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Tochter von Scorsese äussert sich zu Alec Baldwin und Waffen beim Dreh

Cathy und Vater Martin Scorsese. Daneben Scorseses Frau Helen Morris und Tochter Francesca Scorsese. 2019 in Rom an der Premiere von «The Irishman».
Cathy und Vater Martin Scorsese. Daneben Scorseses Frau Helen Morris und Tochter Francesca Scorsese. 2019 in Rom an der Premiere von «The Irishman».Bild: gettyimages

Scorsese-Tochter ist Film-Waffen-Spezialistin und hat klare Worte für den Fall Baldwin

Seit über dreissig Jahren sorgt Cathy Scorsese dafür, dass bei Filmdrehs keine Unfälle mit Waffen passieren. Dass Alec Baldwin eine Kamerafrau mit einer geladenen Waffe erschoss, passt für sie zu den Entwicklungen in Hollywood.
03.11.2021, 14:4704.11.2021, 12:52
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Regisseur und Produzent Martin Scorsese hat bis heute fünf Mal geheiratet und ist Vater von drei Töchtern. Und eine davon, Cathy, gehörte schon oft zu seinem Team. Cathy Scorsese ist verantwortlich für Filmrequisiten. Und hat eine Spezialausbildung in Schusswaffen-Sicherheit. Die Faszination für alles Blutige packte sie mit acht Jahren. Damals begleitete sie ihren Vater zu einer Vorstellung von «Mean Streets» und fragte ihn, wie es möglich sei, dass all das Blut im Film so schön gespritzt und geflossen sei und so realistisch ausgesehen habe.

Und dann wurde sie Waffenspezialistin an Filmsets. Lernte schiessen. Trainiert mit Waffenspezialisten. Musste eine Zusatzausbildung nach der anderen und unzählige Prüfungen ablegen, bis sie zuerst in die Gewerkschaft aufgenommen und sich schliesslich ihren Pass der Behörde für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz verdient hatte.

Kino. Hexenkessel, (MEAN STREETS) USA, 1973, Regie: Martin Scorsese, ROBERT DE NIRO (re), Stichwort: Pistole. (Photo by FilmPublicityArchive/United Archives via Getty Images)
Mit «Mean Streets» (1973 von Martin Scorsese) erwachte Cathy Scorseses Begeisterung für Filmgewalt.Bild: gettyimages

Sie ist dafür verantwortlich, dass bei den Drehs zu blutrünstigen Filmen und Serien wie «Casino», «The Departed», «The Sopranos» oder «Boardwalk Empire» keine Unfälle mit Waffen und anderen Requisiten passieren und nach der Arbeit alle wohlbehalten nach Hause gehen können. Sie kümmert sich seit über dreissig Jahren darum, dass Gewalt im Film echt scheint, es aber nicht ist.

Jetzt erzählte sie der Newsplattform Business Insider, was Alec Baldwins tragischer Unfall mit einer Schusswaffe am Dreh von «Rust», der die Kamerafrau Halyna Hutchins tötete, für sie und andere bedeutet. Und wie es dazu kommen konnte. Denn die Regeln, die sie und ihre Kollegen befolgen müssen, gehören eigentlich zu den striktesten der Filmbranche. «Die Zahl der Verstösse, die zu einem solchen Todesfall geführt haben, übersteigt unser Vorstellungsvermögen», sagt sie. Mit Alec Baldwin hat sie bei «The Departed» und «The Aviator» zusammengearbeitet.

Attendees kneel at a candlelight vigil for the late cinematographer Halyna Hutchins, pictured in photographs, Sunday, Oct. 24, 2021, in Burbank, Calif. A prop firearm discharged last Thursday by actor ...
Trauer um Halyna Hutchins. Die Kamerafrau starb am 21. Oktober nur 42-jährig. Eine Waffe auf dem Dreh von «Rust» war mit richtigen Patronen geladen.Bild: keystone

«Alec ist ein guter Mensch, und es steht ihm ins Gesicht geschrieben, wie verzweifelt er ist. Es ist schrecklich, aber neben seiner Rolle als Schauspieler trägt er in diesem Fall auch den Hut des Produzenten.» Und als solcher habe er, um Geld zu sparen, eine nicht gewerkschaftlich organisierte Crew eingestellt, die dann konsequent über ihre Kapazitätsgrenzen hinausgegangen sei, sagt Scorsese und ruft zu einer Verbesserung des Arbeitsumfelds auf.

«Warum haben wir in Amerika das Bedürfnis, einen Film in sechs Wochen zu drehen, obwohl es zehn bis zwölf Wochen dauern sollte?», fragt sie, «um Geld zu sparen, weil irgendeine Führungskraft in einem Büro entschieden hat, dass es so viel kosten soll? Das sind nicht die wahren Kosten. Die wirklichen Kosten gehen auf Kosten und Wohlbefinden aller an der Produktion Beteiligten. Die Anzugträger da oben kapieren es einfach nicht.»

Vater Martin konnte mit den «Sopranos» nichts anfangen, Tochter Cathy arbeitete jahrelang für die legendäre Mobster-Serie.
Vater Martin konnte mit den «Sopranos» nichts anfangen, Tochter Cathy arbeitete jahrelang für die legendäre Mobster-Serie.bild: gettyimages

«Wir sind unterbesetzt und überlastet. Requisitenabteilungen sind bekannt dafür, dass sie die kleinsten am Set sind und oft aufgefordert werden, Personal einzusparen. Alle, unabhängig von der Abteilung, sind überarbeitet. Wir arbeiten wochen- und manchmal monatelang Überstunden, und das ist die Hölle für unseren Körper, unseren Geist, unsere Beziehungen und unser Leben.»

Sie selbst hat einen Freund verloren, einen 39-jährigen Mitarbeiter eines Kamerateams und Vater von zwei kleinen Kindern, er schlief vor Überlastung am Steuer ein, hatte einen Unfall und starb.

(sme)

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17 Kommentare
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DeDanu
03.11.2021 15:03registriert Januar 2019
Also geht es in der Filmbranche nicht anders zu, als in allen anderen Wirtschaftsunternehmen. Höher Druck und Erfolgszwang für die unteren Chargen, währenddem in der Teppichetage und bei den Investoren der Schampus fliesst. Diejenigen welche dabei auf der Strecke bleiben werden wohl als Kollateralschäden abgebucht. Wie lange soll das kapitalistische Squidgame wohl noch so weitergehen ?
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anonymer analphabet
03.11.2021 15:16registriert April 2016
Die Manager pressen die Zitrone so lange aus wie möglich, anschliessend kommt eine neue Zitrone und so weiter und so fort...

Ich versuche meinen Saft nur tröpfchenweise abzugeben, gelingt mir mal besser mal schlechter...
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Bee89
03.11.2021 15:59registriert Mai 2018
Das ist die “das muss halt möglich sein” Mentalität, die in fast allen Chefetagen herrscht. Wer darunter leidet, sind die Arbeiter, die es irgendwie möglich machen müssen. Frau Scorsese sagt es sehr treffend, das geht auf Kosten unserer Körper und psychisches sowie physisches Wohlbefinden. Und dann passieren Unfälle und alle Fragen sich, wie das doch nur passieren konnte.
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