Das Warnsignal ertönte letzten Freitag: Aus heiterem Himmel gab die Schweizer Armee die Absage von zwei geplanten Grossanlässen auf dem Militärflugplatz Emmen (Air Spirit 2024) und dem Waffenplatz Bière (Defense 25) bekannt. Auch das Fliegerschiessen auf der Axalp im Berner Oberland wird dieses und nächstes Jahr nicht stattfinden.
Der Entscheid wurde anscheinend kurzfristig gefällt. Luftwaffenchef Peter Merz erfuhr davon salopp gesagt aus den Medien. Grund ist das liebe Geld. Armeechef Thomas Süssli sagte dem SRF am Samstag, die Armee sei «finanziell sehr belastet». Sie könne «dieses Jahr und voraussichtlich auch nächstes Jahr nicht allen Verpflichtungen nachkommen».
Mit anderen Worten: Die Kasse ist leer. Radio SRF berichtete am Mittwoch unter Berufung auf ein internes Dokument, das Finanzloch betrage eine Milliarde Franken. Tatsächlich sollen es je rund eine halbe Milliarde in diesem und im nächsten Jahr sein. Laut CH Media hingegen betrifft der Fehlbetrag von 1,2 Milliarden die Jahre 2025, 2026 und 2027.
So oder so: Die Armee hat sich offenbar beim Kauf von Rüstungsgütern erheblich verzockt. «Das Verteidigungsdepartement (VBS) von Bundespräsidentin Viola Amherd lebte teilweise über seine Verhältnisse und budgetierte nach dem Prinzip Hoffnung», schreibt der «Tages-Anzeiger», der ebenfalls Einsicht in das besagte Dokument hatte.
Man kann das nachvollziehen: Nach dem Ende des Kalten Kriegs wurde die Schweizer Armee redimensioniert und restrukturiert. Finanziell wurde sie an der kurzen Leine gehalten, zum Leidwesen bürgerlicher Politiker. Denn das Armeebudget erlaubt eine gewisse Flexibilität, weshalb Ausgaben in anderen Bereichen im Zweifelsfall Vorrang hatten.
Noch 2018 wurde zurückhaltend budgetiert, als die Beschaffung eines neuen Kampfjets und Luftverteidigungssystems im Umfang von acht Milliarden Franken spruchreif wurde. Für die folgenden Jahre war kein weiteres Rüstungsprogramm geplant. Doch schon ab 2020, noch vor dem Ukraine-Krieg, wurden zusätzliche Rüstungskäufe beschlossen.
Mit Wladimir Putins Angriffskrieg kam es auch in der Schweiz zu einer Art Zeitenwende. In der Sondersession im Mai 2022 entschied das Parlament auf einen Vorstoss von FDP-Präsident Thierry Burkart, das Armeebudget bis 2030 auf ein Prozent des BIP zu erhöhen, was einer Verdoppelung von rund fünf auf zehn Milliarden Franken pro Jahr entspricht.
Armeechef Süssli verfolgte die Debatte im Nationalrat persönlich im Saal. Die Zufriedenheit stand ihm ins Gesicht geschrieben. Die Jahre, in denen die Armee finanziell «unten durch» musste, schienen vorbei zu sein. Doch Übermut tut selten gut. Schon Anfang 2023 stand «Sparministerin» Karin Keller-Sutter angesichts drohender Finanzlöcher auf die Bremse.
Sie beantragte, den Zeitrahmen für die Verdoppelung des Budgets bis 2035 zu erstrecken. In der Wintersession folgte ihr das Parlament nach einem Tauziehen zwischen National- und Ständerat (der an 2030 festhielt). Dabei hatten Bundesrat und Parlament letztes Jahr bereits Rüstungskäufe von 725 Millionen Franken unter anderem für Radschützenpanzer bewilligt.
Das verlangsamte Budgetwachstum bedeutet jedoch, dass weniger Geld für Einkäufe zur Verfügung steht. Die Armee sitze «nun plötzlich auf Kaufverträgen für Rüstungsgüter, für die sie kein Budget mehr hat», so der «Tages-Anzeiger». Offenbar will sie mit den Lieferanten über einen Aufschub verhandeln, doch das verschiebt das Problem bloss.
Hinzu kommt, dass das Militär laut Thomas Süssli unter der Teuerung und gestiegenen Betriebsausgaben leidet. Weitere Probleme zeichnen sich ab. So hat die Nachfrage nach dem Kampfflugzeug F-35 seit Beginn des Ukraine-Kriegs stark zugenommen. Und der Hersteller Lockheed Martin kämpft mit technischen Problemen beim Hightech-Jet.
Eine verzögerte Auslieferung an die Schweizer Luftwaffe und eine Verteuerung lassen sich nicht ausschliessen, auch wenn das VBS auf die geltenden Verträge verweist. Am Donnerstag mussten Verteidigungsministerin Amherd und Armeechef Süssli bei der Sicherheitspolitischen Kommission des Ständerats zum «Rapport» antraben.
In nächster Zeit dürfte es nichts werden mit der grossen Wiederaufrüstung der Schweizer Armee. Umso mehr rückt eine verstärkte Zusammenarbeit mit der Nato in den Fokus, die der Bundesrat am Mittwoch skizziert hat. «Die Schweiz ist nicht in der Lage, sich gegen alle potenziellen Bedrohungen alleine zu wappnen», heisst es im entsprechenden Bericht.
Ach wenn die Bürgerlichen (SVP und Konsorten) auch nur halb so spendabel wären, wenns ums Volch geht.