitter/@NurderK

«Markus Lanz»: Streit über Antisemitismus

Die im Iran geborene Ärztin und Journalistin, die unter anderem für die Tageszeitung «Taz» schreibt, hatte zuvor auch CDU-Chef Friedrich Merz und anderen deutschen Politikern «rassistische Narrative» vorgeworfen. Nach Jubelfeiern zum Angriff der Hamas auf Israel sei sogleich über «importierten Antisemitismus», Änderungen im Staatsbürgerrecht und Abschiebungen gesprochen worden – für Sahebi nicht nur kein zielführender Weg, sondern extrem gefährlich.

«Das ist kein importierter Antisemitismus. Das ist unser Antisemitismus», sagte Sahebi. «Zu suggerieren, dass diese Menschen nicht zu Deutschland gehören, weil sie eine andere Ethnie haben – das ist rassistisch und es fördert die Spaltung.» Dies könne schnell genau jene Menschen treffen, die man eigentlich schützen wolle. «Je grösser die Polarisierung wird, desto mehr sind auch Jüdinnen und Juden in Deutschland gefährdet», warnte Sahebi.

Lanz verwahrte sich gegen den Vorwurf seines Gastes und stellte auch die Rassismusanschuldigungen gegen Merz infrage. «Es sind Hunderttausende von Menschen zu uns gekommen, deren Kindheit und Jugend darin bestand, Israel und Juden zu hassen», sagte Lanz. «Ganz einfach. Das ist ein kultureller Hintergrund.» Hier stimmte Sahebi zu.

Sahebi: Man führt rassistische Debatten

Für sie kreist die Debatte in Deutschland aber seit Wochen nur um diesen Punkt. Mal wieder gehe es um Ethnie, um «DIE» Muslime. Echte Problemlösungen, beispielsweise für mehr Aufklärung über den Nahostkonflikt in den Schulen, gerieten erneut in den Hintergrund. «Anstatt dass man über dieses echte Problem spricht, führt man rassistische Debatten», kritisierte Sahebi. Am Ende werde vermutlich wie nach der Silvesternacht 2022/23 wieder nichts geschehen.

Das müsse dieses Mal auf jeden Fall anders laufen, forderte FDP-Vize Johannes Vogel. Entscheidend sei, dass Straftaten geahndet werden, unabhängig von der Frage, wer sie verübt hat. «Der Rechtsstaat muss durchsetzungsfähig werden», forderte der Bundestagsabgeordnete. Dazu gehört für ihn, dass jemand, der wegen antisemitischer Hetze verurteilt wurde, nicht Deutscher werden darf. Vogel stellte aber auch klar: Niemand solle sich einreden, dass bei den Pro-Hamas-Demonstrationen keine deutschen Staatsbürger mitmarschiert seien.

Vogel plädierte wie Sahebi dafür, insbesondere Lehrer besser über den Nahostkonflikt aufzuklären und das Thema fest in den Lehrplänen zu verankern. Antisemitismus komme in Deutschland nicht nur von rechts oder von Muslimen. Auch aus linken Milieus werde Israel derzeit als «Apartheidstaat» oder «Kolonialmacht» verunglimpft. Hier zeige sich der «barbarische Urhass» der islamischen Terrororganisation Hamas.

Historiker: «Manchmal muss man töten, um das Morden zu verhindern»

Der in Tel Aviv geborene deutsche Historiker Michael Wolffsohn sprach bei «Markus Lanz» von der «Tragödie des palästinensischen Volkes»: «Der Terror ist nur ein Ventil, mit dem man seine Wut freilässt, aber politisch nichts erreicht.» Er verglich die Palästinenser unter der Hamas mit dem deutschen Volk im Zweiten Weltkrieg. Die Deutschen hätten von den Alliierten von der Nazi-Herrschaft befreit werden müssen: «Vielleicht ist es jetzt das Gleiche bei den Palästinensern.»

Haben Sie Mitleid mit den Menschen im Gazastreifen?, wollte Lanz von dem langjährigen Professor an der Universität der Bundeswehr München wissen. «Jeder Mensch, der das Herz auf dem rechten Fleck hat, kann doch gar nicht anders reagieren», meinte Wolfssohn, der als Wehrpflichtiger in der israelischen Armee nach dem Sechstagekrieg in den palästinensischen Gebieten als «Besatzer» (seine Wortwahl) einmarschiert war. «Aber manchmal muss man töten, um das Morden zu verhindern», sagte der Historiker.

Zum Streit an diesem Abend um angeblich «importierten Antisemitismus» stellte der Historiker klar: «In dem Augenblick, wo man Menschen importiert, importiert man auch die Probleme dieser Menschen.» Dann komme es darauf an, wie sehr die aufnehmenden Länder willens und in der Lage seien, ihre Gesetze durchzusetzen. Bei letzterem Punkt attestierte Wolffsohn Deutschland gravierende Defizite. Das sei schon lange vor der Ampelkoalition zu beobachten gewesen.

Kritisch ging der Historiker auch mit Alt-Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ins Gericht, als es um die von ihr proklamierten Sicherheit Israels als deutscher Staatsräson ging. Hier sei das Gefühl stärker gewesen als die Ratio, meinte Wolffsohn. Merkel habe Israel damit quasi zum Nato-Mitglied gemacht, was natürlich Unsinn sei. «Ausser Spesen nichts gewesen», lautete sein Fazit.

Verwendete Quellen:

  • zdf.de: «Sendung 'Markus Lanz' vom 31. Oktober 2023».
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
224 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Katerchen
01.11.2023 05:37registriert März 2023
In vielen arabischen Ländern ist Judenhass und das Unterdrücken der Frauen gesellschaftlicher Konsens. Menschen die aus solchen Ländern zu uns in den Westen kommen müssen lernen, dass bei uns dieses Verhalten nicht toleriert wird.
Wer nicht bereit ist anzupassen, der muss sich übrrlegen, ob er nicht besser in sein Land zurückkehrt.
49535
Melden
Zum Kommentar
avatar
derEchteElch
01.11.2023 05:52registriert Juni 2017
Wer nicht bereit ist sich anzupassen, die Gesellschaftsformen hier mitzutragen und mitzuleben (sprich: sich integrieren), der/die muss (!) gehen.

Ganz einfach, sonst muss diese Ausschaffung unter Zwang erfolgen. Auch gegen den Willen des Heimatlandes. Wir brauchen ganz klare und harte Regeln, sonst lernt man es nie.
39832
Melden
Zum Kommentar
avatar
MaskedGaijin
01.11.2023 06:02registriert Oktober 2014
Also ich würde mit einer Kippa auf dem Kopf lieber durch Hinterlupfigen spazieren als durch Berlin oder Marseille.
27922
Melden
Zum Kommentar
224
Krätze sorgt für Arbeit bei der Hotline des Kantons Zürich

Wegen der Krätze, die seit Anfang Jahr vermehrt im Kanton auftrat, haben Ärztinnen und Ärzte an der Fortbildung zur epidemiologischen Situation, Diagnostik und Behandlung von Scabies, fachsprachlich für Krätze, teilgenommen. Auch die Bevölkerung hatte Fragen zur juckenden Hautkrankheit.

Zur Story