Der Countdown läuft – nur noch zwei Wochen bis zum Wahlsonntag. Habt ihr das Wahlkuvert schon zur Post gebracht oder seid ihr noch unentschlossen?
Vor dem grossen Showdown hat das Team um Moderator Sandro Brotz gestern die Parteichefs im Leutschenbach zusammengetrommelt, um euch bei dem Entscheid zu helfen.
Als vertiefte Wahlhilfe hat die «Arena» schlussendlich nicht getaugt. Oder bestenfalls lediglich für Menschen, die das Schweizer Polit-Geschehen nur am äussersten Rand mitverfolgen. Doch schön der Reihe nach.
Mit den Präsidentinnen und Präsidenten der SVP, SP, FDP, CVP, Grünen, GLP, BDP und EVP war die Sendung personell an ihrer oberen Grenze angelangt. Die SRG ist aus Gründen der Gleichbehandlung und der politischen Neutralität so kurz vor den Wahlen dazu verpflichtet. Dafür erhielt Brotz zehn Minuten mehr Sendezeit. Wir konzentrieren uns in dieser Rezension auf die Präsidenten der vier wählerstärksten Parteien.
Für die Parteichefs war die Mission klar: Auf in den Kampf im Endspurt um die letzten Wählerstimmen. Brotz seinerseits forderte von ihnen, dass sie «Farbe bekennen»: Also kein Geplänkel, sondern klare Ansagen zu den vier Themen, die Herr und Frau Schweizer dieses Jahr bewegen: Die Gleichstellung, das Klima, die Gesundheitskosten und das Verhältnis der Schweiz zur EU.
Der Sendungsaufbau ist dazu im Grunde gut durchdacht: Nach jedem Themenblock müssen die Politiker zum hellblauen oder roten Kärtchen greifen und damit ihr Ja oder Nein zu einer bestimmten Frage aufzeigen. Das Problem: Die Protagonisten leiern ihre Parolen bereits seit Wochen in jedem Medium herunter. Neue, konkretere Aussagen kann Moderator Brotz seinen Gästen kaum entlocken.
Zur Baustelle Nummer eins ernennt er an diesem Freitagabend die Gleichstellung. Im Parlament gibt es bezüglich der politischen Vertretung der Frauen bekanntlich Luft nach oben. Nun könnte es dieses Jahr zur Frauenwahl kommen: Erstmals sind über 40 Prozent der Kandidierenden für den Nationalrat weiblich.
Die Parteipräsidenten im Studio am Leutschenbach werden an diesem Freitagabend nicht müde zu betonen, wie sehr sie alle Frauen fördern. Sogar die SVP. «Wir haben erst gerade zwei Bundesrichterinnen gestellt» (Rösti), «Die FDP hat als einzige Bundesratspartei eine Präsidentin» (Gössi), «Die Grünen haben als erste nationale Partei eine Frau an die Parteispitze gewählt» (Rytz), und CVP-Alt-Bundesrätin Doris Leuthard wurde durch Viola Amherd mit einer anderen Frau ersetzt (Pfister). Und die SP? «Wir haben im Ständerat mehr Frauen als ihr alle zusammen», kontert Parteipräsident Christian Levrat betont cool. Und sichert sich damit bestimmt einige Stimmen.
Zu reden gibt anschliessend die umstrittene Aussage von Justizministerin Karin Keller-Sutter. Sie findet bekanntlich, man könne nicht alles haben: «drei Kinder, ein Verwaltungsratsmandat und eine politische Karriere». FDP-Präsidentin Petra Gössi verteidigt wenig überraschend ihre Bundesrätin.
Es folgt ein Duell zwischen SP-Levrat und SVP-Rösti, bevor sich CVP-Präsident Gerhard Pfister in die Diskussion einbringt und die drei Männer lautstark über Frauenanliegen debattieren. Bis Brotz Gössi als einzige Frau in der Hauptrunde ermuntert, etwas zum Thema Frauenquote beizusteuern. Gössi hält zunächst fest: «Ich bin die einzige Frau an der Spitze einer Bundesratspartei.» Und fährt weiter: «Man hätte meine Argumente nie ernst genommen, wenn ich diese Position mit einer Quote erreicht hätte.»
20 Minuten nach Sendestart ist die Zeit reif für die Klimawelle. Gleich zu Beginn liest Meeresbiologe und Fotograf Thomas Flück den Politikern im Studio die Leviten. In einem emotionalen Monolog hält er ihnen vor, seit Jahrzehnten untätig zu bleiben. Seine Kernaussage: «Sie wissen seit über 30 Jahren haargenau, was unser Tun hier auf diesem Planeten mit unserer Biosphäre anrichtet! Was machen Sie nun dagegen?»
Er verstehe seinen Standpunkt, doch die Dramatisierung bringe nichts, entgegnet ihm CVP-Präsident Gerhard Pfister.
Kurze Zeit später einigen sich die Politiker in der Runde bei diesem Thema auf einen Sündenbock: Albert Rösti. Er kündigte kürzlich das Referendum gegen das CO2-Gesetz an. Bei der Abstimmung im Studio ist er so auch der Einzige, der sich nicht dafür einsetzen will, dass es bei einem griffigen CO2-Gesetz bleibt. Laut ihm treffen die verschiedenen Massnahmen in erster Line «die Büezer». Wirklich überzeugend wirkt er nicht. Gut möglich, dass ihn diese Performance einige Stimmen kosten wird.
