Der Abstimmungssonntag war nicht nur ein Rückschlag für Bundesrat und Parlament, die bei drei von vier Vorlagen den Kürzeren zogen, sondern auch für die hiesige Klimapolitik.
Gleich in zwei Kantonen wurde über Klimaanliegen abgestimmt. In Bern wurde die Vorlage für eine höhere Motorfahrzeugsteuer mit 53 Prozent Nein-Anteil abgelehnt. Die Steuer hätte zukünftig auf ökologische Faktoren ausgelegt werden sollen. Heisst: Die Höhe der Abgabe wäre nicht mehr nur vom Gewicht abhängig, sondern auch vom CO₂-Ausstoss des Fahrzeuges. Doch die Berner wollten nichts davon wissen.
In Basel-Landschaft setzte es für die Grünen eine schallende Ohrfeige: Ihre Klimaschutzinitiative wurde mit 64,3 Prozent abgeschmettert. Rotgrün konnte somit nicht einmal das eigene Wählerpotenzial abrufen (38 Prozent bei den letzten Wahlen 2019).
Die Initiative forderte, dass der Regierungsrat die Senkung der CO₂-Emissionen auf Kantonsgebiet mit einem neuen Klimagesetz steuern soll. Laut Initiativtext hätte die Regierung CO₂-Reduktionspfade definieren und jährlich einen Klimabericht erstellen sollen. Die Gegnerschaft argumentierte erfolgreich, dass dies zu teuer und bürokratisch wäre.
Die Ergebnisse aus Bern und Basel folgen einem Trend: Vorlagen zu Klimafragen haben es momentan schwer in der Schweiz. Am deutlichsten wurde dies bei dem Nein zum CO₂-Gesetz letzten Sommer.
Das mutet paradox an, fast schon ein bisschen schizophren, denn: Die Grünen sind in der Schweiz nach wie vor im Aufwind. Sowohl auf kantonaler, wie auch auf nationaler Ebene kennen ihre Wähleranteile nur eine Marschrichtung: nach oben. Es scheint, als wollen Herr und Frau Schweizer grundsätzlich mehr Klimaschutz. Sobald es allerdings konkret wird, bekommen sie kalte Füsse. Oder Angst ums eigene Portemonnaie.
«Wenn man bedenkt, dass die Berner Stimmbevölkerung letzten November den Klimaschutz in die Kantonsverfassung gebracht hat, gleichzeitig aber kleine Massnahmen wie eine angepasste Motorfahrzeugsteuer ablehnt, dann liegt dieser Schluss auf den ersten Blick nahe», sagt Isabelle Stadelmann-Steffen, Professorin für vergleichende Politik an der Universität Bern. «Das Ganze ist aber komplexer.»
Es gebe Personen, die den Klimaschutz als oberste Priorität im Leben ansehen. Diese wären auch bereit, entsprechende Massnahmen zu unterstützen. «Für viele ist das Klima jedoch nur ein Problem von vielen. Das liegt auch daran, dass der Klimawandel das tägliche Leben vieler Menschen nicht gross beeinflusst», sagt Stadelmann-Steffen. Unter diesen Umständen seien dann die meisten nicht bereit, Einschränkungen oder Kosten auf sich zu nehmen.
Kommt hinzu, dass die Hemmschwelle für den Griff ins eigene Portemonnaie überproportional ansteige, je langfristiger die Investition scheint. Oder anders ausgedrückt: Viele sind nicht bereit, heute für etwas Kosten zu tragen, das sich erst in zehn oder zwanzig Jahren auszahlen könnte.
In der Politik verhalte es sich genau gleich, meint Stadelmann- Steffen: «Klimaschutz ist politisch ein extrem unattraktives Thema. Jetzt zu handeln, um in der Zukunft zu profitieren – das widerspricht jedem Erfolgsprinzip der Politik.»
Ein weiterer Knackpunkt dürfte tief verwurzelt in der helvetischen Kultur liegen. Sieht man sich die Klima-Diskussionen etwas genauer an, so stellt man fest, dass diese immer wieder am gleichen Thema scheitern: der individuellen Freiheit. Ein Grundpfeiler der Schweizer Identität, wie auch die Corona-Krise deutlich aufzeigte.
