Rebecca Kaiser (30) brachte am späten Samstagnachmittag den Hund zu den Eltern, die im Oberdorf von Uerkheim wohnen. Als sie wieder gehen wollte, sei das Wasser flutartig von der Strasse über eine Treppe in den Bereich der Hauseinfahrt geflossen.
«Es ging alles wahnsinnig schnell», erzählt die Büroangestellte, «ich stand sofort bis zum Bauch im Wasser.» Ihr Auto begann zu schwimmen, wurde gegen das Vordach über dem Hauseingang gedrückt. «Unsere drei Autos wurden zerstört.» Und alles, was sich im Kellergeschoss befand, wurde total durchnässt und mit Schlamm verdreckt. Die Familie Kaiser warf ihre Habseligkeiten gestern in Mulden, die am Sonntagmorgen bereitgestellt wurden.
Drei Häuser weiter, unmittelbar neben der Uerke, steht das Haus der Familie Bolliger. Beat Bolliger (55) ist darin aufgewachsen. Ebenso seine Schwester Elisabeth (51), die das Gebäude heute zusammen mit ihrem Mann Andreas Moser (55), einem Lokführer, bewohnt. Beat Bolliger sagt, er habe sicher schon ein halbes Dutzend Überschwemmungen erlebt. Aber so wie am Samstag sei die Uerke noch nie gekommen.
«Es ging relativ schnell – fast wie bei einer Flutwelle», erklärt Andreas Moser. Die Uerke hat die zwei freistehenden Garagen der Bolligers ganz weggerissen und das rote Auto der Frau gegen die Hauswand gedrückt.
Wie die Aussage von Beat Bolliger zeigt, bereitet die Uerke schon seit Ewigkeiten Hochwasser-Kummer. Die letzten grösseren Schäden gab es im Oktober 2012. Bereits ein halbes Jahr später konnten die Uerkner an der Gemeindeversammlung über ein Hochwasserschutzprojekt befinden. An die 2.5 Millionen Franken teuren Massnahmen (1. Etappe im Oberdorf) hätten sie 635 000 Franken bezahlen müssen.
An der Gemeindeversammlung wurde der Kredit mit 47 zu 40 Stimmen genehmigt, doch es gab dann ein Referendum und der Kredit wurde an der Urne mit 362 zu 134 Stimmen verworfen. Die Gegner stellten nicht den Hochwasserschutz generell infrage, sondern verlangten andere Varianten. Und im Abstimmungskampf wurde etwa erklärt, die Reiheneinfamilienhäuser an der Hinterhubelstrasse hätten in den Neunzigerjahren gar nicht bewilligt werden dürfen, weil die Eingänge unter dem Wasserspiegel der Uerke lägen.
Wären die Massnahmen realisiert worden, hätte wohl ein Teil des Unheils vom Samstag verhindert werden können. Aber nicht alles. Davon ist Gemeindeammann und Grossrat Markus Gabriel überzeugt. «Bei diesen gewaltigen Wassermassen hätte es sicher trotzdem Schäden gegeben.»
Dass es am Samstag zwischen Zofingen und dem Uerkental wirklich extrem geschüttet hat, bestätigte ein betagter Dorfbewohner: «In meinen 83½ Jahren habe ich noch nie so etwas erlebt.»
Aussergewöhnlich waren nicht nur die Niederschläge vom Samstag, sondern auch die Solidarität bei den Aufräumarbeiten, die bereits in der Nacht auf Sonntag begannen. In Windeseile wurden Mulden aller Art herbeigebracht, damit die Hochwassergeschädigten ihre Keller ausräumen konnten. Die Feuerwehren und der Gemeindeverband Bevölkerungsschutz Region Suhrental-Uerkental (Zivilschutz) war mit rund 200 Personen im Einsatz. Ab Montag sollen noch mehr Zivilschützer beim Aufräumen mitwirken, sagte Verbandspräsident Daniel Zünd.
Die Hilfe ist sehr willkommen. Alleine in Uerkheim sind fast die Hälfte der Gebäude irgendwie betroffen. Darunter auch Gewerbeliegenschaften wie etwa die Garage des Transportunternehmens Räbmatter.
Schwer geschädigt hat das Hochwasser auch Elsbeth Byland (62), die seit 1972 mitten im Dorf einen Lebensmittelladen betreibt. Alles ist zerstört worden, nur ganz wenige Speisen konnten gerettet werden. «So etwas habe ich noch nie erlebt», stöhnt Elsbeth Byland – und wirft weiteres Material in den Container.