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Bilateralen-Streit mit der EU: Warum die Schweiz nicht vom Griechen-Tumult profitieren kann

Kritiker der internationalen Geldgeber verbrennen eine EU-Flagge in Athen.
Kritiker der internationalen Geldgeber verbrennen eine EU-Flagge in Athen.Bild: ARMANDO BABANI/EPA/KEYSTONE

Bilateralen-Streit mit der EU: Warum die Schweiz nicht vom Griechen-Tumult profitieren kann

Die EU ringt mit Griechenland um den Verbleib in der Eurozone. Für das Drittland Schweiz sind dies keine guten Nachrichten. Die EU wird an ihrer harten Linie bei der Zuwanderung festhalten.
08.07.2015, 10:5808.07.2015, 19:24
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Die Griechenland-Krise und das Nein zur Sparpolitik sorgen nicht nur in der Europäischen Union für Chaos und Verwirrung. Auch die Schweizer Politik steht Kopf. Linke Politiker haben das Bündnis «Solidarität mit Griechenland» gegründet und fordern ein Ende des «Schuldendiktats». Der grüne Zuger Alt-Nationalrat Jo Lang bejubelte auf Twitter das Ergebnis der Abstimmung. 

Sogar die EU-freundliche SP sah sich zu einer Stellungnahme veranlasst. «Die einseitige Sparpolitik der letzten fünf Jahre ist gescheitert», lässt sich Parteipräsident Christian Levrat zitieren. Die JUSO wollen die Einladung des deutschen SPD-Politikers und EU-Parlamentspräsidenten Martin Schulz zum nationalen SP-Wahlkongress vom 12. September in Turgi AG rückgängig machen. Grund ist seine scharfe Kritik an der griechischen Regierung.

«Die EU will nicht über die Personenfreizügigkeit und wohl auch nicht über Schutzklauseln verhandeln, und daran wird sich voraussichtlich nichts ändern.»
Astrid Epiney, Europarechtlerin

Die SVP hingegen verhält sich still, obwohl sie sonst kaum eine Gelegenheit auslässt, um gegen die verhasste EU zu polemisieren. Einige Politiker aus der zweiten Reihe haben in den Jubel eingestimmt, doch die Tenöre halten sich zurück. Nationalrat Christoph Mörgeli gibt sich in einem Tweet an die Adresse Levrats geradezu staatsmännisch. Neo-Nationalratskandidat Roger Köppel beschäftigt sich im aktuellen «Weltwoche»-Editorial mit dem Thema Zuwanderung. Kein Wort verliert er zur griechischen «Schicksalsabstimmung».

Die Zurückhaltung der SVP mag ideologisch begründet sein. Sie kann sich schwerlich mit der linksradikalen Syriza-Bewegung solidarisieren, die am anderen Ende des politischen Spektrums angesiedelt ist. Umgekehrt können Syriza-Chef Alexis Tsipras und Ex-Finanzminister Gianis Varoufakis bei Schweizer Linken auf viel Sympathie zählen. «Schluss mit dem Griechenland-Bashing, der Verunglimpfung der griechischen Bevölkerung und der neuen Regierung!», heisst es im Aufruf des Pro-Griechenland-Bündnisses zu einer Kundgebung am letzten Donnerstag vor der EU-Botschaft in Bern.

Seid stur wie die Griechen!

In einem Punkt aber können die Syriza-Polterer im bürgerlichen Lager punkten. «Nehmen wir uns ein Beispiel an den Griechen!», forderte Denner-Erbe Philippe Gaydoul in einem Interview mit der «Aargauer Zeitung». Während ein Bundesrat nach dem anderen nach Brüssel pilgere und einknicke, zeigten die Griechen «Kampfeswille und Sturheit». Auch Christoph Blocher äusserte sich in einem Interview mit watson beeindruckt: «Ich gehe davon aus, dass Griechenland in der Auseinandersetzung mit der EU einiges erreichen kann.»

Die JUSO wollen Martin Schulz wegen seiner Griechenland-Kritik ausladen.
Die JUSO wollen Martin Schulz wegen seiner Griechenland-Kritik ausladen.Bild: RUBEN SPRICH/REUTERS

Derzeit sieht es eher so aus, als ob die Griechen froh sein müssen, wenn sie den Grexit abwenden können, den Austritt aus der Eurozone. Und es ist zweifelhaft, dass die Schweiz mit ihrem Wunsch nach Zugeständnissen bei der Personenfreizügigkeit von den Querelen mit den Hellenen profitieren kann. «Die EU ist durch Griechenland absorbiert, es könnte daher die Gefahr bestehen, dass sie der Schweiz eher weniger Aufmerksamkeit schenkt», sagt Astrid Epiney, Professorin für Europa- und Völkerrecht an der Universität Freiburg. Einen direkten Einfluss auf die Beziehungen habe diese Thematik nicht.

Reine Höflichkeit

Hinzu kommt eine psychologische Komponente, die sich negativ auswirken könnte. Wird eine Gemeinschaft von einer Krise erschüttert, tendiert sie dazu, sich nach aussen hin abzugrenzen. Zum Beispiel gegenüber einem Drittstaat wie der Schweiz mit ihren Sonderwünschen. Wird die EU also noch härter auftreten? «So wirklich härter geht es kaum noch», relativiert Europarechtlerin Astrid Epiney. «Die EU will nicht über die Personenfreizügigkeit und wohl auch nicht über Schutzklauseln verhandeln, und daran wird sich voraussichtlich nichts ändern.» Die «Gespräche» zu diesen Themen führe sie im Wesentlichen aus «reiner Höflichkeit».

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Hoffnungen, die Griechenland-Krise könne die EU flexibler machen, auch gegenüber der Schweiz, dürften verfrüht sein. «Ein Scheitern Griechenlands kann sich Europa nicht erlauben», warnt Barbara Gysi, St.Galler Nationalrätin und Vizepräsidentin der SP Schweiz. Die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» hingegen plädiert in einem Kommentar stellvertretend für andere – nicht nur deutsche – Medien für eine harte Linie gegenüber den Griechen: «Eine Wünsch-dir-was-Währungsunion, aus der sich jeder nur die Rosinen herauspicken könnte, hätte keinen Bestand.»

Aus Schweizer Warte kommt einem diese Argumentation bekannt vor.

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Gegen die Krise: In Athen versuchen Händler, ihre Ware billig zu verkaufen. Die Regierung hat in Aussicht gestellt, die Hypotheken bis zu 15 Jahre lang tief zu halten, um die Wirtschaft des Landes wieder in Schwung zu bringen.
quelle: ap/ap / thanassis stavrakis
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