Diese Fixierung auf die individuelle Freiheit scheint zu kognitiven Dissonanzen zu führen. Die Motorfahrzeugsteuer veranschaulicht dies sehr plastisch: Die meisten Leute in Bern hätten von der Vorlage profitiert.
Einerseits, weil viele gar nicht so ein grosses Auto besitzen, als dass es zu mehr Steuern führen würde. Andererseits, weil die Mehreinnahmen zur Finanzierung einer Steuersenkung für jedermann gebraucht worden wäre. Der Anteil an Personen, der tatsächlich mehr bezahlt hätte, dürfte weit unter den 53 Prozent Nein-Stimmen liegen. Doch das Schreckgespenst der Beschneidung der individuellen Freiheit funktionierte.
Isabelle Stadelmann-Steffen überrascht dies nicht. Es sei einfach viel schwieriger, mit langfristigen, wissenschaftlichen Argumenten erfolgreich zu sein, als mit solchen, die auf kurzfristige Kosten und Einschnitte in die Freiheit getrimmt seien. Für sie ist deshalb klar: «Solange es Parteien gibt, die in allen Klimafragen das Referendum ergreifen, wird die Schweiz nicht sehr weit kommen.»
Stellt sich die Frage: Ist eine vernünftige Klimapolitik in absehbarer Zeit überhaupt möglich?
Darauf weiss auch die Politik-Professorin keine Antwort. «Den einzigen Weg, den ich momentan sehe, ist mehr Betroffenheit.» Die Notwendigkeit müsse sichtbarer werden. «Das hat man in den letzten zwei Jahren schön gesehen: Wenn die Corona-Lage drohte, ausser Kontrolle zu geraten, ging es plötzlich sehr schnell und die Bevölkerung akzeptierte harte Massnahmen», sagt Stadelmann-Steffen.
Aufgeben sollte man die Hoffnung allerdings nicht. «Man muss alle Optionen ausschöpfen, an allen Enden weiter forschen und sensibilisieren.» Den einen technologischen Durchbruch, der das Klima retten wird, werde es wahrscheinlich nicht geben. «Also müssen wir Schritt für Schritt Richtung Ziel laufen.» Nur so könne mehr Konsens und ultimativ ein Kulturwandel entstehen, sagt Stadelmann-Steffen.
Dieser Kulturwandel müsse sich dabei nicht einmal durch die gesamte Bevölkerung ziehen. «Vielleicht erreichen wir bald einen Kipppunkt. Nicht einen ökologischen, bei dem der Klimawandel nicht mehr aufzuhalten ist, sondern einen politischen: Es braucht nicht mehr viele Menschen, um die Klimapolitik erfolgreich zu machen.» Viele Abstimmungen, wie jene zum CO₂-Gesetz, würden bereits heute an der 50-Prozent-Marke kratzen. «Man muss also nicht die gesamte Nein-stimmende Bevölkerung überzeugen. Wenn schon nur 10 Prozent mehr das Klima nachhaltig priorisieren, kann das stabile politische Mehrheiten schaffen.»
Die Kosten für CO2 steigen von ganz alleine, da brauch es kein Gesetz, sinnvoller wäre es Alternativen zu verbilligen und zu verbessern.
Beispiele:
Kostenloser ÖV.
Kostenlose Park and Ride Parkplätze.
Steuerliche Vorteile für Home Office.
CO2 neutrale Lebensmittel von der Mehrwertsteuer befreien.
Ich habe beim Co2 Gesetz zwar „ja“ gestimmt, aber ein Gesetz, dass über 200 Seiten Erläuterungen braucht ist unverständlich, unsicher und umständlich. Zudem ging es in weiten Teilen um Umverteilung, ohne dass ein Effekt auf die Umwelt gesichert war. Der administrative Aufwand wäre enorm gewesen. Da verstehe ich jeden, der nein gestimmt hatte.