Am 3. Januar – Montag nach dem Silvesterwochenende – liessen sich 70'000 Personen testen und 28'000 davon erhielten ein positives Resultat. Das entspricht einer Positivitätsrate von 40 Prozent und bisheriger Tagesrekord – noch nie wurden so viele positive Fälle an einem Tag gemeldet.
>> Coronavirus: Alle News im Liveticker
Die hohe Positivitätsrate deutet zusätzlich auf eine hohe Dunkelziffer hin. Virenforscher Richard Neher rechnet damit, dass die tatsächliche Anzahl positiver Fälle derzeit etwa doppelt so hoch ist wie durch Tests bestätigt.
Damit folgt der epidemiologische Verlauf der Prognose der unabhängigen Taskforce von Anfang Dezember. Damals präsentierte sie die folgenden farbigen Kurven und Flächen für die Delta- (blau) und Omikron-Variante (violett). Für Omikron wurde zusätzlich das Unsicherheitsintervall angegeben.
Die schwarze Linie zeigt die tatsächlich dokumentierten Fälle im 7-Tage-Schnitt. Dass sie über der gestrichelten Prognose der Taskforce liegt, bedeutet, dass sich die Situation tendenziell noch etwas ungünstiger entwickelt, als erwartet.
Vor wenigen Wochen galt das Tessin mit seinen tiefen Fallzahlen noch als «Vorzeigekanton». Inzwischen weist der südlichste Kanton der Schweiz mit 388 Infektionen pro 100'000 Einwohner täglich die höchste Inzidenz auf.
Umgerechnet heisst das: Pro Woche infizierte sich eine oder einer von 40 Tessinern – bei Nehers Dunkelziffer-Schätzung sogar einer von 20.
Grund ist wenig überraschend Omikron. Laut dem BAG war diese Variante bereits Ende Dezember für 95 Prozent aller Fälle im Tessin verantwortlich – zu diesem Zeitpunkt machte im Rest der Schweiz Delta noch immer etwa die Hälfte der Infektionen aus.
Der 7-Tage-Schnitt der Hospitalisierungen sinkt weiter, dürfte sich allerdings in den kommenden Tagen stabilisieren. Denn in einzelnen Kantonen wie im Tessin steigen die Zahlen bereits wieder an. Welche Auswirkungen die Rekord-Fallzahlen der letzten Tage tatsächlich auf die Hospitalisierungen haben, wird sich erst mit einer Verzögerung von rund einer bis zwei Wochen zeigen.
Im Vergleich zur letztjährigen Welle lässt sich jedoch klar festhalten: Inzwischen müssen deutlich weniger Personen wegen Covid-19 hospitalisiert werden. Die folgende Grafik zeigt vereinfacht den Zusammenhang zwischen den Fall- und Hospitalisierungswellen (Hospitalisierungen sind zur einfacheren Vergleichbarkeit vergrössert dargestellt).
In der letzten Winterwelle führten ähnlich hohe Fallzahlen wie wir sie im letzten Monat hatten zu fast doppelt so vielen Hospitalisierungen. Der Impfschutz dürfte hier eine entscheidende Rolle spielen – und möglicherweise tragen auch die verhältnismässig milderen Symptome der Omikron-Variante einen Teil bei. Entsprechend gibt es immer weniger Hospitalisierungen pro 100 positive Tests in der Schweiz.
Mit den rasch steigenden Fallzahlen bleibt die Situation in den Spitälern allerdings angespannt. An der Pressekonferenz vom Dienstag rechnete Patrick Mathys vom Bundesamt für Gesundheit mit einer starken Zunahme der Spitaleintritte.
Aktuell liegen 300 Personen mit Covid-19 auf Schweizer Intensivstationen. Ihren Impfstatus gibt das Bundesamt für Gesundheit nicht an. Auf Anfrage von watson schreibt die Schweizerische Gesellschaft für Intensivmedizin, dass «die meisten Covid-19-Patientinnen und Patienten auf den Intensivstationen ungeimpft sind.» Regional betrage der Anteil bis zu 90 Prozent. Die geimpften Patientinnen und Patienten haben entweder chronische Begleiterkrankungen oder sind immunsupprimiert.
Allerdings gibt es diesbezüglich Angaben vom Kanton Zürich, wo immerhin rund jeder sechste Schweizer IPS-Patient mit Covid-19 liegt. Im Kanton Zürich sind von den aktuell 54 Patienten 83 Prozent ungeimpft, 15 Prozent sind vollständig geimpft.
Als Reminder: Zwei Drittel der gesamten Bevölkerung in der Schweiz sind geimpft. Knapp ein Drittel ist ungeimpft, ein kleiner Rest der Bevölkerung ist (erst) teilweise geimpft.
Von der Aussage «auch Geimpfte liegen auf der Intensivstation» darf man sich also nicht blenden lassen. Denn bei vielen Geimpften in einer Bevölkerung sind naturgemäss auch einzelne Geimpfte auf Intensivpflege angewiesen. Dass trotz hoher Impfquote noch immer der Grossteil aller Patienten ungeimpft ist, verdeutlicht, wie gut die Impfung vor schweren Verläufen schützt.
Aber wie gross ist das Risiko, für Ungeimpfte auf Intensivpflege angewiesen zu sein? Lassen wir das an einem vereinfachten Rechenbeispiel durchgehen.
Gehen wir davon aus, dass nicht nur im Kanton Zürich, sondern schweizweit rund 83 Prozent aller IPS-Patienten ungeimpft sind. Von den 300 Covid-Patienten im gesamten Land wären dann 249 ungeimpft und 45 geimpft.
Von den 8,6 Millionen Einwohnern sind bei der aktuellen Impfquote 2,7 Millionen ungeimpft und 5,8 Millionen geimpft.
Auf 100'000 ungeimpfte Einwohner ergibt das 9,3 Personen, die aktuell ein IPS-Bett benötigen. Von 100'000 Geimpften sind es allerdings nur 0,8 Personen. Das Risiko für Ungeimpfte ist demnach aktuell fast 12 Mal höher als für Geimpfte.
Vor Weihnachten nutzten viele die Gelegenheit, um sich eine Auffrischungsimpfung spritzen zu lassen. In der Altjahreswoche gab es dann einen deutlichen Einbruch bei den täglich verabreichten Impfdosen. Im neuen Jahr scheinen die Impfungen wieder anzuziehen. 9 von 10 verabreichten Dosen sind aktuell Booster.
Ironischerweise womöglich die wirksamste "Massnahme" gegen die Pandemie.
Also bitte endlich bei euren Zahlenspielereien sich auf Risikogruppe konzentrieren, oder zum Beispiel alle Personen unter 20jahren ausschliessen!