Es gibt absehbare Rücktritte aus dem Bundesrat. Etwa den von Ueli Maurer, auch wenn der SVP-Finanzminister öfter mit einem Weitermachen kokettierte. Und dann gibt es die unerwarteten Abgänge. Dazu gehörte jener von Didier Burkhalter (FDP) und am Mittwoch gesellte sich Simonetta Sommaruga hinzu. Sie geht überraschend auf Ende Jahr.
Die 62-jährige Bernerin wäre wohl gerne noch etwas geblieben. Sie hört mitten in einer Energiekrise auf, und auch sonst hinterlässt sie einige Baustellen im Departement UVEK. Der Schlaganfall ihres Ehemannes Lukas Hartmann aber warf alle Pläne über den Haufen. An der Medienkonferenz verbarg sie nicht, wie sehr der Schicksalsschlag ihr zugesetzt hat.
Damit setzt Sommaruga die Sozialdemokratische Partei unter Zugzwang. Sie kann sich im Gegensatz zur SVP kaum Zeit lassen mit der Nachfolgeregelung, denn die Bundesratswahl findet schon in etwas mehr als einem Monat statt, am 7. Dezember. Eine Sorge allerdings wird sich die SP kaum machen müssen: Ihr Anspruch auf den Sitz ist unbestritten.
Die SP war in letzter Zeit nicht in Bestform. Sie verlor Wähleranteile an die Grünen. Diese drängen seit einiger Zeit auf einen Sitz in der Landesregierung. An sich wäre vorstellbar, dass die bürgerliche Mehrheit in der Vereinigten Bundesversammlung die Gelegenheit nutzen und den frei werdenden SP-Sitz den Grünen «zuschanzen» könnte.
Dazu wird es kaum kommen, denn die SP hatte sich nach dem Maurer-Rücktritt clever verhalten und die Doppelvertretung der SVP nicht infrage gestellt. Selbst Ex-Juso-Chefin Tamara Funiciello, der niemand rechtsbürgerliche Sympathien nachsagen kann, erklärte auf TeleZüri, die SVP habe «unbestrittenen Anspruch auf zwei Sitze im Bundesrat».
Damals war ein Sommaruga-Rücktritt nicht absehbar. Diese Zurückhaltung lohnt sich jetzt, denn die Sozialdemokraten bieten den Bürgerlichen kaum Angriffsfläche. Das könnte sich ändern, wenn die SP bei der Nachfolge auf ein Zweierticket vom linken Flügel setzen würde. Das aber ist mit Blick auf die Personaldecke der Partei nicht sehr wahrscheinlich.
Die Grünen haben mehrfach für den Bundesrat kandidiert. Lange konnten sie das mit einer gewissen Narrenfreiheit tun, aber das hat sich seit dem Wahlerfolg 2019 geändert. Mit der neuen Rolle tut sich die Partei schwer. Nach langem Zögern verzichtete sie auf einen Angriff auf den SVP-Sitz. Offenbar wollte sich niemand für das chancenlose Unterfangen «opfern».
Wenn die Grünen aber nicht einmal den politischen Gegner attackieren, wäre ein Schielen auf den Sitz ihres wichtigsten Allianzpartners SP erst recht widersinnig. Faktisch haben sich die Grünen selbst gefesselt, und prompt teilten sie am Mittwoch mit, sie würden «keine Kandidatur stellen für die Nachfolge von Bundesrätin Simonetta Sommaruga».
Im Prinzip wäre es möglich, dass die Bürgerlichen ein Machtspielchen aufziehen und den SP-Sitz trotzdem an die Grünen vergeben. Faktisch ist das ausgeschlossen, denn in einem Jahr sind nationale Wahlen. In einer solchen Situation hält sich die Lust des Parlaments auf Experimente im Bundesrat in noch engeren Grenzen, als dies sonst der Fall ist.
Schon FDP und CVP/Mitte konnten vor vier Jahren mit diesem Kalkül ihren Besitzstand mit Karin Keller-Sutter und Viola Amherd wahren. Nun kann auch die SP dem 7. Dezember ohne grosse Sorgen entgegenblicken. Denn die zeitgleiche Regelung der Maurer-Nachfolge trägt ebenfalls dazu bei, dass es im Bundesrat beim Status quo bleiben dürfte.
An sich hatte man eher mit einem Rücktritt von Alain Berset gerechnet. Er wirkte in letzter Zeit öfter amtsmüde und machte mit privaten Eskapaden Schlagzeilen. Der Freiburger wird jedoch im nächsten Jahr zum zweiten Mal Bundespräsident. Ein anschliessender Abgang wäre keine Überraschung. Und dann könnte es definitiv spannender werden als heute.
Worst Case wäre, wenn Cassis auf die Idee kommt ins UVEK zu wechseln. Es ist ja schon ärgerlich genug, dass er im EDA einen Cassis nach dem anderen produziert, aber im UVEK wäre das Schadenspotential dann nochmals viel grösser.
Berset schielt hingegen, wenn überhaupt, wohl eher auf die Finanzen.
Fände eigentlich Amherd im UVEK nicht schlecht. Im Gegensatz zu Sommaruga würde es ihr wohl leichter fallen, Abstimmungsvorlagen ins Ziel zu bringen.
Und den Rösti könnte man dann, wie es sich gehört, im VBS parkieren.
Bei der SP winken sie direkt ab.
Weder scheint ihnen der BR-Sitz, noch die Konkordanz allzu sehr am Herzen zu liegen.
Keine Strategie oder Konstanz erkennbar. Bei diesem Durcheinander frage ich mich ob die Grünen wirklich reif für den BR sind...