Softdrinks, Cornflakes, Fischstäbchen und bunte Desserts: Experten schätzen, dass mehr als die Hälfte aller zugeführten Kalorien hierzulande aus hoch verarbeiteten Lebensmitteln stammen. Laut einer internationalen Studie macht dies nicht nur dick, sondern auch schwach.
Das Forscherteam um Zehra Akkay von der University of California untersuchte per MRT die Oberschenkelmuskeln von 666 Personen, die einen durchschnittlichen Body Mass Index (BMI) von 27 hatten. Sie waren also deutlich übergewichtig, aber nicht fettleibig, was erst ab einem BMI von 30 der Fall wäre. Vorher hatten sie per Fragebogen Auskunft über ihr Ernährungsverhalten gegeben, sodass man den Anteil der hoch verarbeiteten Nahrungsmittel auf ihrem Speiseplan ermitteln konnte. Er lag im Durchschnitt bei 40 Prozent, wobei einige darüber und andere darunter lagen. Und genau das war für die Forschenden interessant.
Denn die Auswertung der MRT ergab, dass die Probanden umso mehr Fettgewebe in ihren Muskeln hatten, je mehr ultra verarbeitete Lebensmittel sie konsumierten. «Und diese Unterschiede waren unabhängig von der Kalorienaufnahme und dem BMI», betont Akkay. Die Oberschenkel der hochgradigen Konsumenten des «Ultraprocessed Food» waren also mit mehr Fett durchzogen, obwohl sie nicht mehr Kalorien vertilgten und nicht dicker waren als die Liebhaber der eher unverarbeiteten Kost. Was die Frage aufwirft, was dann diesen Effekt bewirken kann.
So wäre es denkbar, dass jemand, der bevorzugt zu TK-Pizzas, Cornflakes und anderem Convenience («bequemem») Food greift, eher ein bewegungsarmer Typ ist und deswegen nicht nur seltener in der Küche, sondern insgesamt weniger körperlich aktiv wird. Dies könnte das Fett in seinen Muskeln erklären, müsste aber als These der Persönlichkeitspsychologie erst mal nachgewiesen werden.
Ernährungswissenschaftler diskutieren in letzter Zeit, dass die hoch verarbeitete Kost nicht nur mehr Zucker und Fette, sondern auch Stoffe enthält, die man sonst in naturbelassenen Nahrungsmitteln nicht findet. Wie etwa Fruktosesirup, modifizierte Stärke, Transfettsäuren, Geschmacksverstärker und Aromastoffe. Sie werden vom menschlichen Körper anders verstoffwechselt, mit entsprechenden Folgen auf seine Zusammensetzung.
Wie sich das konkret auswirken kann, belegt eine Studie der Harvard Medical University, in der sich Softdrinks mit ihrem hohen Fruchtzuckergehalt als besonders starker Motor für die Bildung des viszeralen Fetts herausstellten. Dieser Fett-Typ umhüllt die inneren Organe, und er gilt als besonders gefährlich, weil er Entzündungen und Herzerkrankungen provoziert.
Robert Lustig von der University of California hält hoch verarbeitete Nahrung für einen «metabolischen Störfaktor», der «die Insulinresistenz fördert und die Effizienz der Mitochondrien verringert». Es gelangt also weniger Zucker in die Zellen, und die dortigen Kraftwerke – eben die Mitochondrien – leisten nicht mehr das, was sie könnten. Was gerade für die stoffwechselintensiven Muskeln eine enorme Einschränkung ist. «In ihnen lagert sich dadurch – wie in der Leber – mehr Fett an», so Lustig. Der Endokrinologe räumt jedoch ein, dass oft nicht klar sei, welche Stoffe in der industriellen Kost für welche Störeffekte im Stoffwechsel sorgen.
Für Radiologin Zehra Akkay, die mittlerweile an der Ankara University arbeitet, zählen ohnehin weniger die Ursachen als die Folgen, die der Muskelfett-Faktor der hoch verarbeiteten Kost auf die Gesundheit hat. «Höhere Mengen an intramuskulärem Fett im Oberschenkel können nicht zuletzt das Risiko für Kniearthrose erhöhen», warnt sie. Denn funktionsschwache Muskeln können für keine Entlastung im Gelenk sorgen. Wer also eine verdächtige Steifheit und Schmerzen im Knie spürt, sollte weniger darüber nachdenken, welchen Sport er noch machen kann, sondern darüber, ob er auf die Kartoffelchips verzichtet.