Wie weit geht die Medienfreiheit? Diese Frage – so meint man – hätte in der Schweiz keine Berechtigung. Sie gilt als Land der Menschenrechte, als Land der direkten Demokratie.
Und doch stellt sie sich. Das zeigen zwei aktuelle Beispiele. Da waren einerseits die Demonstrationen: Am 1. Mai wurden mehrere Journalistinnen und Journalisten von der Stadtpolizei Zürich miteingekesselt. Kollateralschäden passieren, in der Hektik erwischt es auch Unbeteiligte. Nur war das aus Sicht der Polizei kein Fehler, wie sie später klar machte.
Daniel Blumer, der Kommandant der Stadtpolizei, stellte sich auf den Standpunkt, dass ein Medienausweis für ihn in Verdachtssituationen keine Bedeutung habe. So etwa, wenn ein Journalist mit Demonstrierenden in einen «Kessel» gerate oder mit ihnen vor der Polizei flüchte. In diesen Situationen werde ein Journalist gleich behandelt wie jeder andere Bürger.
Diese Behauptung verbreitete die Stadtpolizei später auch auf Twitter und signalisierte damit: Wer zu nahe vom Geschehen berichten möchte, riskiert eine Wegweisung oder gar eine Anzeige. Diese Drohung stützte die Polizei auf zwei Bundesgerichtsurteile, die die Haltung der höchsten Richterinnen und Richter des Landes nicht vollständig widerspiegeln. So garantierte die Rechtsprechung in neueren Urteilen mehrfach bestimmte Vorrechte für Medienschaffende. Im Frühling 2021 wurde etwa eine Journalistin vom Vorwurf des Hausfriedensbruchs freigesprochen, nachdem sie von einer Hausbesetzung berichtet hatte.
Doch das störte in der linksgrün dominierten Stadtpolitik kaum jemanden. Die zuständige Grüne Stadträtin Karin Rykart liess Blumers Behauptung ausgerechnet in der Woche, wo Medienschaffende den «Tag der Medienfreiheit» feiern, unkommentiert.
Gleiches im Kanton Bern, wo im September 2020 eine unbewilligte Kundgebung stattfand. Die Polizei machte mit einer grosszügig definierten Sperrzone deutlich, dass nur aus weiter Distanz beobachtet werden darf. Journalisten wie der Autor dieser Analyse, wurden weggeschickt oder weggewiesen. Ein Polizist drückte einer Journalistin gar die Hand auf die Linse, als sie filmen wollte, wie Einsatzkräfte bei einer Polizeikontrolle handgreiflich wurden. Ein Fehlereingeständis gab es hier ebenso wenig wie in Zürich.
Das sind nicht Zufälle oder Einzelereignisse, sondern Zeichen eines Trends, der auch die Schweiz trifft. In der Pandemie wurden zeitweise rund 150 Journalisten aus dem Bundeshaus verbannt, angeblich wegen eines Missverständnisses. Das Kantonsparlament im Wallis warf Anfang Mai alle Medienschaffende raus – mit Stimmen von SP, Grüne, FDP und SVP. Ein Aufschrei innerhalb der Politik blieb aus.
Und dann war noch der Vorstoss des Glarner FDP-Ständerats Thomas Hefti, der mit einer Miniänderung der Zivilprozessordnung es einfacher machen wollte, journalistische Texte vorzensurieren zu lassen, bevor ein Gericht sich im Detail mit dem Inhalt des Texts befasst. Dies sei ein Angriff auf die Pressefreiheit, wie der Medienanwalt dieser Redaktion findet.
Gerichte haben in der Vergangenheit solche Angriffe regelmässig abgewehrt. Unklar ist, ob das auch dann noch passieren wird, wenn das pressefeindliche Klima sich weiter verbreitet. Helfen könnte, wenn Polizei und Politik im Zweifel für die Freiheit entscheiden – statt wie heute mit Anzeigen, Repression und Vorzensur. Fakten entscheiden am Ende über Recht und Unrecht. Ohne Medienfreiheit bleiben sie verborgen.
Journalismus muss unabhängig vom Wohlwollen der Exekutive und Legislative, national wie lokal arbeiten können.
Ich sehe es immer öfters, dass Medienleute sich in Mitten von Demonstranten mischen um gute Bilder und Stories zu bekommen und dann wundern, dass sie entweder von den Demonstranten angegangen werden oder von der Polizei.
Die Polizei ist weder Bodyguard der Journalisten noch kann sie vorausahnend Journalisten aus der Menge identifizieren und speziell behandeln. Dies geht erst nach der Arrestierung. Die Journalisten sind halt sehr oft selber schuld.
Bei den anderne Punkten kann ich voll und ganz mit dem Text übereinstimmen.