Rösti haben die Zuschauer jedoch kurz darauf die einzige überraschende Aussage des Abends zu verdanken. Und zwar in Bezug auf das zweite höchst umstrittene Plakat des Wahlkampfs, nämlich dasjenige des SVP-nahen Egerkinger-Komitees. Dessen Slogan lautet: «Die FDP schützt radikale Islamisten in der Schweiz». Die FDP hat dagegen geklagt und am Donnerstag Recht erhalten. Das Plakat sei «nicht von ihm», distanziert sich Rösti. Und räumt ein: «Es ist vielleicht nicht gerade die feinste Art.»
Bei Thema Nummer drei gibt es potenziell viele Wählerstimmen zu gewinnen: Die Krankenkassenprämie ist für Herr und Frau Schweizer heute das drängende politische Problem. Die Prämienrunde für das Jahr 2020 ist zwar weniger hoch als auch schon. Doch über die letzten Jahre hinweg gesehen gibt es bei den Prämien nur eine Richtung; nämlich gegen oben.
Nur: Bisher scheint es gegen die steigenden Gesundheitskosten kein Rezept zu geben. Aktuell stehen zwei Ideen zur Debatte.
Die CVP fordert in ihrer «Kostenbremse-Initiative», dass die Gesundheitskosten – und damit die Prämien – nicht stärker wachsen dürfen als die Gesamtwirtschaft und die Löhne. Geht es nach der SP, soll in Zukunft niemand mehr als zehn Prozent des verfügbaren Einkommens für Krankenkassenprämien bezahlen müssen.
Hier punktet Rösti mit einem eingeworfenen Hinweis zur Kurzsichtigkeit dieser Massnahme: «Eine Gute Idee, aber was ist, wenn die Gesundheitskosten nicht sinken? Dann übernimmt schlussendlich der Steuerzahler und wieder die Allgemeinheit.»
SP-Levrat startet daraufhin eine Tirade gegen das «mit Lobbyisten kolonisierte Parlament», das es unmöglich mache, Massnahmen durchzusetzen. Dieser Ansicht ist auch Rentnerin Theres Giger. Sie sagt: «Ich finde, die Parlamentarier, die in der Pharma- oder Versicherungsbranche Mandate haben, sollten nicht abstimmen dürfen.»
Dieser Ball geht direkt an FDP-Chefin Gössi, die auf das hiesige Milizparlament hinweist und sich verteidigt, indem sie kontert: «Auf der linken Seite gibt es ganz viele Parlamentarier, die bei Gewerkschaften oder NGOs sind.»
Das Fazit nach der Diskussion fällt ernüchternd aus. «Haben Sie das Gefühl, es verändert sich jetzt etwas?», fragt Brotz Frau Giger. «Ich bin nicht überzeugt.» Lacher im Studio.
Der Moderator lässt den Freitagabend mit dem Verhältnis der Schweiz zur EU ausklingen: Es geht – wieder einmal – um das Rahmenabkommen.
Weiterer Abstecher ins Publikum: Wir lernen Rentner und Ex-Verkäufer Joseph Kaufmann kennen. Er ist überzeugt, die Schweiz habe in Brüssel schlecht verhandelt: «Wenn ich etwas verkaufen will, gehe ich ja auch nicht zu Herr Rösti und sage, gell, Sie brauchen nichts?»
Levrat nimmt den Bundesrat in Schutz und entgegnet: «Mit wem soll er denn verhandeln? Die EU ist momentan mit dem Brexit beschäftigt und intern bei uns laufen Diskussionen mit den Sozialpartnern.»
Fakt ist: Auch bei diesem Thema sind die Positionen der Parteien bekannt – und bleiben in der «Arena» grösstenteils so stehen: Wirklich zufrieden ist mit dem unterschriftsbereiten Rahmenabkommen niemand.
Die FDP fordert verschiedene Konkretisierungen. Im Zweifelsfall würde Petra Gössi den Vertrag so wie er vorliegt – und das ist neu – aber auch so unterschreiben.
Die SVP lehnt das Rahmenabkommen grundsätzlich ab und für die SP muss zuerst der Schweizer Lohnschutz gesichert werden. Auch für die CVP sind vor Unterschrift verschiedene Punkte (staatliche Beihilfe, flankierende Massnahmen und die Unionsbürgerrichtlinie) zu klären. Gerhard Pfister bringt es gegen Ende der Sendung auf den Punkt: «Das Problem sind nicht die Arbeitgeber und nicht die Gewerkschaften, sondern die EU.»
Das Wichtigste zum Schluss sagt dann Moderator Brotz: «Gönd Si go wähle.» Und wir schliessen uns an ... nämlich hier:
Da empören sich die zwei rechtsbürgerlichen Wendehälse vor den Wahlen über die Überwachung und Verfolgung eines Bankers und vergiessen Krokodilstränen betreffend dieser Widerwärtigkeit.
Man erinnere sich welche Parteien sich in der vergangenen Legislatur vehement für das Überwachungsgesetz (BÜPF) und die Bespitzelung der halben Bevölkerung durch Versicherungsdetektive stark gemacht haben.
Wird man einmal in ferner Zukunft so ein Exemplar von Politiker ausgraben, wird man anstelle seines Rückgrats eine Schwimmnudel finden.