meist klar
DE | FR
Schweiz
Armee

Schweizer Armee verteilt Kampfstiefel im Überfluss

Beim neuen Kampfstiefel kommen Rekruten ins Schwärmen (Symbolbild).
Beim neuen Kampfstiefel kommen Rekruten ins Schwärmen (Symbolbild).bild: az

Schweizer Armee verteilt Kampfstiefel im Überfluss – Tausende bleiben unbenutzt

Zahlreiche Zivildienstleistende haben bei der Aushebung Kampfstiefel erhalten, die sie nie brauchen – weil sie zum Beispiel im Alters- oder Pflegeheim arbeiten. Manche verkaufen die Schuhe gar im Internet.
23.02.2017, 05:2623.02.2017, 06:59
Antonio Fumagalli / aargauer zeitung
Mehr «Schweiz»

«Schweizer Armee-Kampfstiefel, neu, noch nie getragen, Grösse 43» – so lautet die Annonce auf einem grossen Schweizer Anzeigenportal. Wer bereit ist, die robusten Schuhe der Marke Bally persönlich im Kanton Freiburg abzuholen, kriegt sie für 60 Franken.

Ähnliche Angebote sind auf den einschlägigen Portalen zuhauf zu finden. Aus welchem Grund sie fabrikneue Armeestiefel zu Hause rumstehen haben, geben die Inserenten in der Regel nicht an. Die Vermutung liegt aber nah: Sie haben diese bei der Rekrutierung erhalten, danach nie einen Tag Militärdienst absolviert und die Stiefel entsprechend auch nicht gebraucht. Verboten ist ein solcher Verkauf nicht.

Es gibt immer mehr Zivis

Gemäss der aktuellsten Statistik des Verteidigungsdepartements (VBS) haben 2015 38'179 Stellungspflichtige einen definitiven Bescheid über ihre Tauglichkeit erhalten, wobei 24'305 als militärdiensttauglich und 4461 als schutzdiensttauglich beurteilt wurden. Die Übrigen waren medizinisch untauglich – sie leisten also weder Militärdienst noch Zivilschutz – oder wurden aus anderen Gründen zurückgestellt.

Jetzt auf

All diese Personen haben die zwei- bis dreitägige Rekrutierung durchlaufen, im Volksmund «Aushebung» genannt. Sobald klar ist, dass jemand militär- oder schutzdiensttauglich ist, kriegt er die Kampfstiefel 90 ausgehändigt, wie die Logistikbasis der Armee auf Anfrage mitteilt. In der Regel finde dies am zweiten Rekrutierungstag statt. Die jungen Männer (und wenigen Frauen) nehmen die Stiefel nach Hause und erhalten den guten Rat mit auf den Weg, die Schuhe in den kommenden Wochen und Monaten einige Male zu tragen, damit sie später in der Rekrutenschule keine Blasen verursachen.

Nur: Immer mehr Militärdiensttaugliche leisten gar nie Militärdienst. Sie reichen ein Gesuch für den Zivildienst ein und werden von der Vollzugsstelle zugelassen, sofern sie ihr Gesuch spätestens zwei Wochen nach dem obligatorischen Einführungstag bestätigen. 2015 wurden 5835 Personen zum Zivildienst zugelassen – Tendenz steigend.

Einsatzbetrieb stellt Schuhe zur Verfügung

Die Zivis leisten ihren Dienst später in den verschiedensten Einsatzbereichen, wobei das Sozial- und Gesundheitswesen mehr als drei Viertel aller geleisteten Diensttage ausmacht. Das sind etwa Einsätze in einem Alters- und Pflegeheim oder die Unterstützung von Menschen mit Beeinträchtigungen. Jedenfalls sind es Tätigkeiten, bei denen das Tragen von Kampfstiefeln alles andere als sinnvoll, wenn nicht gar betriebsintern verboten ist. Überdies sind die Einsatzbetriebe verpflichtet, den Zivis spezielle Arbeitskleider inklusive Schuhe zur Verfügung zu stellen, sofern dies der Einsatz erfordert. Wer zum Beispiel im Naturschutz schwere Arbeiten verrichtet, erhält das dafür geeignete Schuhwerk zur Verfügung gestellt.

Das VBS schreibt, dass jemand, «bei dem schon bei der Rekrutierung klar ist, dass er Zivildienst leistet, nicht ausgerüstet wird». Formell kann dies zu diesem Zeitpunkt aber noch gar nicht feststehen und auch die Armee betont, dass der Stellungspflichtige an der Aushebung «kein Zivildienstgesuch einreicht». Dieses stelle man «frühestens nach dem abgeschlossenen Rekrutierungsprozess», der auch die Funktionszuteilung für die RS beinhaltet. Mit anderen Worten: Es hängt davon ab, wie die Betroffenen gegenüber den Rekrutierungsoffizieren kommunizieren und was diese mit der Information anfangen. Wer noch nicht weiss, ob er später Zivildienst leisten will oder dies einfach nicht angibt, erhält die Kampfstiefel. Gemäss Angaben des VBS kostet das Paar zwischen 90 und 110 Franken.

Hast du zuhause auch noch Militär-Kampfstiefel rumstehen?

Auch Zivilschützer betroffen

Tatsache ist, dass Tausende Zivildienstangehörige die schweren Schuhe zu Hause haben, ohne sie jemals gebraucht zu haben. Abgeben müssen sie diese nicht. Denn die Armee nimmt sie aus hygienischen Gründen nicht zurück, «sofern sie getragen wurden» – was naturgemäss schwer zu überprüfen ist. Wie viele Personen die Schuhe tatsächlich zurückgeben (müssen), lässt sich nicht eruieren, da das VBS keine entsprechenden Zahlen erhebt. Von den 5836 Personen, die 2015 zum Zivildienst zugelassen wurden, haben 45 Prozent ihr Gesuch noch vor Beginn der Rekrutenschule eingereicht und diese in den allermeisten Fällen keinen einzigen Tag lang besucht.

Hinzu kommen all jene jungen Männer, die als untauglich für den Militärdienst, aber tauglich für den Zivilschutz (nicht zu verwechseln mit dem Zivildienst) beurteilt wurden. Auch sie kriegen die Armeeschuhe – und weil viele von ihnen diese für ihre Tätigkeit ebenso wenig verwenden können wie ihre Kollegen im Zivildienst, lassen auch Zivilschützer die Kampfstiefel im Estrich verstauben. Oder sie bieten sie eben im Internet feil. 

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet um die Zahlung abzuschliessen)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Themen
Das könnte dich auch noch interessieren:
15 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
15
Brand zerstört ehemaliges Bauernhaus in Lüterswil SO

Ein Brand hat ein ehemaliges Bauernhaus am Montagmorgen in Lüterswil SO zerstört. Die Bewohner konnten das als Wohnhaus genutzte Gebäude rechtzeitig verlassen und blieben unverletzt. Die Polizei klärt die Brandursache ab.

Zur Story