Die Diskussionen um die Covidpandemie und die Impfung haben uns bewusst gemacht, dass ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung den Gesundheitsbehörden und den Wissenschaftlern misstrauen. Aber auch den Ärzten und speziell der Pharmaindustrie.
Dieses Phänomen ist für Heiler und Anbieter von alternativmedizinischen Methoden und Produkten ein Geschenk des Himmels. Denn der Markt der komplementären Therapien ist übersättigt, der Verteilkampf gross. Über 10000 Anbieter buhlen um Patienten. Covid hat ihren Kundenkreis erweitert, denn viele Impfverweigerer suchten nach Alternativen.
Zwar gaben die meisten Wunderheiler und Quacksalber nicht das Versprechen ab, eine Ansteckung verhindern zu können, doch sie sagten ihren Klienten, ihr Immunsystem entscheidend stärken zu können. Dieses sei dann bereit, das Virus zu bekämpfen.
Das sind abenteuerliche Versprechungen. Die Viren lassen sich bei ihrer Arbeit kaum von Geistheilern, Handauflegern, Bachblüten, Globuli, Beschwörungen, Bioresonanz usw. ablenken. Die alternativen Methoden sind zwar harmlos, dafür sind die falschen Hoffnungen, die Heiler ihren Klienten machen, gefährlich.
Denn die meisten Quacksalber sind selbst Impfverweigerer und warnen die Kunden vor der angeblich katastrophalen Wirkung der Impfung. Man kann getrost die Aussage wagen, dass sich viele Heiler mitschuldig machten, dass etliche ihrer Kunden auf der Intensivstation gelandet sind.
Ein ähnliches, weit gefährlicheres Phänomen lässt sich in Bezug zu Krebs beobachten. Die Diagnose ist für die meisten ein Schock. Die Vorstellung, eine Operation, Chemotherapie oder Bestrahlung über sich ergehen lassen zu müssen, löst verständlicherweise existenzielle Ängste aus. Und bei Verwandten und Freunden Betroffenheit. Viele von ihnen empfehlen den Erkrankten komplementäre Mittelchen oder Therapien.
Zum breiten Sortiment der Ratschläge gehört auch die Konsultation von Heilern. Diese hätten schon viele Krebspatienten geheilt, wird den Krebspatienten oft erzählt. Ein Mythos, der in esoterischen Kreisen zum Standardrepertoire gehört.
Handauflegen statt Skalpell, Globuli und Misteln statt Chemotherapie: Die sanften Methoden klingen verlockend. Rund die Hälfte der Krebspatienten wenden sich denn auch solchen alternativen Therapieformen zu, wie Umfragen zeigen. Werden diese als Ergänzung zu den konventionellen medizinischen Massnahmen angewandt, ist es meist harmlos. Frei nach dem Motto: Nützt es nichts, so schadet es auch nicht.
Doch bei den radikalen Heilern kann es gefährlich werden. Für sie sind Schulmedizin und Pharmaprodukte des Teufels, behaupten sie doch, Chemotherapien und Bestrahlungen würden das Immunsystem zerstören, weshalb der Tumor rasch wachsen und tödliche Folgen haben könne. Deshalb raten sie den Patienten dringend ab, sich den Ärzten auszuliefern.
Solche Empfehlungen können fatal sein, wie ich bei meiner Beratungstätigkeit schon mehrfach erlebte. Etliche Patienten sind gestorben, weil sie einem Heiler vertrauten und schulmedizinische Therapien ablehnten. Tatsache ist aber, dass die onkologischen Methoden immer besser werden und die Heilungschancen in den letzten Jahren deutlich gestiegen sind, wie Untersuchungen zeigen.
Bei früh erkanntem Brustkrebs zum Beispiel liegt heute die Heilungsrate bei rund 90 Prozent. Tatsache ist auch, dass Tumore nicht schrumpfen, weil ein Heiler seine Hände auflegt.
Es gibt rund 500 alternative Heilmethoden. Abgesehen von der Phytotherapie (Pflanzen-Heilkunde) konnte noch keine Methode durch randomisierte Doppelblindstudien den Beweis für eine signifikante Heilwirkung erbringen. (Gegen schwere Krankheiten ist auch die Phytotherapie machtlos.)
Doch die Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer lässt sich von solchen Fakten und Argumenten nicht von ihrem Glauben an die heilende Wirkung der alternativen Methoden abbringen. Sie bewiesen es bei der Abstimmung von 2009: 67 Prozent der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger entschieden, dass die anthroposophische Medizin, die Neuraltherapie, die Traditionelle chinesische Medizin (TCM), die Homöopathie und die Phytotherapie von den Krankenkassen übernommen werden müssen.
Ein Entscheid, der gegen das Gesundheitsgesetz verstösst. Dort heisst es, dass Therapien und Medikamente wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sein müssen. Die Wirksamkeit der alternativen Methoden konnte aber noch nie bewiesen werden. Trotzdem wurden die alternativen Methoden in den Leistungskatalog der Grundversicherung aufgenommen. Das Bundesamt für Statistik hat erhoben, dass ein Drittel der Bevölkerung alternativmedizinische Leistungen nachgefragt hat. Tendenz weiter zunehmend.
Sogar bei der ambulant tätigen Ärzteschaft ist die Akzeptanz gut, wie die Ärztezeitung schreibt:
Was müssen wir für eine glückliche Gesellschaft sein, dass wir wissenschaftliche Erkenntnisse dankend ablehnen und uns alternativmedizinischen Anbietern anvertrauen, die von Medizin wenig Ahnung und nicht einmal die Mittel haben, einfache Diagnosen zu stellen.