Jedes Festival hat seine eigenen Qualitäten. Während in der Schweiz in Locarno die Filme selbst die Stars sein sollen, stellt Solothurn das nationale Filmschaffen in ein übersichtliches Schaufenster, das ohne eigenen VIP-Bereich auskommt. Am Zurich Film Festival sind hingegen die Stars die Stars.
Zu jeder herbstlichen Ausgabe ziehen hier die Prominenten über den grünen Teppich, begleitet von Blitzlichtgewitter und euphorisch jubelnden Fans am Rand: Johnny Depp war ebenso schon da wie Sharon Stone, Jake Gyllenhaal oder Rebel Wilson. Das obligatorische Foto vor dem Opernhaus nennt Festivalleiter Christian Jungen den «One-Million-Dollar-Shot».
2023 ist alles anders: Der Streik der beiden Gewerkschaften für Drehbuch und für Schauspiel in Hollywood läuft nach wie vor. Und die Star-Ankündigungen fürs ZFF sind noch überschaubar. Es benötigt zum jetzigen Zeitpunkt eine gehörige Portion Glück, um noch eine ähnliche Promi-Dichte wie in den letzten Jahren nach Zürich zu locken. Und selbst wenn der Streik noch vor Festivalstart am 28. September beendigt werden sollte, werden die Schauspieler kaum als Erstes nach Europa fliegen, sondern eher schleunigst an ihre Filmsets zurückkehren.
Nach der selbst erklärten «Week from Hell» – das war die vergangene Woche, in der die Programmierung der gezeigten Filme offiziell abgeschlossen wurde – folgen nun also Tage des bangen, ungewissen Organisierens, Telefonierens, Mailens. Alle Möglichkeiten werden ausgelotet werden. Doch die Zeit verrinnt schnell. Natürlich kam es in den vergangenen Jahren vor, dass last minute noch Filme ins Programm aufgenommen wurden.
Doch wenn die Situation in Hollywood so verhärtet bleibt, wie es Beobachter vor Ort schildern, dann wird es wohl ein relativ sternenloses ZFF. Dann helfen auch die hoffnungsvollen Parolen nicht weiter, die Christian Jungen im Vorfeld abgab. Vermutlich rührt ein solcher Optimismus daher, dass die gewöhnlich betriebsame Schweiz etwas fremdelt mit dem Konzept «Streik», das in anderen Ländern knallhart durchgezogen wird.
Ein paar Namen sind immerhin bereits bekannt: Die Deutsche Diane Kruger etwa, die letztes Jahr bereits an der Seite von Liam Neeson für «Marlowe» auftrat, hat zugesagt. Der ebenfalls bestätigte Indie-Rock-Musiker Peter Doherty wäre zu seiner chaotischen Rowdy-Blütezeit Mitte der Nullerjahre der erste Kandidat für eine Absage gewesen. Heute, mit 44 und seit längerem clean, könnte sein musikalischer Auftritt nostalgiegetriebene Furore machen.
Ein möglicher Kandidat in Zürich könnte Bradley Cooper sein. Bei «Maestro», ein Biopic über Leonard Bernstein, agiert er als Hauptdarsteller ebenso wie als Regisseur, was ihm mehr Spielraum für eine Teilnahme gibt.
Da es beim ZFF traditionell üblich ist, dass die Anwesenheit der Stars eine neue Produktion mit ihrer Beteiligung bedingt, scheiden einige Regisseure aus der alten Garde aus: Sie geniessen ihren Ruhestand oder haben aktuell nichts in petto.
Zweifelsohne: Wenn die Stars fehlen, fehlt dem ZFF etwas Wesentliches. Doch ganz so arg wäre es auch wieder nicht. Bei den laufenden Filmfestspielen von Venedig gondeln ebenfalls weniger prominente Namen durch die Kanäle als üblich. Wenn Zürich eine ähnlich starke Filmauswahl bringt, wie sie am Lido läuft, lässt sich zumindest für das Publikum alles andere leichter verschmerzen. Am 14. September wissen wir mehr: Dann stellt das ZFF sein Programm vor.